Interview

Sofie Royer im Interview: „Das Spannende ist, über das Unvorstellbare hinauszugehen“

Klassische Geige, Boiler-Room-Beats und Indie-Synths – geht das zusammen? Sofie Royer erklärt, wie.

Sofie Royer meistert das Spiel der Gegensätze: Die Popkünstlerin aus Österreich hat am Wiener Konservatorium Geige studiert, in Los Angeles die internationale Musikplattform Boiler Room aufgebaut, ist DJ und schreibt Synthiepop. Wir haben sie beim Spotify RADAR-Event in Berlin zum Interview getroffen. Dort wurden 1.000 RADAR-Artists sowie 5 Jahre RADAR gefeiert, auch Sofie Royer ist seit 2024 Teil des Programms. Ein Gespräch über die Bedeutung klassischer Musik, deutschsprachigen Indie und österreichische Ikonen.

ME: Du hast klassische Geige studiert und in der Jungen Philharmonie Wien mitgespielt. Außerdem schreibst du Popmusik, bist DJ und warst am Aufbau des Boiler Rooms, der internationalen Plattform zur Übertragung von DJ-Sets und Livemusik, beteiligt. Wie passt das alles zusammen?

SOFIE ROYER: Ich mache, seit ich sehr jung bin, Musik und hatte somit viel Zeit, unterschiedliche Dinge auszuprobieren. Ich bin jetzt 34 und da hatte ich viel Gelegenheiten zu unterschiedlichen Projekten, und natürlich war nicht immer alles gleichzeitig.

Wo kommt deine Liebe einerseits für klassische Klänge, andererseits für Synthiepop, dem deine aktuelle Musik zugeordnet wird, her?

Wer Musik mag, mag sie in all ihren Facetten. Ich diskriminiere da nicht und ich bin auch grundsätzlich ein Fan des Gesamtkunstwerks. Das spiegelt sich auch in meiner Musik wider. So war es auch beim Boiler Room: Wir haben wirklich versucht, ein breitgefächerter, mannigfaltiger Musiksender zu sein. Die Formate dort umfassen Rap, Pop, Indie, Techno und mehr. Für die Techno-Elektronik-Richtung war eher Michael Stangl in Berlin zuständig. Und ja, ich persönlich liebe klassische Musik. Aber die findet man an verschiedenen Orten, zum Beispiel auch im Rap, Pop oder Indie. Man stößt im HipHop auch auf viele Jazz-Samples. Ich liebe Rock und Indie. Und die Motive aus der Klassik findet man überall, sei es Serge Gainsbourg oder Chopin. Sie finden ihren Weg in alle Genres.

Sofie Royer: Klassik findet man überall

Wie hast du deinen eigenen Stil, deinen eigenen Sound gefunden?

Ich würde meinen Sound aktuell als Indie-Rock-Pop beschreiben. Und der Weg dahin ist weniger überdacht, als man meinen würde. Ich mache einfach Songs, die ich gerne hören will. Ich höre auch extrem oft meine eigenen Lieder, vor allem bevor sie veröffentlicht sind. Mein Anspruch ist, dass ich meine eigenen Songs selbst rauf- und runterhören kann. Ich arbeite viel mit Synths, analogen Synths, und habe einen ganz konkreten Sound im Kopf. Ganz genau so soll das Ergebnis klingen, nur dann ist es befriedigend für mich. Ich will Drums, ich will eine Snare, die dich in deine Seele trifft. Das ist weniger stilisiert – was dabei rauskommt, kommt eben dabei raus. Das Endprodukt ist dann geballt aus all den Sachen, die ich feiere und versuche, in einem Song zu vereinen. Ich wünschte, ich könnte meinen Stil besser beschreiben, aber am spannendsten sind die Momente, die über das Unvorstellbare hinausgehen. Das was man sich eben nicht vorstellen kann, ist das, was es interessant macht.

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Welche Emotionen, Erfahrungen, Erinnerungen und Geschichten möchtest du durch deine Musik ausdrücken? Enthält sie eine bestimmte Botschaft?

Ja, obwohl sie nicht wirklich eine präskriptive Botschaft ist. Ich will, dass Menschen meine Songs als Projektionsfläche verwenden können, dass sie zum Inspirieren verleiten. Dass ein Song irgendeine explizite Botschaft hätte, fände ich langweilig und vorgekaut. Zu den Songs, die ich gerne höre, kann man sich selbst etwas vorstellen, ob das jetzt ein Moment der Verknalltheit ist oder ein Moment der Verzweiflung. Meine Songs sind Projektionsflächen, damit Zuhörer ihrer Vorstellungskraft freien Lauf lassen können.

Um die Welt gereist, in Wien zuhause

Du bist als Tochter einer Österreicherin und eines Iraners im amerikanischen Palo Alto geboren, hast in Wien studiert und in Los Angeles, New York und London gearbeitet. Wo bist du zuhause, persönlich und musikalisch?

In Wien. Ich fühle mich schon in Wien zuhause. Ich bin als Teenager dort groß geworden und liebe die Stadt.

Kommt Wien auch in deiner Musik durch?

Ja, ich liebe Falco, Georg Danzer, Wolfgang Ambros, André Heller und so. Es gibt schon einige Wiener Ikonen, die ich extrem feiere.

Das ist angesichts deiner internationalen Zuhörerschaft ja nicht ganz gewöhnlich.

Ja, ich fand es auch lustig, dass mein Song „Auto“ es als einziger nicht englischsprachiger Song auf eine Spotify-Indie-Playlist geschafft hat. Das ist für mich schon cool, dass es ein österreichischer Song – dazu noch ein deutschsprachiger Song – auf einer englischsprachigen Indie-Playlist oben steht.

Was macht die deutschsprachige Indie-Szene momentan so interessant?

Dass die Menschen den Anspruch haben, zeitlose Musik zu machen. Musik, die man auch noch in zehn Jahren mit Begeisterung hören kann.

Im Anschluss an deine erste US-Tour im Sommer gehst du im Herbst mit deinem Album YOUNG-GIRL FOREVER erstmals auf Tour quer durch Deutschland und die Schweiz. Was sind deine Hoffnungen und Ängste vor der Tour?

Ich habe immer diese irrationale Angst, dass niemand kommt. Was angesichts der Ticketverkäufe absoluter Quatsch ist und auch noch nie passiert ist. (lacht) Aber dass ich spielen kann, weiß ich. Meine Band hat eine gute Zeit, mein Manager ist zufrieden – und bei der Performance weiß ich, dass ich das gut kann. Der Rest wird schon irgendwie klappen.