Vinted & Labubus: Wir könnten alle ein Dopamin-Detox gebrauchen
Julia Friese erklärt, was sich hinter dem Phänomen der „Dopamine Culture“ verbirgt.
Drei Beobachtungen:
1. suchten statt suchen
Dopamin ist ein Neurotransmitter, also ein Bote zwischen den Nervenzellen. Umgangssprachlich steht Dopamin für das GLÜCK, beziehungsweise seine populäre Verwechslung: das BELOHNUNGSGEFÜHL. Dopamin signalisiert aber nur, dass etwas Positives bevorsteht. Es ist ein Hinweis auf mögliches Glück, nicht das Glück selbst.
Von Dopamin-Detox redet man seit ein paar Jahren immer wieder in den sozialen Medien, und meint damit, eben nicht in den sozialen Medien zu sein, nicht ständig im Feed zu scrollen, also in der ständigen Erwartung von etwas zu sein – nicht für den Kick, für den Augenblick zu leben – sondern besser: Reize und Handy ausschalten. Im Jetzt sein. Langweile aushalten, also leben lernen.
Sich Aufgaben widmen, die auch Dopamin ausgeben werden, aber eben nicht sofort. Es ist das Alte: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Laut „The Business of Fashion“ (BOF) befinden wir uns aber in einer „Dopamine Culture“. Ein Beispiel sei laut BOF die langsame Wandlung des Shopping Verhaltens. Früher hat man online geshoppt, in dem man auf eine Seite ging, um dort gezielt nach etwas zu suchen, nun suchtet man. Shopping-Plattformen versuchen zunehmend die Kund:innen – genannt: Customer – mittels Feed zu bannen, wie es sonst nur Instagram oder TikTok können.
Man bekommt nun immer und immer mehr Produkte angezeigt, die ein Algo für einen ausgerechnet hat, die einem also safe gefallen werden. Die Secondhand-Plattform „Vinted“ funktioniert beispielsweise so und verfängt besonders damit, dass im Secondhand-Game jeder Artikel quasi nur einmal zu genau diesem Preis, und in genau diesem Zustand existiert. Dabei ist das Angebot bodenlos – also im Wortsinne. Man kann immer etwas ergattern. Man muss nur schnell sein. Kaufen. Man muss nicht mehr suchen. Was man schön findet, findet einen. Immer und immer wieder. Wenn die Seite nur noch mal lädt.
2. malibu, déjà-vu, delulu
Laut einer Auswertung des Institut Français de la Mode (IFM) wurden in den ersten drei Monaten des Jahres 2025 in Frankreich mehr Pieces – wie man Kleidungstücke nun nennt – über Vinted verkauft als über jeden anderen Mode-Anbieter. Und was wurde 2025 noch gekauft? Ach ja, diese Labubus, also die Plüschmonster in Kartons ohne Sichtfenster. Man wusste nicht was drin war, aber man war in Erwartung und schüttete Dopamin aus.
Über das „ständige in Erwartung sein“ schrieb die Autorin dieser Zeilen ein Dopamin-Delir, einen Roman, dessen Titel ganz ähnlich klingt wie Labubu: „delulu“ erschien bei Wallstein im Februar. Aber da muss doch jetzt noch mehr kommen? Hier in diesen Zeilen. Der Zeigefinger will die Seite nach unten ziehen. Uuu-uh-uuh – is this illegal? It feels illegal. („Illegal“ – PinkPantheress)
3. p(r)op malfunction
Damit große Konzerte im Dopamin-Feed auch groß etwas hermachen, werden sie nun mit großen Requisiten – genannt: props – ausgestattet, die von den großen Stars bestiegen werden, um über das Publikum zu fliegen. Das kann ein rotes Cabrio sein, wie auf Beyoncés COWBOY-CARTER-Tour, das kann ein großer Käfigball sein, wie bei Katy Perrys 143-Tour, das kann ein übergroßer Schmetterling sein, wie ebenfalls auf Katy Perrys 143-Tour.
Und genau diese Gerätschaften hatten in diesem Sommer alle eine sogenannte „prop malfunction“ – will meinen, sie funktionierten nicht, sie brachten die Sängerinnen scheinbar in die Gefahr, aus schwindelnder Höhe ins Publikum zu krachen. Was könnte mehr Aufsehen erregen? Also mehr Dopamin-Rush verursachen, als etwas wirklich Krasses zu erleben?
Uuu-uh-uuh, ich bin so gespannt. Is this illegal? It feels illegal. Wie auf dem Coldplay-Konzert live den Riesenbildschirm zu filmen, der via Kuss-Kamera die Affäre eines Firmenbosses mit seiner Personal-Chefin aufdeckte, um das dann zu posten, um endlich viral zu gehen. ENDLICH. LIKES. AUFMERKSAMKEIT. TRAGIK. Is this illegal? Uu-uhh-uh! It feels illegal.
Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 10/2025.



