Royel Otis im Interview: „Wir wollten einfach Neues ausprobieren“
Das Duo im Gespräch über das verflixte zweite Album, das Glastonbury und was Indie für sie eigentlich bedeutet
Mit ihrem zwanglosen Indie-Sound, der irgendwo zwischen Gitarrenpop, Nostalgie und sommerlicher Leichtigkeit liegt, macht das australische Duo Royel Otis seit einiger Zeit international von sich reden. Spätestens nach ihrem viralen Sophie-Ellis-Bextor-Cover „Murder on the Dancefloor“ und ihrem 2024 erschienenen Debüt PRATTS & PAIN ist klar: Sänger Royel Maddell und Gitarrist Otis Pavlovic sind gekommen, um zu bleiben.
Am 22. August 2025 erscheint ihr zweites Album HICKEY, die ersten Singles „Moody“ und „Car“ geben schon jetzt einen ziemlich guten Vorgeschmack. Im ME-Interview erzählen Royel Maddell und Otis Pavlovic, wie es war, auf der Glastonbury-Bühne zu stehen, warum der Druck beim zweiten Album vielleicht gar nicht so schlecht war und wieso der Sound der frühen 2000er gerade sein großes Comeback feiert.
Ihr müsst total erschöpft sein, ihr habt gerade auf dem Glastonbury Festival gespielt! Glückwunsch dazu. Wie fühlt ihr euch gerade?
Otis Pavlovic: Gut. Ich meine, seitdem haben wir nicht wirklich aufgehört. Aber es war echt unglaublich. Die Menge war viel größer, als ich erwartet hatte auf jeden Fall.
Royel Maddell: Es war komisch, da rauszuschauen. Aber cool.
War das lange ein Traum von euch, mal bei Glastonbury zu spielen? Gibt’s noch andere Festivals auf eurer Bucket List?
Royel Maddell: Ja, definitiv ein Bucket-List-Ding.
Otis Pavlovic: Fuji Rock. Lollapalooza.
Royel Maddell: Fuji Rock wär cool. Splendour in the Grass war auch lange drauf, das haben wir aber schon gespielt in Australien.
Ist das Publikum auf Festivals anders?
Royel Maddell: Kommt drauf an, wann man spielt. Je früher, desto entspannter die Leute. Später wird’s wilder.
Otis Pavlovic: Das Einschüchternde ist eher, wie schnell man einfach loslegen muss, ohne zu wissen, ob alles funktioniert.
Royel Maddell: Ja, ich finde, je früher man spielt, desto einschüchternder ist es vielleicht, weil die Leute noch nicht so locker sind.
Otis Pavlovic: Und bei Festivals sind die Absperrungen viel weiter weg – es ist schwerer, die Energie der Leute wirklich zu spüren.
Ihr habt mal in einem Podcast gesagt, dass „die Leute in Deutschland total ausflippen“ bei Konzerten. Wieso?
Royel Maddell: Ja, das stimmt. Ich weiß nicht mehr genau wo, aber das war das erste Mal, dass sich die Menge geteilt hat und aufeinander losgerannt ist, war in Deutschland.
Otis Pavlovic: Ich liebe das. Wenn das Publikum so abgeht, macht’s einfach doppelt Spaß. Das war in Deutschland so und auch in Paris. Da sind die Leute richtig durchgedreht.
Im August erscheint euer zweites Album HICKEY. Oft ist in dem Zusammenhang vom sogenannten „Sophomore Slump“ die Rede – dem Phänomen, dass es Künstler:innen schwerfällt, an den Erfolg ihres Debüts anzuknüpfen. Habt ihr diesen Druck beim Schreiben gespürt?
Royel Maddell: Ich glaube schon – vor allem, weil wir vergangenes Jahr so viel unterwegs waren. Wir waren einfach richtig beschäftigt. Danach gab’s vielleicht ein bisschen Druck, aber nicht unbedingt im negativen Sinne. Das hat wahrscheinlich sogar geholfen, das Album fertigzustellen.
Otis Pavlovic: Ja, wir hatten nicht wirklich Zeit, Songs so natürlich zu schreiben wie beim ersten Album oder bei den EPs davor. Wir mussten viel mehr direkt im Moment kreieren. Aber es war kein negativer Druck, denke ich.
Wie lange nach dem Debüt habt ihr angefangen, am zweiten Album zu schreiben?
Royel Maddell: Der erste Song – nicht wirklich der erste, aber „Jazz Burger“ vom neuen Album – entstand vor etwa einem Jahr. Der Rest ist ziemlich frisch. Wir haben eigentlich dieses Jahr mit dem Schreiben angefangen.
Otis Pavlovic: Und ein anderer Song, „I Hate This Tune“, ist eine Mischung aus alten Lyrics und neuer Musik.
Gab es einen Moment, der das Thema des Albums ausgelöst hat oder seid ihr ohne Konzept rangegangen?
Otis Pavlovic: Kein richtiges Konzept. Wir haben mit vielen verschiedenen Produzenten gearbeitet, zum ersten Mal auch mit Songwritern.
Royel Maddell: Es war eher unterbewusst. Was wir angefangen haben, haben wir einfach zu Ende gebracht, so sind die Songs entstanden.
Es sind viele Kollaborationen auf dem Album, trotzdem wirkt es sehr rund. War das von Anfang an geplant?
Otis Pavlovic: Nicht wirklich. Wir wollten einfach Neues ausprobieren. Es war nicht geplant, aber hat Spaß gemacht.
Royel Maddell: Es ist interessant, mit anderen Leuten zu arbeiten.
War es dann schwierig, das Album trotzdem kohärent klingen zu lassen?
Royel Maddell: Mehr als sonst, ja.
Otis Pavlovic: Ein guter Produzent weiß, wie man den ursprünglichen Sound einer Band herauskitzelt und trotzdem seine eigene Note einbringt.
Royel Maddell: Und die Songwriter, mit denen wir gearbeitet haben, hatten auch immer im Blick, dass es nicht wie etwas klingt, das nicht zu uns passt.
Eure letzten zwei Alben klingen verwandt. Könntet ihr euch vorstellen, beim nächsten einen kompletten Stilwechsel zu machen?
Möglich, es wäre schon cool. So wie Radiohead bei KID A. Aber ich glaube, wir müssen erstmal von unserem eigenen Sound genug haben, bevor wir komplett umschwenken.
Wäre das dann eine bewusste Entscheidung oder etwas, das sich einfach entwickelt?
Royel Maddell: Wahrscheinlich müsste man das irgendwann bewusst entscheiden. Wenn man komplett wechselt, müsste man sagen: „Keine Gitarren mehr – nur noch Synths“ oder so.
Otis Pavlovic: Ja, komplett in Richtung New Order gehen.
Gab’s in euren bisherigen Alben Momente, wo einer von euch gesagt hat: „Ich weiß, das klingt ganz anders – aber lass es uns probieren?“
Otis Pavlovic: Beim letzten Album war so ein Song mit einem Sample von irgendeinem Typen, der über Geld redet, das war schon abgefahren.
Royel Maddell: Oder manchmal bringen wir eine Idee rein, die fast wie R&B klingt – ein Riff, was Akustisches – und dann wird’s irgendwie vermischt.
Findet ihr es hilfreich, sofort Feedback vom anderen zu bekommen? Ist diese Duo-Dynamik etwas, das ihr persönlich braucht?
Otis Pavlovic: Das hilft auf jeden Fall. Es sorgt dafür, dass man auf Kurs bleibt.
Royel Maddell: Genau, damit es nicht total aus dem Ruder läuft.
Otis Pavlovic: Es gab mal einen Song im Proberaum, der wurde ständig verändert, bis wir dachten: „Okay, wir sind komplett vom Weg abgekommen.“ Dann haben wir alles zurück auf Anfang gesetzt und das war am Ende viel besser. Aber genau das ist ja das Spannende – zu experimentieren.
Ihr habt über Einflüsse gesprochen, versucht ihr manchmal, bewusst andere Bands zu imitieren oder sucht ihr immer euren eigenen Sound?
Royel Maddell: Ich glaube, Einflüsse kommen automatisch mit rein, egal was man macht.
Otis Pavlovic: Ja, wir nehmen Elemente von Songs, die wir mögen, aber wir versuchen nie, sie zu kopieren. Man sollte nie sagen: „Okay, die haben das und das benutzt.“ Sondern eher: „Ich mag den Gitarren-Sound, können wir so einen Sound hinbekommen?“
Royel Maddell: Ich bin wahrscheinlich nicht gut genug als Musiker, um überhaupt etwas komplett zu kopieren, das funktioniert vielleicht zu unserem Vorteil.
Was bedeutet euch der Begriff „Indie“?
Otis Pavlovic: Eigentlich soll’s ja „unabhängig“ heißen, aber mittlerweile ist es ja ein Genre. Für mich heißt Indie: klirrende Gitarren und nicht ganz perfekte Vocals.
Royel Maddell: Etwas, das ein bisschen schräg klingt.
Mögt ihr solche Genre-Begriffe oder findet ihr es einschränkend, dass Musik so kategorisiert wird?
Royel Maddell: Ich finde es cool. Popmusik ist heute so eine Mischung aus allem. Indie kann auch Pop sein. Alles ist irgendwie möglich.
Otis Pavlovic: Ich mag das. Je mehr Genres, desto besser, finde ich.
Der 2000er-Sound ist zurück – musikalisch, modisch, kulturell. Warum zieht das die Leute wieder an?
Royel Maddell: Gute Musik bleibt einfach. Die wird immer wieder aufgegriffen.
Otis Pavlovic: Ich finde, heute ist mehr akzeptiert denn je. Früher in den 80ern warst du sofort ein Nerd, wenn du aus der Reihe getanzt bist. In den 60ern gab’s Mods gegen Rocker, man konnte nicht beides sein. Heute kannst du tragen, was du willst, Musik machen, wie du willst. Wahrscheinlich liegt das am Internet. Ich mag diesen Mix aus allem. Und das 2000er-Revival ist für viele halt nostalgisch, weil sie damit aufgewachsen sind.
Was ist eine Sache aus Australien, die es immer irgendwie in eure Musik schafft – bewusst oder unbewusst?
Royel Maddell: Eine gewisse Lockerheit. Wenn’s um Referenzen geht, schauen wir meist nicht auf australische Bands, sondern eher UK oder US. Aber irgendwie klingt’s dann trotzdem australisch.
Otis Pavlovic: Sonnenschein. Uns wird oft gesagt, dass unsere Musik sommerlich klingt, obwohl wir das gar nicht so planen.
Was ist das Erste, das ihr macht, wenn ihr zurück in Australien seid?
Otis Pavlovic: Schlafen. Essen. Schwimmen.



