Was Taylor Swift jetzt für uns tun kann – Paulas Popwoche
Paula Irmschler wünscht sich mehr Engagement & Eindeutigkeit von Taylor Swift. Hier ihr offener Brief an den frisch verlobten Popstar.
Moin Taylor, wie geht’s dir? Spaß, das weiß ich ja, du bist megaglücklich!
Ich weiß, du hast sie gesehen, all unsere Herzchen, die Kommentare, die Reaction-Videos, die TikToks, in denen eine Person zu ihrer Freundin oder ihrem Freund rennt und die Neuigkeiten verkündet und wie sie dann durchdrehen, die Reels, in denen jemand es vom Empire State Building plärrt, die Wünsche, die ehrliche Freude, die Analysen, die Gags, es liegen zwei sehr liebe Tage im Internet hinter uns.
Internet-Explosion nach Taylor & Travis: Warum wir alle mitfiebern
Wieso wir uns freuen, ist natürlich, weil du die Liebe gefunden hast, die du dir so sehr in hunderten Liedern gewünscht hast. Travis ist ein sogenannter Keeper und scheint voll lieb zu sein! Fast alle finden wir die Liebe toll und dass man sie nach vielen Enttäuschungen noch immer finden kann, macht Mut. Gerade Frauen, denen lang erzählt wurde, dass sie es ab 30 eigentlich vergessen können und denen Gebärdruck gemacht wird, können sich mit dir identifizieren.
Deswegen musst du aber auch für alles Mögliche herhalten, sollst repräsentieren. Das geht natürlich nicht, weil du unheimlich reich bist und den größten Teil deines Lebens in der Öffentlichkeit verbracht hast und deswegen mit den meisten Menschen nicht viel zu tun hast. Trotzdem bist du überraschend normal geblieben, kommst rüber wie ein Kumpel, bist durchaus auch mal cringe, bemühst dich was abzugeben, natürlich nicht genug, das weißt du bestimmt selbst … Gib mal mehr ab, Taylor.
Zwischen Popstar & Symbolfigur: Warum Taylor nicht alles tragen kann
Aber auch für Werte sollst du stehen. Die Rechten wollten dich schon instrumentalisieren, weil du so weiß und hetero und halt reich bist. Von denen hast du dich erfolgreich mit deiner „Miss Americana“-Doku abgegrenzt, außerdem hast du dich auf Twitter ein bisschen mit Trump gestritten, die Leute dazu aufgerufen, sich als Wähler*innen zu registrieren, und für die Demokraten geworben.
Das alles hat hier und da was gebracht, Trump und der Aufstieg der Rechten in den USA ist trotzdem passiert. Vielleicht haben sich manche aber auch zu sehr auf dich und deine Kolleg*innen verlassen. Seit Jahren versuchen wir Popfans aus unseren Stars Statements herauszupressen, lesen alles Mögliche in ihre Songs und Äußerungen rein, fordern, dass sie sich in komplexen Konflikten auf eine Seite schlagen sollen, wundern uns warum so wenig kommt gegen all die Militarisierung und Faschisierung. Wir wollen, dass sie es für uns machen und wir ihnen dann nur noch ein Like geben müssen und gut ist.
Ein paar sind dabei doller am Start, die Macher von „South Park“ zum Beispiel, Green Day, Cher, Lady Gaga, Bruce Springsteen oder auch Jack White.
Meist ist es aber zu wenig, zu selten und zu sanft in Anbetracht dessen, dass diese Leute nichts zu verlieren haben, weil sie das Meiste, was sie besitzen, locker in Sicherheit bringen können. Und Stadien-Tourneen und 10 verschiedene Vinyl-Versionen werden sich sicher weiterhin verkaufen lassen, auch wenn man es Trump und den Faschos dieser Welt ein bisschen doller gegeben hat.
Und, liebe Taylor, du musst auf keinen Fall die Inhalte deiner Musik ändern, uns bleibt dafür ja immer noch Punk und politischer Folk. Da gibt es auch immer wieder Neues! Zum Beispiel in dieser Playlist.
Neue Hoffnungsträgerin: Jessilyn und ihre politischen Songs
Besonders cool finde ich diese junge Künstlerin Jessilyn. Kennst du sie? Dieser Song von ihr macht zum Beispiel süchtig!
Sie hat auch noch andere Banger, wie „How about we don’t go to war“, „Piss boy government“ oder „From my cold, dead hands“.
Von „Gaylor“ zu „Sociaylor“: Wie links ist Taylor wirklich?
Wie wäre es, wir diskutierten ab sofort nicht mehr über Gaylor-Theorien (deine Songs und Co. darauf absuchen, ob du eigentlich gay bist), sondern wie sozialistisch du bist. Bist du Sociaylor? War dein Album RED ein Statement gegen den Antikommunismus in deinem Land, dem „Red Scare“? Nein, natürlich nicht. Aber immerhin hast du uns das gegeben.
„They aren’t gonna help us
Too busy helping themselves
They aren’t gonna change this
We gotta do it ourselves
They think that it’s over
But it’s just begun“
Warum Taylor jetzt aktiv werden sollte
Also, Taylor, wir lieben dich und wir lieben mit dir und jetzt bist du mal dran. Das Angebot ist: Du kannst bei uns mitmachen. Wir wollen dir nicht folgen, das brauchen wir nicht, wir können das ja selbst machen. Aber du könntest dabei sein. Trau dich, werde aktiv, reih dich ein. Gib dein Geld für die Sache. Wir wollen nicht mehr herumrätseln, wie doll links du jetzt eigentlich bist. Du kannst dir wirklich mehr Engagement und Eindeutigkeit leisten. Taylor, wir haben nichts zu verlieren als unsere Bracelets. Und zwar beim Kampf. Wir haben eine Welt zu gewinnen.
PS: Ich hoffe, du heißt weiterhin Swift. Das mit dem Rumgeknie von Travis vor dir war schon schwer zu ertragen, aber wenn du jetzt auch noch seinen Namen annimmst, werde ich fuchsig.
Was bisher geschah? Hier alle Popkolumnentexte im Überblick.




