Kolumne

Popkultur im Rückspiegel: Von den VMAs bis zur Wehrpflicht-Debatte – Aidas Kolumne

MTV hat wieder Preise für Musikvideos verteilt & Aida denkt darüber nach, warum alle Ideen aus der Vergangenheit recyceln

In der Nacht zum 8. September fanden die MTV Video Music Awards statt – hat das jemand überhaupt mitbekommen? Ist das so ein Millennial und höchstens noch elder Gen-Z-Ding? Es ist ja nicht so, dass Musikvideos weg wären – aber sie werden irrelevanter. Auch, weil sich der Aufwand, zumindest für Indie- und DIY-Musiker:innen nur noch lohnt, wenn sie das zum Beispiel mit Social-Media-Content kombinieren. Und selbst dann muss man sich ein fett produziertes Musikvideo leisten können. Und wollen. Denn relatable Content, wie ihn die Plattformen am stärksten in ihren Algorithmen belohnen, ist so ein richtig geiles Musikvideo nicht. Gleichzeitig ist Musikcontent in Videoform populärer denn je: YouTube, Tiktok und Instagram-Reels begleiten uns den ganzen Tag – und alles ist quantifizierbar. Wir sehen sofort, welches Video wie populär war. Als Produzent:innen – aber auch als Konsument:innen.

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Musikvideos und die Relevanz der MTV VMAs im Wandel

Ich weiß noch, wie ich nachts wach lag, um die Preisverleihung zu gucken, bei der die kleinen „Moonmans“, kleine Astronauten als Trophäe verteilt wurden. Dieses Jahr fragte die „New York Times“ eher: „Does anybody care?“ Denn obwohl wir von Musik auf Video umgeben ist, fühlt sich die Kunstform des Musikvideos an sich weniger relevant an, sie beeinflussen immer seltener popkulturelle Debatten über einige wenige Tage hinaus. Das haben auch die Musikvideoawards selbst gemerkt und Kategorien wie „Artist of the Year“, „Song of the Year“ und so weiter eingeführt – Kategorien, die also nichts mit dem Musikvideo an sich zu tun haben. Und die Veranstaltung nicht auf MTV, sondern auf dem größeren Sender CBS übertragen. Dem Sender in den USA mit dem ältesten Publikum übrigens.

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Millennials, Nostalgie und das Verschwinden des Musikfernsehens

Vielleicht ist das kein Zufall, sondern ergibt schon Sinn: Die richtigen Hochzeiten des Musikvideos waren sogar schon vorbei als ich, ein richtiger Millennial, anfing Popkultur zu konsumieren. Für Viva Zwei mit seiner alternativeren, vielleicht sogar subkulturelleren Ausrichtung war ich ein paar Tage zu jung, als ich MTV geguckt habe, liefen den Tag über oft sowieso schon keine Musikvideos mehr, sondern Datingshows. Die meisten der legendären, epochalen Musikclips, die heute als stilbildend hochgehalten werden, habe ich ehrlich gesagt nicht im Fernsehen gesehen, sondern eher irgendwann im Internet.

Aber hey, es gibt sie immer noch, die MTV Video Music Awards und irgendwie schaue ich trotzdem nach, welches Video ausgezeichnet wurde. Ich habe sogar manchmal diffuse Gefühle dazu, auch wenn ich manches gar nicht kenne (Ariana Grande wurde ausgezeichnet statt Bad Bunny? Völlige Fehlentscheidung, pfft). Aber eigentlich eher aus Gewohnheit oder Nostalgie. Denn auch wenn die Musikvideos an sich mich immer mal wieder überraschen und inspirieren können, fühlt sich die Veranstaltung an sich schon lange nicht mehr zukunftsprägend an.

Bürgergeld-Debatte: Rückfall in Nullerjahre-Rhetorik

Ein bisschen so „Zurück in die Zukunft“-mäßig fühle ich mich aber auch, wenn ich die Nachrichten gerade lese. Die Debatte ums Bürgergeld erinnert mit ihrer Verachtung gegenüber armen Menschen an die Nullerjahre, an die Agenda 2010 (die Älteren werden sich erinnern!), an beschissene Ideen wie „1-Euro-Jobs“, „Ich-AGs“ und Hartz 4, immer neue Namen für immer brutalere Ausbeutung von Menschen. Heute suggeriert die Bundesregierung Bürgergeldempfänger:innen hätten es noch zu gut und würden es sich auf dem Geld, das an vielen Orten eh nicht zum Leben reicht, ausruhen. Man müsste jetzt möglichst hart gegen Leistungsbeziehende vorgehen, damit niemand den Staat „ausnutze“, wie es die Arbeitsministerin Bärbel Bas vor ein paar Tagen im Fernsehen formulierte.

Dabei zeigt Studie nach Studie, dass sogenannte „Totalverweigerer“ unter Bürgergeldempfänger:innen sehr selten sind. Sanktionen werden auch nur in kleiner Zahl verhängt, und zwar für Kleinigkeiten wie nichteingehaltene Termine. Und wenn man sich bewusst macht, dass unter den Leistungsbeziehenden beispielsweise auch viele Alleinerziehende oder Menschen mit anderer Care-Verantwortung sind, kann man sich denken, wie schnell es dazu kommen kann, dass ein Termin verpasst wird. Aber hey, wenn einem sonst nichts einfällt, dann probiert an es eben mit Content, der früher schon gut funktioniert hat. Wie eben Nullerjahre-Kracher Armenhass.

Wehrpflicht 2.0: Bundeswehr setzt auf alte Konzepte

Auch so ein Throwback ist die Wehrpflicht: Eigentlich wurde sie ja mal abgeschafft, weil sie zu teuer war und nicht gerade zur einer modernen, professionellen Berufsarmee geführt hat. Ja, surprise, wer würde das auch von einem Haufen 18-Jähriger erwarten, die ein paar Monate zusammen in eine Kaserne gesperrt werden. Eigentlich hätte man die Zeit ja dazu nutzen können zu überlegen, was eine moderne Berufsarmee denn überhaupt ausmacht, wenn man denn eine haben möchte, und wie man jungen Menschen vielleicht attraktive Karrierewege darin ermöglichen könnte. Aber nee, zu kompliziert. Stattdessen mit Auftritten auf Gamescom und irgendwelchen problematischen Webserien die Grenzen zwischen First-Shooter-Games und Krieg verwischen. Und sich dann wundern, warum Personalmangel herrscht und sich nicht so viele wie gewünscht bei der Bundeswehr melden und vor allem nicht die, die man sich anscheinend wünscht. Welche tolle Lösung hat sich nun also die neue Bundeswehr dazu überlegt? Wehrdienst 2.0, nostalgischer Throwback. Passenderweise hat auch niemand mitentschieden, der das selbst machen müsste. Und auch wenn ich in den Nachrichten Straßenumfragen sehe, scheinen die größten Fans der Idee Menschen zu sein, die selbst ein paar Jahre zu alt sind für Wehrdienst. Ein Schelm war dabei … ach, lassen wir das.

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Politik und Gesellschaft: Recycling alter Ideen statt Innovation

Irgendeine Idee aus der Vergangenheit recyceln ist eben einfacher, als sich etwas Neues zu überlegen. Ich verstehe das ja auch, so aus Faulheitsgründen. Aber vielleicht wäre es mal Zeit, für wirklich neue Ideen.