Santana

„Wir sind alle von Engeln umgeben.“ .rief der Hippie-Rock-Vater verklärt in Londons Wembley Arena. „Leben ist Träumen, Sterben ist Erwachen“, flüsterte er an anderer Stelle. Carlos Santana erlebt beim Bedienen seines Musikinstrumentes regelmäßig spirituelle Höhepunkte. Während er sich im ständigen und fließenden Wechsel durch die Dur- und Mollskalen der westlichen Harmonielehre schraubte, drang er in Erfahrungsbereiche vor, die nur jenen Eingeweihten zugänglich sind, die von ihren ehemaligen Gurus liebevoll „Devadip“ genannt werden. Carlos wollte sein Publikum am göttlichen Licht teilhaben lassen und folterte – gemäß Buddhas erstem noblen Grundsatz „Alles Leben ist Leiden“ – die Menge mit Gitarrensoli. Die selbstverständlich noch immer inspirierten Improvisationsorgien hatten allerdings so wenig mit dem leichtverdaulichen „Supernatural-Spaß zu tun, dass das Warten für all die neuen Hitparaden-Gläubigen, die sich nach einem goldenen Kalb wie „Maria, Maria“ sehnten, zum indulgenten Buße-Marathon wurde. Weise war, wer sich in stoischer Geduld übte: Denn der alleinige Grund für unser Leiden ist, so Buddha im zweiten noblen Grundsatz, Sehnsucht und Verlangen (z.B. nach einem kurzen und knackigen „Black Magic Woman“, nach „Oye Come Va“). Auch durch ein fünfminütiges Schlagzeugsolo durfte sich der Suchende nicht aus der Ruhe bringen lassen – denn am Ende, als der Meister den Kelch von uns nahm und seine Hits auspackte, wartete die Erlösung. „Das Leiden kann überwunden werden.“ (Buddha, dritter nobler Grundsatz)