Kolumne

Zah1de did it better: Warum jetzt alle den „Woke Macarena“ tanzen

Darum erlebt der Macarena gerade eine überraschende Renaissance. Die neue Kolumne von Julia Friese.

Drei Beobachtungen:

1. ihr seid yapper, ich mach‘ hits, ohne viel reden

Die Zeilen „Bei uns essen alle aus ei’m Teller / Deutschland hat ein’n neu’n Bestseller“ dürften Ihnen im Sommer 2025 irgendwo begegnet sein. Sie stammen von der Berlinerin Zah1de. Sie ist fünfzehn Jahre alt und hat derzeit 8,5 Millionen Follower auf TikTok. Seit Ende 2024 ist sie bei Universal gesignt. Ihr softer Meme-Rap ist eine Art Vokabelheft für jeglichen Gegenwartsslang. Ihr vierter Track ist also safe ein Banger – so heißt es auch in „Zahide Did It Better“. Ein Song, der gleichzeitig ein Kommentar war, der sich im Frühling 2025 unter jedem dritten TikTok breitmachte – nachdem Zahide einen Trend getanzt hatte, den auch die TikTokerin Chiara getanzt hatte. Man muss dazu wissen: Ein Trend meint auf TikTok, dass man ein bestimmtes Meme fortführt, also einen gerade populären Tanz, Sound oder Sketch nachahmt, oder eben auch: einen gerade populären Kommentar absetzt.

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Der Kommentar verselbständigte sich also, egal was gepostet wurde: „Zahide did it better“ oder „Zahide won this trend“ konnte man garantiert darunter lesen. Auf TikTok – wie im wahren Leben – ist es eben nicht gefragt, etwas komplett eigenes zu machen. Zahide nimmt diese reactions dann wiederum in ihre Lyrics auf. Ihre Musik entsteht also ein wenig wie einst Pollesch-Theaterstücke: Sie ist schon die Regisseurin, aber jederzeit empfänglich für das, was die Leute um sie herum so posten, oder eben „yappen“ – das ist Englisch, und meint eigentlich kläffen, aber yappen sagt man nun eben statt labern. Checkst du? Die richtige Antwort darauf ist nicht mehr: Ja, Mann. Sondern: Checke.

2. yo, macarena, alles gute zum dreißigsten dann

Auf YouTube hat ein Mash-up Producer namens Philemon „Zahide Did It Better“ mit dem Sommerhit von 1995 gemixt: Los del Rios „Macarena (Bayside Boys Remix)“. Und was soll man sagen: Philemon won this trend. Denn die „Macarena“-Version ballert noch mehr als Zahides Original. „Macarena“ liegt in diesem Jahr sowieso immer mal wieder seltsam in der Luft: Da wäre das ikonische „Macarena“-Musikvideo: weißer Hintergrund, viele Frauen und zwei Männer tanzen, wobei die Frauen kurze, bauchfrei glänzende Neunziger-Kleidung tragen. Ende 2021 wurde das Video von der amerikanischen „Vogue“ mit Bad Bunny nachgedreht.

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Das ist aber nun m y s t e r i ö s e r w e i s e von der „Vogue“-Seite gelöscht worden. GANZ OHNE ERKLÄRUNG. Die Fans debattierten. Und da ist der „Woke Macarena“ genannte Tanz, den sich ein TikToker zu dem Song „Take A Sexy Picture Of Me“ der irischen Sängerin CMAT ausgedacht hat, der dann kurzerhand auch zum Trend wurde, dem sich Menschen wie It-Girl Julia Fox („Down The Drain“, Simon& Schuster, 2023) und Lola Young („Messy“, 2024) widmeten.

3. mater dolorosa? dolor feminarum!

Interessant an „Macarena“ ist, dass es den Song eigentlich schon seit 1993 gibt. Im un-remixed Original von Los del Rios erzählt er von einer lebenslustigen, aber eben rebellischen jungen Frau, die der La-Movida-Bewegung zugetan war – also christliche, patriotische wie patriarchale Tugenden zugunsten ihrer Freiheit ablehnte. Der dann aber berühmt gewordene Remix der Bayside Boys von 1995 unterschlug das, und wandelte so die Bedeutung, erzählt Macarena als eine rein vergnügungssüchtige Hedonistin, die ihren Freund betrogen hat.

Interessant ist auch, dass die Namensgeberin, die Macarena von Sevilla, also die christliche, patriarchale Marienfigur und Schutzpatronin der Macarena Bruderschaft 2025 auch ein Remake erfahren hat: Ein Restaurator ließ ihr Gesicht wie gewohnt säubern, aber nun eben auch ihre Wimpern verlängern. Und Hunderte gingen im Juni auf die Straße, demonstrierten vor der Basilika. Innerhalb einer Woche wurde die Macarena dreimal bearbeitet, um die aufgebrachten Glaubenden zu beruhigen. Wo waren die aber eigentlich damals, als der „Macarena“-Text umgeschrieben wurde?

Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 9/2025.