Paulas Popwoche: Dinge, über die ich beim Oasis-Konzert nachdenke
I went to the Oasis concert wearing a Wonderwall shirt and all I got were these thoughts in my head.
Es ist der 30. Juli 2025 und ich starre immer wieder auf die Merchjacken auf den Rücken der Oasis-Fans vor mir. „Live ‘25“ prangt darauf und das kann doch alles nicht wahr sein. Es fühlt sich an wie eine Zeitreise, aber eben eine in die Zukunft, die aber jetzt ist… Hä? Ich krieg das Wort „Oasis“ und die Zahl 25 – as in Jahreszahl – einfach nicht zusammen, es passt nicht. Oasis haben 2009 aufgehört und hätten sich vielleicht 2016 noch wieder vereinen können, ohne dass es mir allzu komisch vorgekommen wäre, „Oasis Live ’16“, ja, von mir aus, aber alles beyond stimmt irgendwie nicht. Wir fahren mit Lime-Scootern zum Labubu-Shop, this is not an Oasis-World!
Dafür sehen sie dann halt auch erstaunlicherweise immer noch zu sehr wie sie selbst aus, der eine Gallagher guckt mürrisch, der andere hat seine Mütze tief ins Gesicht gezogen und Bonehead leuchtet in seiner Jacke, die Marker stimmen, reicht. Das hier ist also wirklich echt.
Im Vorhinein hat Noels Tochter Anaïs gesagt, sie freue sich über Friendship-Bracelets. Ich habe meine am Start, wann ist es endlich so weit? Wer will tauschen, Hallo Hallo. Habe ein paar mit „Madferit“, ein paar mit „Biblical“.
Aufsehen erregen mit „Wonderwall“-Shirt
Die Leute gucken komisch, denn ich trage wirklich ein Wonderwall-Shirt, weil mir die Farbe gefällt, ich es lustig finde und weil es Zeit ist, dem Song mal was zurückzugeben. Jeder kennt Wonderwall. Aber auch jeder kennt Oasis und Adidas, und das hält ja auch niemanden davon ab, diese Namen auf dem eigenen Körper rumzukutschieren.
Ich stehe meiner Band bei, auch im Erfolg. Ich schäme mich nicht für „Wonderwall“, weil es genauso viel Liebe verdient wie der unbekannte Indie-Hit „Live Forever“. Ich zahle Hunderte Pfund für windige Ticketanbieter, überteuerte Städte und Hotels und ästhetisch, sowie ethisch fragwürdigen Merch. Ich mache jeden Scheiß mit, ich lass mich beschimpfen und verlachen und ausnehmen, ich folge meiner Band durch die Radiohits über die Werbeverträge und völlig unnötigen politischen Statements, ist doch klar, ich bin ein echter Fan! After all …
Als ich jung war, fand ich alte Musik oll. Alles was mehr als zehn Jahre her war, waren peinliche Oldies, boring und was für die Vatis und Muttis beim Stadtfest. Little did I know! Ich bin glücklich über jede junge Person, die sich durch die Jahrzehnte gräbt. Es sind hier und heute mehr weiblich gelesene junge Personen, die Zukunft der Oasis-Fans ist female. Dass ich sowas mal sage! Zu meiner Zeit, als Oasis auch schon als ein bisschen oll galten, gabs vor allem Mackerfans, sich selbst viel zu ernstnehmende Heinis. 40jährige Fußballfans, die auf Indiepartys „Mädchen“ anbaggerten. Aber das war auch Deutschland. Meanwhile gärte es in England weiter und weiter und nun laufe ich an einer Anfang 20jährigen vorbei, die links Liam und rechts Noal tätowiert auf ihren Waden trägt und es ist sogar gut gestochen. Mich haben die coolen harten Posen eh immer gewundert, ich hab Oasis‘ Musik stets als butterweich wahrgenommen, hab sie in mein Kissen gekuschelt und aufm Spielplatz beim Steinekicken gehört.
Oasis damals und heute
Bei meinem letzten Oasis-Konzert war ich 19 und es war ihre letzte Tour. Das Konzert war in Dresden, ich glaube es war nicht mal ausverkauft und auch nicht besonders gut. Publikum waren ebenjene Heinis und ein paar Schnarchnasen. Und jetzt mit über 80 000 Fans in Wembley rausgrölen was geht, kaum zu fassen, dass das immer noch die gleichen Songs sind. Sie sind plötzlich so SHINY.
Mit 19 hab ich dieser ganzen drumherum existierenden Popkultur (Gen X, männlich, kapitalistisch-hedonistisch,…) geglaubt, dass nur Jungsein und sich und einander verbrauchen so richtig geil ist, und dachte, nur mir ginge es nicht so. Ich fand 19 sein scheiße und die Zeit danach auch und stehe nun 36jährig da und bin glücklicher denn je. Liam widmet „Fade Away“ den jungen Leuten, die zum ersten Mal auf dem Konzert sind (toll!), aber was er dann halt singt, stimmt bitte nicht für alle: „While we‘re living the dreams we have as children fade away“. Hoffe, sie glauben ihm nicht.
Die Teenagerin, die vor mir mit ihrem Vater steht, scheint nicht mit ihm mitgekommen zu sein. Erst dachte ich noch: Ist jetzt Payback-Time für den ERAs-Summer? Töchter begleiten ihre Väter? Aber nee, sie ist, abgesehen von mir (klaro!) die einzige in unserem Umkreis, die jeden Text kann. Überhaupt sind die Frauen textsicherer. Die Männer hängen aber teilweise auch schon halb über der Reling. Neidisch bin ich allerdings auf deren Fähigkeit, sich wahnsinnig schnell Bier zu beschaffen, ohne viel zu verpassen. Trinke natürlich nix! Muss hier bleiben.
Den britischen Humor auch mal herausfordern
Denke immer wieder drüber nach, was der eine Typ zu mir gesagt hat, der mich auf mein Shirt angesprochen hat… Hab ihn nicht verstanden, zu englisch, zu besoffen, zu ER. Habe ihm erklärt, manche von uns hätten halt auch Humor.
Denke auch immer mal wieder über diese Handyverbot-Sache nach. Ja… naja… Ja. Es ist etwas weniger geworden in den letzten Jahren, die Leute sind übersättigt von dem ganzen Gebimmel und Geleuchte. Alle waren schon mal auf einem Konzert. Bisschen süß ist aber zum Beispiel der Mann der seine anderen Männerfreunde kurz videoanruft, der eine hockt grad zu Hause, der andere ist am Meer. Wahrscheinlich haben sie früher immer zusammen Oasis gehört. Man steht dann dahinter und versucht nicht zu dolle hinzugucken und noch „normal“ weiterzusingen, nur jetzt eben als Hintergrund eines Livestreams.
Nachdem sie einer Gruppe von Typen auf dem Handy die Einstellungen für ein vernünftiges Foto gezeigt hat, reicht es mir: Ich schenke endlich dem Teenager-Girl vor mir mein Bracelet, mit „Madferit“ drauf. Sie freut sich natürlich irre. Der Vadder guckt mich an wie ein goldiges Kleinkind, jaaaa natürlich kriegst du auch eins, ich streif es ihm über, er ist ganz gerührt, das ganze Restkonzert noch, „BIBLICAL, thank you!“ Ach, jetzt selbst einen Vater haben!
Gänsehautmoment
Überraschenderweise gibt es am meisten Gänsehaut-Stimmung gemeinsam mit dem Publikum bei „Little by Little“, es ist der Song, mit dem ich damals zum Fan wurde. Sonst ist aber auch alles gigantisch, unfassbar, ich kann eigentlich kaum glauben, wie gut es ist, und gleichzeitig erschreckend „natürlich“. Klar geben Oasis ein Konzert. Wozu all der Terz? Nur manchmal wirkt es slightly runtergerattert hier und da. Macht bitte langsam, sonst braucht ihr bald wieder eine Pause.
Alle sind lieb und glücklich. Es gilt jetzt, wir haben drauf gewartet und wir wissen nicht, ob jemals wieder. Alle wollen hier sein, niemand ist besonders unaufmerksam oder bockig, das ist so schön.
Ich muss komischerweise nullmal heulen, aber wären meine Freunde nicht ein paar Blocks entfernt und könnten wir uns in den Armen liegen, wäre es sicher längst passiert. Sonst halt beim nächsten Mal! Man raunt sich verschiedene „geleakte“ Tourdaten fürs nächste Jahr zu.
„Tell me what you know!“
Super Idee zu spät: Es wäre NOCH witziger gewesen, sich ein Shirt mit „OASIS Live ´26“ machen zu lassen und dann mal zu schauen, was so passiert. Die Leute packen einen am Kragen: TELL ME WHAT YOU KNOW! Hihi.
Auf dem Heimweg pflastern umgefallene Männerkörper unseren Weg. In der Facebook-Oasis-Gruppe lese ich noch bis 2 Uhr morgens die süßesten Posts: Eine Männergruppe hat sich mit Dosenbier in der Nähe des Stadions eine schöne Zeit gemacht. Eine Frau bedankt sich, dass ihr die Gruppe Mut zugesprochen hat, allein zum Konzert zu gehen, „I put my big girl pants on and I dit it, I‘ve had an amazing night and met some lovely people“, Leute posten Bilder mit ihren Kids, für die es das erste Konzert überhaupt war. Eine Frau sucht eine Videoaufnahme davon, wie Liam ihr einen Herzensgruß gegeben hat, weil sie eine Fahne mit dem Gesicht ihres verstorbenen Bruders hochgehalten hat und alle helfen ihr bei der Suche. Ein Fan aus Puerto Rico freut sich, sich endlich diesen Traum erfüllt und mit seiner großen Liebe beim Konzert gewesen zu sein. Ein paar Typen meckern wegen der Bracelets und heulen wegen Taylor Swift. Die anderen lassen sie abblitzen. The kids und die meisten drumherum sind alright.



