Polanski-Skandal: David Lynchs Tochter bricht das Schweigen
 
        Jahre nach seiner Unterschrift für Polański erklärt David Lynchs Tochter, warum er so handelte und wie er den Schritt später bereute.
Fast 20 Jahre ist es her, dass sich eine ganze Reihe renommierter Hollywood-Größen öffentlich mit einer simplen Unterschrift hinter den polnisch-französischen Filmregisseur Roman Polański stellte. Dieser betäubte und vergewaltigte 1973 die damals 13-jährige Samantha Gailey unter Vortäuschung eines Fotoshootings im Haus des „Shining“-Stars Jack Nicholson.
 
        Roman Polanski floh 1978 aus den USA, nachdem er sich in im Verfahren wegen sexueller Handlungen schuldig bekannt hatte. Er hat den US-amerikanischen Boden seither nicht mehr betreten, weil er fürchtet, eine Haftstrafe antreten zu müssen – kurz nach Anklage kam er gegen Kaution frei.
Der Prozess ist im öffentlichen Gedächtnis schon fast eine verschwommene Erinnerung – und der Gerichtsprozess um den heute 90-jährigen Filmemacher ist inoffiziell auf Eis gelegt. Nun hat eine TikTok-Nutzerin das Thema wieder ausgegraben und die Liste an Hollywood-Größen durchforstet, die damals die Petition unterzeichneten, um den verurteilten Regisseur vor einer Auslieferung und folglich Haftstrafe in den USA zu schützen.
Der im Januar verstorbene Regisseur, Produzent und Drehbuchautor David Lynch war einer von ihnen. Während er sich nie öffentlich zu seiner Unterzeichnung äußerte, tut es nun seine Tochter Jennifer für ihn.
Was bisher geschah
1972 beging Roman Polański seine Tat und saß vorerst in Haft. Aufgrund des Alters des Opfers wurde eine gerichtspsychiatrische Beurteilung Polańskis gesetzlich vorgeschrieben, wegen der er für 90 Tage ins Staatsgefängnis eingewiesen wurde. Nach 42 Tagen erfolgte die vorzeitige Entlassung mit der richterlichen Empfehlung, eine Bewährungsstrafe zu verhängen. Als sich jedoch abzeichnete, dass der verantwortliche Richter dem Regisseur ein härteres Strafmaß geben würde als vorher besprochen, floh Polański nach London und lebte anschließend in Frankreich, der Schweiz und in Polen. Seither vermied er Reisen in die USA und andere Länder, in denen mit einer Auslieferung zu rechnen ist.
Im September 2009 wurde der Fall noch einmal diskutiert. Roman Polański wurde aufgrund eines internationalen Haftbefehls von 2005 auf Betreiben der US-amerikanischen Strafverfolgungsbehörden bei seiner Einreise in die Schweiz auf dem Flughafen in Zürich verhaftet. Er war auf dem Weg, beim Zurich Film Festival einen Preis für sein Lebenswerk entgegenzunehmen. Im Zuge dessen entstand eine Petition, die eine Rückkehr Polańskis ermöglichen sollte. 2010 wiesen die Schweizer Justizbehörden den Auslieferungsantrag ab und hoben Polańskis Hausarrest auf — sein Haftbefehl in den USA gilt jedoch bis heute.
Jennifer Lynch: „Es gibt keine Rechtfertigung, aber es gibt eine Erklärung“
Damals ließen sich viele der Unterzeichnenden, etwa Emma Thompson oder Natalie Portman, wieder von der Liste nehmen, als herauskam, weshalb der berühmte Filmemacher überhaupt US-amerikanischen Boden vermied. David Lynch war keiner von ihnen, jedoch sah sich seine Tochter Jennifer nach der Veröffentlichung des TikToks der Nutzerin @grd4na dazu gezwungen, ein Statement im Namen ihres verstorbenen Vaters zu veröffentlichen.
Bei einem fast schon herzerwärmenden Austausch in der Kommentarspalte unter dem Video erklärte Jennifer Lynch, dass sie selbst Schwierigkeiten damit gehabt habe, die Unterschrift ihres Vaters zu verarbeiten. Lynch berichtet von einem „belastenden Gespräch“, das sie wütend und „mit gebrochenem Herzen“ zurückgelassen habe. Sie sei sich jedoch auch ganz sicher: Nach der Diskussion war ihr Vater ein anderer. In Anbetracht der Unklarheit darüber, was Roman Polański verbrochen habe und insbesondere nach der Forderung des Opfers in 2010, die Klage fallen zu lassen, nachdem das Ereignis medial zu groß gemacht wurde, hielt der Universalkünstler Lynch es nicht für notwendig, sich detailliert dazu zu äußern.
„Aus irgendeinem Grund dachte er, als er zusammen mit anderen unterschrieb, nicht an das Kind, sondern an einen Künstler, der zurück in die Staaten und zurück zum Geschichten-erzählen wollte. Es war falsch und gefühllos von ihm, das zu tun. Er erkannte das viel zu spät, aber er erkannte es schließlich doch“. Die Tochter des geschätzten Filmregisseurs berichtet in einem Kommentar auch, dass ihn die Annahme, Polański sei das schutzwürdige Opfer, im Nachhinein verfolgt habe. Abschließend schreibt sie: „Ja, er hat unterschrieben. Das war falsch. Als unser Gespräch zu Ende ging, hat Dad das erkannt. Wenn man ihn heute fragen würde, würde er nicht unterschreiben“.
Diskussionen dieser Art tendieren aufgrund ihrer Polarisierungskraft besonders in den sozialen Medien auszuarten. Nicht aber in diesem Fall: Jennifer Lynchs ehrliche Worte scheinen einigen Fans, die von David Lynchs umkommentierter Unterzeichnung schockiert und enttäuscht waren, viel Trost zu spenden. Lynchs Tochter vollbrachte auf diese Weise das, was ihr Vater zu seinen Lebzeiten nicht konnte: Klarheit und Verständnis im Fall Polański schaffen.
 
                                             
                                                            


