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Queen: Die wichtigsten Alben im Ranking

Welche Alben von Queen lohnen sich wirklich, welche braucht es nicht unbedingt? Hier geht es zum großen Queen-Check!

Bei keiner Band der Weltgeschichte scheiden sich die Geister so sehr. Pop oder Rock? Classic oder Spätwerk? Mercury, May (oder doch Deacon oder Taylor)? Eines ist allen Lagern klar: Ein Leben ohne Queen ist wie ein Leben ohne Sex. Oder ohne Science-Fiction. Oder ohne Stehausschank, Gummibärchen und Fußball. Die gute Nachricht: Ein Einstieg ist gar nicht so schwierig.

IN THE LAP OF THE (UNANTASTBAREN) GODS

Sheer Heart Attack (1974)

Plötzlich stimmte alles: Mit ihrem dritten Album katapultierten sich Queen aus dem tiefen Sumpf der zweiten Liga auf einen Sphärenthron. Abgesehen von Brian Mays affigem Gitarrensolo in „Brighton Rock“ gibt es keinen Moment, der nicht perfekt ist. Zum einen ist kein Song nicht wenigstens rundherum gelungen. Der zweite Grund ist (so seltsam das bei dieser Band klingt) die Kunst der Reduktion: Queen haben gelernt, den Übermut beim Arrangieren an die Kandare zu nehmen und auf die Bremse zu treten, bevor Firlefanz und Blödsinn ausarten. Und sich trotzdem bis an die Grenzen ihrer imposanten Fähigkeiten als Solisten und Team auszutoben. Und dann noch mit „Ätsch! Wir können alles!“-Bravado in die diversesten Genres hineinzuwatschen. Dafür gibt es einen Begriff , der durch infl ationären Gebrauch verblasst ist, hier aber passt: Genie. Puristische Eiferer warfen der Band vor, das alles sei künstlich, aufgeblasen und anti-authentisch. Aber hey! Wenn es bei Popmusik nicht gerade darum geht, worum denn dann?

Sechs Sterne

A Night At The Opera (1975)

Im Grunde eine Neuauflage von SHEER HEART ATTACK: „I’m In Love With My Car“ emuliert „Tenement Funster“ mit mehr Wucht, „You’re My Best Friend“ und „Lazing On A Sunday Afternoon“ klingen wie Geschwisterkinder von „Killer Queen“ und „Bring Back That Leroy Brown“. Alles ein Stück souveräner, routinierter; die Band weiß, was sie kann, und tut genau das, ohne Schwäche zu zeigen. Auffällig ist die Quadrophonie der vier Musiker, deren unterschiedlichste Vorlieben Queen erst zu Queen machten. Und die Begeisterung für Nostalgie, von den 20ern und 30ern bis zum Volkslied noch früherer Zeiten. Andererseits fehlt jedes Interesse an der „Zukunft“ – das gilt aber für die gesamte Rockmusik des Jahres vor Punk. Die Platte hat Längen: Die alberne Version der britischen Nationalhymne braucht kein Mensch, und der lasche „The Prophet’s Song“ ist kaum mehr als eine Stellprobe für „Bohemian Rhapsody“. Aber nach diesem Jahrhundertpaukenschlag erinnert sich daran sowieso niemand mehr.

Fünf Sterne

Jazz (1978)

Die zweite kreative Explosion der Band neben SHEER HEART ATTACK. Die stilistischen Muster ihrer Musik sind inzwischen vertraut, wirklich Neues probieren Queen hier nicht. Aber sie gehen an alle Grenzen, was Dynamik, Tempo, Raffinesse und Witz angeht. Das gilt für praktisch jeden Song: die halsbrecherischen Reime in „Let Me Entertain You“, die mörderische Raserei in „Dead On Time“ (mit Gott, so steht es in den Liner Notes, als Gastmusiker), den Arrangement-Hexenkessel von „Bicycle Race“ , die Stampfhymne „Fat Bottomed Girls“, den textlichen Irrwitz von „Mustapha“, den Ego-Weltraumflug „Don’t Stop Me Now“. Es gilt aber auch für die kontrastierende nüchterne Melancholie von „Jealousy“, „In Only Seven Days“ und „Leaving Home Ain’ t Easy“. Und da haben wir über das Artwork mit dem ausklappbaren Poster eines Nacktfahrradrennens noch gar nicht gesprochen! JAZZ ist das letzte witzige und das letzte wirklich triumphale Queen-Album. Nur Roger Taylors allzu verbissene Beiträge „Fun It“ und „More Of That Jazz“ strengen ziemlich an – und schienen endgültig zu beweisen, dass Queen alles konnten, nur keinen Funk.

Fünf Sterne

WE WILL (ZUMINDEST) ROCK YOU

A Day At The Races (1976)

Ein Album mit Muskelkater: Queen komponierten, arrangierten, spielten tapfer, aber der Funke der Inspiration, die überschäumende Euphorie fehlt an vielen Stellen. „Tie Your Mother Down“ erinnert an Sweet, „You Take My Breath Away“ wirkt wie „Love Of My Life“ mit einer Überdosis Schlaftabletten, und „Drowse“ (Schlummer) heißt nicht umsonst so. Selbst mancher Queen-Fan hat Probleme, die Songtitel vollständig herzubeten – das zweite „Marx-Brothers-Album“ blieb eine Art Nebelloch in Queens großer Epoche. Aber die Despektierlichkeit, mit der es manche als unerhebliche Zugabe zu A NIGHT AT THE OPERA abtun, ist ungerecht. Gerade der fehlende Übermut sorgt für entdeckenswerte Passagen. Brian Mays beatleskes „Long Away“ verstrahlt demütig-melancholische Schönheit, „You And I“ ist mindestens charmant, „Somebody To Love“ trotz drögem Finale eine hübsche Vorahnung von „We Are The Champions“, „White Man“ auch textlich niederschmetternd heavy, und „The Millionaire Waltz“ bezaubert (den wuchtigen Mittelteil ausgenommen) gerade wegen der ostentativen Bescheidenheit, nicht nur im Vergleich mit Schwester „Bohemian Rhapsody“. Ein Album zum (Wieder)entdecken, das dabei noch niemanden enttäuscht hat.

Vier Sterne

News Of The World (1977)

Offiziell das Album, mit dem Queen die Stehausschänke und Freizeitheime eroberten, und freilich sind „We Will Rock You“, „We Are The Champions“ und „Spread Your Wings“ an aufdringlichem Populismus kaum zu überbieten. Die wahren Juwelen: der wehmütige Blues-Boogie „Sleeping On The Sidewalk“, Deacons luftige Ballade „Who Needs You“, Taylors massiver Punk-Mittelfinger „Sheer Heart Attack“, Mays Katzentrauerlied „All Dead, All Dead“ und vor allem der grandiose Dreiakter „It’ s Late“. Hingegen übertrieb Freddie Mercury mit dem Sinatra-Pastiche „My Melancholy Blues“ das Manierieren ein bisschen (vor allem ohne Witz), und die Geräuschorgie „Get Down, Make Love“ darf als einer der missratensten Funk-Versuche der Musikgeschichte gelten. Das macht die Platte aber nur unwesentlich schlechter; wo gehobelt wird, fallen halt auch mal Blechspäne in die Sahnetorte.

Fünf Sterne

SPREAD YOUR WINGS

Queen II (1974)

Aufs erste Hören derselbe Schlauch wie das streckenweise peinliche erste Album, noch mehr aufgepumpt mit majestätisch-verstiegenen Ideen und Posen, die (deutlich zu hören in „Father To Son“) auf ziemlich banalem Fundament standen. Aber langsam entwickeln Queen Fingerspitzengefühl: „White Queen (As It Began)“ hat fast Stil und entgleist bei allem Geplätscher zumindest nicht mehr in Richtung Dudel-Schrottplatz. „Some Day One Day“ ist fast richtig schön, und „Seven Seas Of Rhye“ rockt etwas holprig, aber immerhin unpeinlich. Wieder gibt es Ansätze, die später ausgebaut wurden (vgl. etwa Taylors „The Loser In The End“ mit „More Of That Jazz“), wieder gibt es, vor allem auf der „schwarzen“ Seite, viel unausgegorenes Zuviel, das die Ansätze zuschüttet, Momente schimmernder Schönheit jedoch verschont. Insgesamt ist aber auch dieses Album verstörend konturlos und die Band als solche nicht wirklich greifbar.

Zwei Sterne

The Game (1980)

Vieles war neu: das Studio in München, Produzent Mack, der Synthesizer, das Vertrauen auf Technik statt spielerische Brillanz. Heraus kam eine seltsame Mischung aus Perfektion und Plunder: „Save Me“ ist klassischer Stadionrock von der Stange, „Crazy Little Thing Called Love“ die wohl gekonnteste Rockabilly-Hommage überhaupt, und mit „Another One Bites The Dust“ bewiesen Queen, dass sie Funk eben doch konnten, wenn auch sehr weiß, aber wie! Dazwischen lungern gesichtslose Nummern wie „Rock It (Prime Jive)“, „Don’ t Try Suicide“ und „Coming Soon“ herum; echte Entdeckungen gibt es nicht. Im Grunde eine Triple-Single mit vielen B-Seiten.

Vier Sterne

Hot Space (1982)

Das Album, auf dem Freddie endlich seinen unterdrückten erotischen Energien freien Lauf lassen wollte, gilt als Paradebeispiel für eine Band, die komplett den Faden verliert. Es missfiel selbst May und Taylor, die Mercurys persönlichen Manager für das Kuddelmuddel verantwortlich machten. Kann man anders sehen. Klar, „Staying Power“ ist typisch biederer, zickiger 80er-Plastik-Pseudo-Funk und zündet wie ein Mofa mit Kartoffel im Auspuff . „Body Language“ ist so sexy wie ein Thermomix und ohne Fremdschämen nicht durchzustehen. Aber „Dancer“ (von May!) groovt anständig, wenn auch unbeholfen. „Back Chat“ ist funky, „Cool Cat“ auf sphärische Weise ebenso, und das war’s mit den Dance-Eskapaden. Der Rest ist mal gelungen, mal epochal (etwa „Under Pressure“, gemeinsam mit David Bowie), und mal leicht drüber (die Schmalzballade „Las Palabras De Amor“).

Drei Sterne

MISFIRE

The Works (1984)

Ein Jahr Pause – und irgendwie hatten sich der alte Witz und Übermut endgültig verabschiedet. Eine drögere Selbstparodie als „Tear It Up“ geht kaum, „It’ s A Hard Life“ wirkt als Ballade ebenso (vergeblich) bemüht, „Man On The Prowl“ wärmt „Crazy Little Thing Called Love“ auf, selbst die Hits „Radio Ga Ga“ und „I Want To Break Free“ wirken ideenlos und steif. Sicherlich kein schlechtes Album, aber weitgehend uninspiriert und absolut witzlos.

Zwei Sterne

A Kind Of Magic (1986)

Noch ein Fließbandalbum, für „alte“ Queen-Fans von Anfang an (das eklatant stumpfe „One Vision“) kaum zu ertragen. Die für „Highlander“ eingespielte Auftragsarbeit „Gimme The Prize“ hassten Deacon, Mercury und sogar der Regisseur, „Don’ t Lose Your Head“ kann Sensible zum Amoklauf anregen. Der Titelsong hat als Formatradiofutter eine gewisse Leichtigkeit, aber bei „One Year Of Love“ möchte man Freddie tröstend in den Arm nehmen und ihm sagen, er müsse das nicht tun (schon gar nicht so einen selbstparodistischen Kitsch wie „Friends Will Be Friends“). Die Band möchte man anflehen, die Synthesizer wieder wegzusperren und die kreative Sau rauszulassen. Wahrscheinlich waren die „alten“ Queen spätestens mit THE GAME einfach leergespielt. Gilt auch für THE MIRACLE, INNUENDO (mit Einschränkungen) und MADE IN HEAVEN sowie alles nach Mercurys Tod, sämtliche Soloalben und Nebenprojekte: Finger weg!

Anderthalb Sterne