Jehnny Beth

YOU HEARTBREAKER, YOU

Fiction/Virgin (VÖ: 29.8.)

Ich sehe deinen Schmerz: Industrial-Metal-Rock als Zumutung.

Als Jehnny Beth vor zehn Jahren bei einer Gala mit viel Eleganz Lieder von David Bowie sang, im Stil von Siouxsie Sioux, dachten nicht wenige: Hier beginnt ein Weltkarriere. Was man nicht bedachte: Jehnny Beth behauptet ihre Verehrung für Bowie nicht nur, sie lebt sie auch. Heißt: Das einzig Stetige ist der Wandel, und Angst vor Kanten hat sie gar nicht. Ihre Band Savages liegt seit 2017 auf Eis, als Solokünstlerin nahm sie Filmmusik auf, dazu eine Duo-Platte mit Bobby Gillespie von Primal Scream sowie mit TO LOVE IS TO LIVE 2020 ein Soloalbum mit kühlem Industrial-Artpop.

Nun also YOU HEARTBREAKER, YOU, entstanden mit ihrem ewigen musikalischen Partner, dem Franzosen Johnny Hostile. Für alle, die erwarten, dass sie es den Leuten nun ein wenig einfacher machen würde, hat Beth einen Magenschlag parat: Der erste Track „Broken Rib“ ist Industrial-Metal wie aus den Neunzigern: manisches Flüstern, tonnenschwere Riffs, panikerzeugende Geräusche. Ein Song, so komfortabel wie eine Wanderung in kurzen Hosen durchs Distelfeld.

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Und das ist erst der Anfang. Sie sei nicht gut für die Leute, stellt Jehnny Beth in einen Songintro fest, und belegt das mit „Obsession“, das TripHop im Tricky-Style mit Metal-Gitarren vermengt und kurz in einem Industrial-Inferno im Stil von Ministry aufflammt. In diesem Song taucht auch der Albumtitel auf: Jehnny Beth singt YOU HEARTBREAKER, YOU als kalter Rachengel. Wärme? Fehlanzeige. Stattdessen der Beinahe-Hardcore von „Stop Me Now“ oder „High Resolution Sadness“ – und am Ende ein Stück, das die Haltung des Albums perfekt zusammenfasst: „I See Your Pain“. Ein Album wie eine Zumutung. David Bowie wäre stolz. Und Fan.

Diese Review erschien zuerst im Musikexpress 09/25.