Kinderzimmer Productions – Die hohe Kunst der tiefen Schläge :: Gewieft
Wenn in Ulm das Kinderzimmer des deutschen HipHop steht, dann sitzt da drin wahrscheinlich so ein Kind wie die gelbe Lisa Simpson: früh-intellektualisiert bis hin zu Anfällen von Altersweisheit beobachtet es das mithin hirnrissige Treiben seiner Umwelt und schreibt sein Tagebuch voll mit wohlformulierten, treffenden Analysen, nicht, ohne auch ständig sich selbst und seine Rolle in diesem Cefüge zu hinterfragen. In Gottes Namen,ja, der Vergleich hinkt mit beiden Beinen, aber fest steht: Kinderzimmer Productions sind anders als andere deutsche HipHop-Acts. Im Kinderzimmer kocht ein eigenes Süppchen, und da sind keine Posen drin, keine Crossover-Anbiederungen, keine catchy Refrains, keine witzischen Geschichten und knalligen Party-Rhymes. Was nur heißen soll, daß Format-Funk und -Fernsehen wohl auch auf dem dritten Album des Duos aus U-Stadt wenig Verwertbares auftreiben werden, und nicht, daß das nicht umfassend Spaß machte. Musical director Ouasimodo alias Sascha Klammt bugsiert seine staubtrockenen LoFi-Beats mit Versatzstücken von moody Jazz bis quietschigen Cartoon-Soundtracks geschickt hin und her, von Soul Coughing zurück nach Moloko bis hinein in Tricky’sche SchleppHop-Dimensionen. Und reichert seinen skelettierten Sound mit einem solchen Sammelsurium an Samples an, daß man sich mitten im fröhlichen Quellen-Raten oft bang des ersten Kinderzimmer-Albums erinnert, das damals wegen eines ungeklärten Stranglers-Samples zurückgezogen werden mußte (undjetzt übrigens wiederveröffentlicht wurde) – Leute wie Neil Young und Johnny Cash haben sicher auch gute Anwälte… Und „Textor“ Henrik von Holtum macht sowieso nur einer Konkurrenz: nämlich er selbst auf dem ehrfurchteinflößenden KP-Vorgängeralbum IM AUFTRAG EWIGER JUGEND UND GLÜCKSELIGKEIT (gegen das DIE HOHE KUNST DER TIEFEN SCHLÄGE fast zwangsläufig etwas abfällt), wo er seine Rundumabgrenzung und Sozialanalysen noch eine Spur haarsträubender und pointierter formuliert hatte. Aber auch hier und heute ist es eine Freude, an seinen Lippen zu hängen, wie er mit abgeklärtem, immer etwas gelangweilt wirkendem Overstatement in der Stimme halsbrecherisch zwischen deutsch, französisch und englisch pendelt und mehr denkwürdige Sentenzen, Anspielungen und elegante Disses vom Stapel läßt, als man selbst beim zehnten Hören verarbeiten kann. „Ruft SOS wenn ihr mich hört, sonst seid ihr schnell im Text ertrunken.“ Danke. Wir nehmen gern noch’n Schluck.
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