Schönheit, Freude & Liebe: Wie wir vor Brian Wilsons Werk stehen
Josef Winkler findet: Das Erbe von Brian Wilson muss verteidigt werden – zu den Waffen! (bildlich gesprochen)
Brian Wilson ist gestorben – ein Stich ins Gemüt in einer Gegenwart, die einem ohnehin jeden Tag aufs Neue schon bei den Frühnachrichten das Herz bricht. Oh, Brian, no! Freilich ist es ein bittersüßer Schmerz.
Brian, die schöne, rastlose Seele hat nun Ruhe und schreibt Arrangements für den Great Gig In The Sky. Und uns bleibt die Musik. Aber wie stehen wir vor dem Werk von Brian Wilson und bei dem Weg, dem all der anderen gottgleichen, großen oder auch minderen, aber ganz persönlichen Heilsbringern und -bringerinnen, die die große, alle Grenzen überwindende Kraft Popmusik seit den Nachkriegsjahren und dann dem großen Aufbruch in den 60ern hervorgebracht hat und die unsere Welt und unser Denken mit geprägt und geformt haben?
Was bleibt uns davon im anschwellenden Tsunami eines immer aggressiveren konservativen Kulturkampfs und rechten Rollbacks auf allen Ebenen? In einer Zeit, in der alles, wofür diese, mal grob gesagt, Exponenten der „Counter culture“ und ihre Erb/innen standen/stehen und zu ihrer Zeit oft auch aktiv eintraten und kämpften – Humanismus, Solidarität, Liberalität und Respekt auch vor „abweichenden Lebensformen“, soziale Gerechtigkeit, Gleichstellung und Inklusion, die Bewahrung der Natur, das Recht auf persönliche und sexuelle Selbstbestimmung, die Freiheit des Individuums und des Geistes, Antirassismus/militarismus/faschismus, Minderheitenrechte, die Überwindung von Konflikten, die gute alte „Völkerverständigung“, die gute alte Nächstenliebe –, in einer Zeit, in der all diese „westlichen“ Ideale und Werte relativiert und desavouiert, verleumdet und verfemt, attackiert und zerstört werden.
Gegen die Stumpfheit, die Borniertheit und den Hass
Und nicht nur in und von den USA, auf die man nur noch mit Entsetzen blicken kann, sondern überall in diesem „Westen“, samt Süden und Osten. Auch hierzulande, wo ein Mann, der schon vor Jahren eine „konservative Revolution“ anmahnte, die den ganzen linksrotgrünen 68er-Gutmenschenmurks der letzten Jahrzehnte zurückdreht, und der sich „beeindruckt“ zeigte ob des „Tempos“, mit dem Donald Trump bei der Zerstörung des US-amerikanischen Gemeinwesens und der internationalen Ordnung und Solidarität loslegte – wo also so ein Mann Bundesinnenminister wird.
Nennen Sie es einen weiten Bogen, aber vielleicht schulden wir es Brian Wilson, der viel gelitten hat dafür, Schönheit, Freude und Liebe in die Welt zu bringen, uns nicht nur weiterhin vom guten Geist seiner Musik beseelen zu lassen (und diese weiterzugeben). Sondern uns auch immer wieder und am besten noch gleich heute in sicht- und spürbarer Weise aktiv gegen Gedankengut und Politik wie die eines Alexander Dobrindt zu positionieren. Und damit das Erbe des Brian und all unserer anderen Hausheiligen, der lebenden und der toten, zu verteidigen gegen die Stumpfheit, die Borniertheit und den Hass. Bevor wir alle diese Platten und Songs irgendwann nur noch als nostalgisch-kuriose Gutmenschenfolklore aus einer lang vergangenen Welt hören können.
Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 8/2025.



