The Divine Comedy
RAINY SUNDAY AFTERNOON
Divine Comedy/PIAS (VÖ: 19.9.)
Der elegante Kammerpop taucht ab in eine Zeit, als Damen noch Krinolinen trugen.
Die Möglichkeit, ein Pop-Album mit Orchester aufzunehmen, sollte es auf ärztliches Rezept geben, sagt Neil Hannon, Gründer und einziges ständiges Mitglied von The Divine Comedy. Das klingt einigermaßen prätentiös und sowieso nur für diejenigen sinnvoll, die professionell Musik machen. Für einen überschaubaren Personenkreis also, aber die elegante, distinguierte Musik von The Divine Comedy war ohnehin nie for the masses. Umso erstaunlicher eigentlich Hannons Popularität, wenn man mal genauer hinschaut: Der Soundtrack zu „Wonka“ (mit Timothy Chalamet) stammt von ihm, keineswegs seine erste Arbeit für Film, Oper oder Theater, schon im Jahr 2000 fungierte The Divine Comedy als Backing Band auf einem Album von Musicalstar Ute Lemper.
Hannons eigene Platten hatten immer cineastischen Charakter, egal ob er den Schwerpunkt auf BritRock oder klassischen Kammerpop legte. RAINY SUNDAY AFTERNOON nun klingt kompromisslos nostalgisch, das eingeforderte Orchester entführt bewusst in die Vergangenheit, als Herren noch Bowler trugen und Damen Krinolinen. Das Album soll Hannons schwermütige, nachdenkliche Seite repräsentieren – während er mit „Wonka“ den übermütigen Teil seiner Persönlichkeit auslebte.
Er schwelgt in Kindheitserinnerungen („All The Pretty Lights“) und literarischen Konnotationen, teils sehr konkret wie in „The Heart Is A Lonely Hunter“ oder assoziativ und bildhaft wie „Achilles“ oder „Down The Rabbit Hole“. Dass The Divine Comedy sehr wohl das Hier und Jetzt im Blick haben, zeigt Hannon mit „Mar-a-Lago By The Sea“, einer unmissverständlichen Kritik an den Reichen und Hässlichen.
Diese Review erschien zuerst um Musikexpress 10/25.


