Regierungskritik in Sturmmasken: Pussy Riot erhalten Haftstrafe
Ein Gesetz gegen die Verbreitung von Fake News sorgte nun für die Verurteilung von Pussy-Riot-Mitgliedern.
Ein Moskauer Bezirksgericht hat die regierungskritische Performance-Gruppe Pussy Riot zur bis zu 13 Jahren Haft verurteilt. Grund dafür sei das Musikvideo zu „Mama Don’t Watch TV“ (2022) sowie eine Live-Performance in München 2024.
Pussy Riot verstehen sich als aktivistisches Musikkollektiv, das regelmäßig spontane, kostenlose und in jedem Fall illegale Konzerte veranstaltet. Ihre Inhalte richten sich klar gegen die frauenfeindliche, propagandistische Regierung unter Wladimir Putin. Ihre Mission: Aufstand, der Oppression zum Trotz. Nun wurden Mitglieder des Kollektivs zu mindestens 8 Jahren Haft verurteilt. Mitbegründerin Maria Alyokhina erhielt in Abwesenheit sogar 13 Jahre und 15 Tage.
Das sind die Anklagepunkte
Die Anklage geht auf eine Protestaktion des Kollektivs im April 2024 in der Münchner Pinakothek der Moderne zurück. Die Pussy-Riot-Mitglieder Maria Alyokhina, Alina Petrova und Anastasia „Taso“ Pletner verurteilten in ihrer Performance vor Ort den russischen Invasionskrieg und betitelten Wladimir Putin dabei als Kriegsverbrecher. Daraufhin stellte sich Pletner auf einen Tisch, vor dem ein Porträt des russischen Autokraten gelehnt war, zog ihr schwarzes Minidress hoch und urinierte auf Putins Abbild. Diese Aktion, sowie das Musikvideo zum Anti-Kriegs-Song „Mama Don’t Watch TV“, sorgte für die Vorführung der Gruppe vor Gericht.
Das Statement des Kollektivs unter dem Musikvideo zu „Mama Don’t Watch TV“ lautet: „Am 24. Februar 2022 startete Russland einen groß angelegten Militärangriff auf die Ukraine. Russische Bomben und Raketen zerstörten ukrainische Häuser, Schulen, Krankenhäuser, verwüsteten Städte und zerstörten Leben“. Der Chorus des Songs basiert auf den Worten eines gefangenen russischen Wehrpflichtigen, der in einem Telefongespräch mit seiner Mutter sagte: „Mama, hier gibt es keine Nazis, schau nicht fern“. Pussy Riot ergänzte das Statement um ihre Kritik an der russischen Propaganda. „Wir glauben, dass Putins Regime ein terroristisches Regime ist und dass Putin selbst, seine Beamten, Generäle und Propagandisten Kriegsverbrecher sind“, heißt es etwa auf YouTube.
Regierungskritik und Propaganda: Russlands Gesetz gegen Fake News
„Die russische Propaganda vergiftet täglich die Herzen der Menschen mit Hass“, schreiben die Regierungskritikerinnen. Aussagen wie diese sind seit 2022 in Russland strafbar. Wie das russische Magazin „Mediazona“ berichtet, verstoßen die Protestaktion und das Musikvideo gegen Artikel 207.3 des russischen Strafgesetzbuches. Dieses „Gesetz gegen Fake News“ wurde nur eine Woche nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hinzugefügt. Der Artikel verurteilt die „öffentliche Verbreitung wissentlich falscher Informationen über den Einsatz der Streitkräfte der Russischen Föderation“. Das neue Gesetz sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren vor. Was als Falschinformation gilt und was nicht, obliegt der russischen Regierung.
Regierungskritiker:innen sind in Russland jedoch ganz grundsätzlich nicht gern gesehen, wie etwa der prominenteste Fall, die Tötung des Oppositionspolitikers Alexei Nawalny zeigte. Nun fanden sich also auch die Aktivistinnen von Pussy Riot zum wiederholten Male vor dem Moskauer Gericht wieder. In seiner Argumentation postulierte der russische Staatsanwalt Wladimir Nagaitsev, dass etwa Maria Alyokhina „linke politische Ansichten“ vertrete. Weiter lehne die Gruppe „die herrschende Regierung“ in Russland ab. Da diese Feststellung im autoritären Regime Russlands ausreicht, um strafrechtlich belangt zu werden, verurteilte das Gericht Alyokhina zu 13 Jahren und 15 Tagen Haft. Pletner erhielt 11 Jahre. Olga Borisova, Diana Burkot und Alina Petrova wurden jeweils zu acht Jahren Haft verurteilt.
Pussy Riots Historie
Die Gruppe Pussy Riot ist nicht unbekannt für ihre ausdrucksstarken Methoden des symbolischen Protests gegen Wladimir Putin und die russische Propaganda-Politik.
Bereits 2012 geriet das Kollektiv international in die Schlagzeilen, nachdem dessen Mitglieder in Moskau wegen einer Protestaktion in der Christ-Erlöser-Kathedrale vor Gericht standen. Nadeschda Tolokonnikowa, Maria Aljochina und Jekaterina Samuzewitsch wurden wegen ihres kirchenkritischen „Punk-Gebets“ verhaftet. Noch im August desselben Jahres erhielten sie ihr Urteil zu jeweils zwei Jahren Haft. Auch in den folgenden Jahren sorgte Pussy Riot für Aufmerksamkeit: 2018 etwa stürmten sie das Spielfeld im Finalspiel der Fußball-WM in Moskau. Auf diese Protestaktion folgte ebenfalls eine Festnahme der Aktivistinnen.
Die Verurteilung von Pussy Riot am 15. September reiht sich ein in die Kette an Opressionssversuche der russischen Regierung. Anfang dieses Jahres wurde in Russland etwa wieder ein neues Gesetz verabschiedet. Danach ist schon die Suche nach als „extremistisch“ eingestuften Inhalten strafbar. Dazu gehörten auch mehrere Videos von Pussy Riot, die nach Angaben von „Mediazona“ bereits auf der Liste des Justizministeriums stehen.



