Big Thief
DOUBLE INFINITY
4AD/Beggars/Indigo (VÖ: 5.9.)
Psych-Folk-Rock mit Community, Groove und Zeilen, die man sich ins Handtuch sticken will.
Schöner kann man nicht übers Älterwerden singen. „Don’t get saggy, don’t get grey“, wolle ihr die Gesellschaft einreden, so Adrianne Lenker in „Incomprehensible“. Doch sie trägt ihr erstes graues Haar mit Stolz: „Let gravity be my sculptor, let the wind do my hair.“ Wie Lenker der Natur freie Hand lässt, so fühlt sich auch die Musik von Big Thief an: fließend, wuchernd, ein warmer Strom, der sich hebt und senkt.
Nach dem weitläufigen Vorgänger ist DOUBLE INFINITY wieder überschaubarer, das Ergebnis kollektiver Studioaufnahmen in New York. Erstmals ohne Bassist und Gründungsmitglied Max Oleartchik, dafür mit diversen Gastmusiker:innen. Den Community-Geist und Live-Charakter spürt man. DOUBLE INFINITY navigiert durch wunderlichen Psychedelic-Folk-Rock, perkussiven Groove und Raum für Improvisation, die auch mal daneben geht. Intime Singer/Songwriter-Momente fehlen dagegen.
Lenker lässt einen trotzdem nahe an sich heran: Kindheitserinnerungen, sexuelles Verlangen, alte Liebe, neue Liebe. Letztere braucht manchmal nur wenige Worte: „Happy with you“, wiederholt Lenker mantrahaft zu Akustikgitarren und Madchester-haftem Beat. Und sie formuliert Zeilen, die man sich ins Handtuch sticken will: „I saw sun through the clouds / I saw love through the pain / Gonna turn it all in into rock and roll.“ Gerne!
Diese Review erschien zuerst im Musikexpress 09/2025.


