Lola Young
I’M ONLY F**KING MYSELF
Island/Universal (VÖ: 19.9.)
Die 24-Jährige aus Croydon könnte das fehlende Verbindungsstück zwischen Adele und Amy Winehouse sein. Ihr furchtloser Retro-Rockpop gibt das her.
Lola Young hat wohl kein gutes Händchen für Männer. Jedenfalls berichtet sie in ihren Songs des Öfteren von katastrophalen Begegnungen und toxischen Typen im Weed-Dunst. Die sie natürlich trotzdem irgendwie liebt. Schlecht für sie, gut für uns. Denn das, was sie in ihren tollen Texten erzählt über Knaben, die sich nicht gut benehmen, ist wahlweise krass, anrührend oder wahnsinnig lustig. Und es kommt einem bekannt vor. Leider.
Stellvertretend für sich schlecht behandelt fühlende Geschlechtsgenossinnen pestete sie bereits auf ihrem zweiten Album von 2024 mit dem sensationellen Titel THIS WASN’T MEANT FOR YOU ANYWAY gegen Typen, deren zweiter Name Respektlosigkeit lautet. Im Überhit „Messy“ machte sie sich so richtig Luft, nicht zuletzt durch den ikonischen Satz „A thousand people I could be for you and you hate the fucking lot“. Nun also, im Zuge eines beeindruckenden Schaffensrausches, erscheint ein Jahr später bereits ein drittes Album.
Bloß nicht zu viel Lieblichkeit reinlassen
I’M ONLY F**KING MYSELF zeigt die sehr gut gestylte Young auf dem Cover, wie sie eine Sexpuppe, die ihr eigenes Antlitz trägt, von hinten umarmt. Besser kann man trotzige Selbstliebe kaum illustrieren. Erneut geht es ihr um Beziehungen und die Schludrigkeiten eines jungen Lebens zwischen Zigaretten und halbleeren Weinflaschen. Um Verletzungen und Entgrenzungserfahrungen. Das kraftvolle „Fuck Everyone“ setzt schon gleich zu Beginn den Ton. Wütend und emotional bringt Young ihre schnodderige Stimme ein, um druckvoll bei dem mitzumachen, was ihre Band an Dynamik abliefert. Viele Songs lassen sich trefflich mitgrölen, ich habe es selber beim Badputzen ausprobiert.
Aber es gibt auch Zwischentöne und Unerwartetes zu entdecken. Bei „Post Sex Clarity“ wird gegen Ende sogar gefreejazzt, „Who Fucking Cares“ ist ein schönes, schlichtes Gesangs-Akustikgitarrenstück, das Young zwar größtenteils auf ihre ganz eigene, fast kindlich anmutende Weise interpretiert, doch immer wieder durch harte, gesprochene Parts unterbricht und konterkariert. Bloß nicht zu viel Lieblichkeit reinlassen, auf keinen Fall allzu leicht konsumierbar rüberkommen, möglichst immer wieder Störungen durch unerwartete Roughness und das Beschreiben von weiblicher Sexualität in ihrer triebhafteren Form einsetzen, wenn es anfängt, allzu gemütlich zu werden. Das scheint ihr Ding zu sein. Das macht alles Spaß.
Hier werden Spieße umgedreht, Rollen hinterfragt
Young ist eine fantastische Sängerin. Und dann am besten, wenn sie wirklich explizit wird und trotzdem gesangliche Skills auspackt. Das verleiht den Tracks etwas zirkusmanegenhaft Erhabenes. Dann erinnert sie sogar an Siouxsie Sioux in ihren besten Zeiten. In „One Thing“ singt sie: „Break your bed and then the sofa. I wanna pull you closer. Everyone want’s to know ya. But me, I only want one thing, I don’t even want your number. Don’t care if you got another cause tonight, I’m your only lover“. Hier werden Spieße umgedreht, Rollen hinterfragt.
Ans Ende des Albums setzt Young ein Gedicht. „Ur An Absolute C Word“ wird ironischsensibel vorgetragen, zerstört die zuckrige Wirkung am Ende aber auch wieder durch schmutziges Lachen und Selbstveralberung. Auf dem diesjährigen Coachella-Festival musste Young sich aufgrund von Hitze und Aufregung kurz hinter die Bühne erbrechen, zog aber trotzdem weiter wacker durch. Lola Young will was. Und sie will es jetzt. Das kann man ihrer Musik anhören.
Diese Review erschien zuerst um Musikexpress 10/25.



