Marissa Nadler
NEW RADIATIONS
Bella Union (VÖ: 15.8.)
Goth-Folk für eine laue Sommernacht unter einem Wüstenhimmel.
Wenn man abends aus der Tür geht, vorbei an Bergen, hinein in den Wald, durch den Nebel bis an den stillen See, und dann die Hand ins Wasser gleiten lässt: So in etwa klingt die Musik von Marissa Nadler: auf eine sehr versöhnliche Art gespenstisch. Ihr zehntes Album NEW RADIATIONS hat sie selbst produziert, Mixer Randall Dunn, sonst Produzent von Drone-Bands wie Sun O))) oder Boris und Score-Composer, hat den cinematischen, flächigen Sound beigesteuert.
NEW RADIATIONS handelt von Abschied, Verblassen, Akzeptanz und Loslassen – und immer wieder vom Fliegen: „Back in the day, you were all the rage / When you could still hypnotize her / Rockets and planes, and through hurricanes / Fused to the sight of her fire“, singt Nadler in „Light Years“ mehrstimmig und geisterhaft zu zartem Fingerpicking – wie einst der selige Elliott Smith, wäre er nicht nach L.A., sondern nach Nashville gegangen.
In „Weightless Above The Water“ singt sie: „The sky took its hat off, the spaceship became my home, weightless above the water, I was finally alone“, und Synthies umfließen den zerbrechlichen Songkern wie graue Ringe den Saturn. Nadlers klarer Mezzosopran schwebt zwischen entrücktem Gothic-Folk und ätherischem Pop, mit Synthesizern oder Streichern bestäubt, es finden sich kaum Ausbrüche. Trotz aller Zerbrechlichkeit ist NEW RADIATIONS voller Bewegung. Die Songs fließen, rauschen und lösen sich warm verhallend auf. Man möchte sofort einen Führerschein machen, um diese Platte in einer lauen Sommernacht unter einem Wüsten-Sternenhimmel dahingleitend mit nachtgekühlter Haut auf Schleife zu hören.
Diese Review erschien zuerst im Musikexpress 09/2025.



