Madonna
VERONICA ELECTRONICA
Warner Records (VÖ: 25.5.)
Alles entwickelt sich weiter. Auch die Clubcultur mit ihren Zeichen und Codes, ihren Sounds und Überwältigungsmomenten. Madonnas Remixalbum VERONICA ELECTRONICA ist leider nur noch historisches Material für ihr eigenes Nachschlagewerk.
 
        Ursprünglich streng katholisch erzogen, wandte sich Madonna spätestens 1996 anderen religiösen und esoterischen Strömungen zu. Die mythischen Texte der Kabbalah, Hinduismus, Yoga wurden in dieser Zeit zu starken Einflüssen auf ihr Leben. Woran lag das? Sie hatte ihr erstes Kind bekommen. Tochter Lourdes lenkte Ciccones Aufmerksamkeit zumindest zeitweise auf das sich Kümmern um innere Einkehr und ruckelte bzw. nuckelte bisherige Lebensentwürfe neu zurecht. Alles sollte nun anders werden.
 
        In Interviews redete Ciccone davon, dass sie weg kommen möchte, von ihrem selbstbezogenen, egoistischen Lebensstil und sofort hatte sie natürlich einige mütterliche Tipps und Weisheiten für uns Normalsterbliche parat, denn, wie sollten wir sonst auch klarkommen mit unserer Normalität, unserem freudlosen Dasein. Ich gehe davon aus, dass die „Queen of Pop“ damals Globuli geschluckt, und das Kinderzimmer der Tochter mit duftenden Hölzern ausgeräuchert hat. Man konnte zu dieser Zeit nicht ahnen, dass schon die nächste Phase ihres Lebens vor der Tür stand-– die englische nämlich, wegen Guy Ritchie, wo neblige Landschaften, Tweedjacken und feuchte Anwesen auf dem Lande und das Schreiben von Kinderbücher eine Rolle spielen sollten. Ein weiters Kind kam zur Welt, aber um das wurde nicht mehr so ein großes Bohei gemacht.
Was draus machen
Madonna wäre nicht Madonna, hätte sie all die Erfahrungen mit dem Wunder der eigenen Weitervermehrung und der Selbstreflexion in diesem Zusammenhang damals nicht sogleich in ein Album gegossen. RAY OF LIGHT hieß das Werk, das 1998 das Licht der Welt erblickte (ursprünglich sollte es übrigens MANTRA heißen .…). Und, Schock: Es war sofort ein Kritikerliebling. Und ein Verkaufserfolg. Also BEIDES. Über 20 Millionen verkaufte Einheiten. Mehrere Grammys. Klar, da konnte man dann schon mal Ausschau halten, nach historischen, zum Verkauf stehenden Gutshäusern in UK …
Das Album sollte das repräsentieren, was sie selbst als komplette Neuerfindung ihrer Künstler:innenpersönlichkeit bezeichnete. Obwohl Madonna zu Beginn der Aufnahmen erst mit Babyface als Produzenten angefangen hatte, musste sie sich durchringen, über Umwege den Elektro-Profi William Orbit (Brite!) ins Boot zu holen. Warum? Der erste Produktionsversuch war ein Flop gewesen. Hatte nicht funktioniert. Und es ist ja auch, muss man sagen, eines von Madonnas vielen Talenten, zu schnallen, wenn etwas zu nichts führt und dann knallhart die Konsequenzen zu ziehen. Ethno-Sounds, Samples, Elektro-Schnipsel, treibende Beats aber auch seelenvolle, ruhige Stücke machten das Album schnell zu einem ihrer bisher geachtetsten. Viele halten es bis heute gar für ihr bestes. Ich nicht, das möchte ich hier gleich sagen, es ist mit zu soft und zu sendungsbewusst. Ich bevorzuge EROTICA, weil es ungezogener ist. Naja. Typfrage.
Wie es weiterging
Das alles ist lange her. Madonna hat danach weitere Kinder bekommen, sie aus Afrika „rausgeholt“ und adoptiert. Sie ist sicher eine tolle Mama, weil sie ja nachweislich versucht, in allem toll zu sein. Das ist auch oft gelungen. Es folgten weitere Erfolge, sowie natürlich leider auch Peinlichkeiten (Augenklappenauftritt beim ESC!). Was aber fantastisch ist an dieser Frau, ist ihr Weitermachen. Sie ist, wie Prince und Michael Jackson, Jahrgang 1958 und wer lebt noch und erfreut sich mittlerweile wieder bester Gesundheit? Na?
Und nicht nur das – sie schuftet, albert herum, hat junge Lover, optimiert sich innerlich und äußerlich und zeigt, dass man Jugend und Übermut bis ins letzte Drittel und darüber hinaus rüberziehen und ausleben kann. Das finde ich wirklich, wirklich großartig. Ehrlich! RAY OF LIGHT enthält so viele Hits, dass wir uns natürlich alle an das Album erinnern, als sei es erst gestern erschienen. „The Power Of Goodbye“, „Frozen“, „Little Star“ und selbstverständlich der Titeltrack sind nur einige Knaller, die die letzte echte MTV-Generation begleitet haben. Während der Aufnahmen zu dem ikonischen Album gab Madonna sich scherzhaft selbst den Namen „Veronica Electronica“ und so heißt nun auch das Remix Album, das die Erfolgssongs nochmal anders zurechtknetet, bearbeitet und teilweise sogar tendenziell verbessert.
Durchgeschüttelt
Gerüchte gab es schon immer, kurz vor Erscheinen des Albums hieß es bereits, ein Remixalbum solle es flankieren. Aber es kam anders. RAY OF LIGHT ging auch ohne Zusatzhilfe durch die Decke, weshalb man von dieser Idee schnell wieder abkam. Aber entstanden war es bereits. Es war da, harrte seiner Veröffentlichung. Und nun ist es soweit. VERONICA ELECTRONICA ist zu haben. Erscheinungsdatum: 25.7.2025. 27 Jahre nach RAY OF LIGHT. Ja, time flies …
Und? funktioniert es? Teilweise, würde ich sagen … Acht Tracks umfasst das Album. Seite 1: „Drowned World/Substitute For Love“, „Ray Of Light“, „Skin“, „Nothing Really Matters“. Seite 2: „Sky Fits Heaven“, „Frozen“, „The Power Of Good-Bye“. Darüber hinaus enthält es ein Demo von „Gone, Gone, Gone“, das ganz gut zeigt, wie sehr Madonna Ende der 90er an ihren stimmlichen Skills gearbeitet hat. An die Neubearbeitungen der Tracks haben und hatten sich u.a. Peter Rauhofer, William Orbit, Sasha, BT und Victor Calderone gemacht. Auch für das Aufspüren bereichernder Produzenten und Remixer, hatte Ciccone immer schon ein Händchen. Es sind klassische Club-Tracks, fast ein bisschen aus der Zeit gefallen, gestrig wäre zu viel gesagt, aber eben keine Innovationsmonster. Das müssen sie ja auch nicht sein.
Diese Review erscheint im Musikexpress 9/25.
 
                     
                     
                     
                     
                     
                         
                        ![Veronica Electronica [Vinyl LP]](https://m.media-amazon.com/images/I/31zZay8bhKL._SL500_.jpg) 
                                                            



