Paul Weller: Die wichtigsten Alben im Ranking
Auch wenn er nie eine schlechte Platte machte: Welche Alben von Paul Weller lohnen sich besonders?
Paul Weller glitt durch die Zeiten wie kaum ein anderer Musiker. Er gründete 1972 The Jam, die zu einer der einfussreichsten Popbands der Dekade wurden. Er spielte in den 80ern, als Rockmusik so furchtbar wurde, verspielten Souljazz. Und in den 90ern war er der Modfather, zu dem Oasis und Co. ehrfurchtsvoll aufblickten. Eines eint seine Phasen: Ein schlechtes Album hat Weller nie abgeliefert.
PFLICHT
The Jam – All Mod Cons (1978)
Zwei Alben veröffentlichen The Jam 1977 – beide bieten sie angemessene Musik zur Zeit. ALL MOD CONS zeigt die Band ein Jahr später erstmals konsistent großartig. Die British Invasion, vor allem die Liebe zu den Kinks, manifestiert sich auch jenseits der Coverversion „David Watts“ inhaltlich wie musikalisch, tatsächlich versucht sich Weller an so einer Art eigenem, Working-Class-besetzten Kitchen Sink Realism, der mal mit harschem Power-Pop, mal mit Folk-Akkorden unterlegt wird.
Fünfeinhalb Sterne
The Jam – The Gift (1982)
Punk ist längst tot, Weller ein erwachsener Mann. Auf dem finanlen Album von The Jam hinterlässt die Kombination aus bei dem ihre Spuren. Musikalisch sind The Jam vielseitig wie nie, neben klassischen Power-Pop-Arbeiten wie „Happy Together“ stehen Motown Soul und Funk als Gleichberechtigte. Weller geht da mühelos mit, seine Stimme hat deutlich an Ausdruckskraft gewonnen. Dass Bruce Foxton und Rick Buckler für diesen Sound nicht mehr relevant waren zeigt etwa „Precious“.
Sechs Sterne
The Style Council – Café Bleu (1984)
Und den Mods kamen die Tränen: Paul Weller übt sich gemeinsam mit Mick Talbot, dank einer Vergangenheit bei den Merton Parkas und Dexys Midnight Runners stilistisch ähnlich vorbelastet wie der Meister selbst, an sophisticated (und noch recht analogem) Softpop: funky, jazzy, mit Hang zur Instrumentalphase, ein Stinkefinger ins Gesicht all derer, denen The Jam am Ende nicht mehr rockig genug waren. Schön: Auf „The Paris Match“ singt Tracey Thorn von Everything But The Girl.
Fünf Sterne
The Style Council – Confessions Of A Pop Group (1988)
Nach dem ambivalent wahrgenommenen THE COST OF LOVING knallte es zwischen Band und Label. Vor der endgültigen Eskalation – und nach der Überweisung von 500.000 Pfund Vorschuss – gelang Weller und Talbot aber noch dieses Meisterstück; was als manchmal fast alberner Bar-Jazz beginnt, wandelt sich auf der B-Seite zu bisweilen überladener, aber durchaus konsistenter Popmusik, die viel vom Funk und Soul holt und im zehnminütigen Titeltrack gipfelt.
Fünf Sterne
Paul Weller – Wild Wood (1993)
Nach dem Ende von The Style Council hatte sich Weller einen neuen Kreativpartner gesucht: Brendan Lynch war eine logische Wahl; er produzierte vorher mit der Talkin’-Loud-Band Young Disciples einen auch in der Rückschau interessanten Hybrid aus HipHop, Funk und Acid Jazz. Bei dieser zweiten Platte neu dabei: Gitarrist Steve Cradock von Ocean Colour Scene. Das, was das Solo-Debüt andeutete, fand nun seine Vollendung; ein irre souverän klingender Sound, den Weller heute seiner damaligen Liebe zu Steve Winwood und Traffic zuordnet, der aber all die Spuren umgarnt, denen Weller schon mit The Jam und The Style Council folgte. Notiz am Rande: Auch für Ocean Colour zahlte sich die Zusammenarbeit aus, der Erfolg, den die Band drei Jahre später mit dem ebenfalls von Lynch produzierten MOSELEY SHOALS hatte, wäre ohne Weller kaum möglich gewesen.
Sechs Sterne
ERGÄNZEND
The Jam – Sound Effects (1980)
Nach dem seine Ambitionen durchaus einlösenden, aber auch recht grimmigen SETTING SONS (1979) wieder eine Pop-Platte. SOUND EFFECTS ist nicht das beste The-Jam-Album, aber das, das die Band am kompaktesten zeigt, am zielgerichtesten und dabei dennoch abwechslungsreich. Leichte Grüße kommen vor allem, was die Rhythmusarbeit angeht, vom Manchester-Wave Joy Divisions, auch die Beatles zu REVOLVER-Zeiten hört man immer wieder durch. Nach „Pretty Green“ benannte Liam Gallagher 2009 sein Modelabel. Das passt – in dem Song geht es schließlich ums Geld.
Viereinhalb Sterne
The Style Council – Our Favorite Shop (1985)
Das einzige Nummer-eins-Album von The Style Council ist in Sachen Lyrics genauso gewitzt wie Wellers „Cappuccino Kid“-Liner-Notes. Es ist aber nicht unbedingt das beste der Band. Zwar bevorratet es mit „The Lodgers“ und „Walls Come Tumbling Down“ zwei erprobte Single-Hits; zwar ist „Come To Milton Keynes“ ein hübscher Seitenhieb auf die Realitäten der Retortenstadt; an anderer Stelle verliert sich die Platte aber mitunter im Kunsthandwerk.
Viereinhalb Sterne
Paul Weller – Paul Weller (1992)
Die Geburt des Modfathers ensteht aus der Not heraus. Weller steht ohne Band da, ohne Plattenvertrag, ein letztes Style-Council-Album erscheint nicht mehr. Er macht notgedrungen alleine weiter – und schreibt mit der Single „Into Tomorrow“, noch unter dem Bandnamen Paul Weller Movement veröffentlicht, einen ziemlichen Hit. Das Ergebnis: ein Plattenvertrag mit Go! Discs und dieses Album, auf dem zunächst eines auffällt: Wellers Textarbeit hat sich geändert, es geht nicht mehr um England, sondern um Weller selbst. Musikalisch ist’s Soul, um Weller herumgebaut und mit mehr als nur einem Nicken Richtung Acid Jazz. Dass Paul Francis (James Taylor Quartet) im Movement spielte, passt gut.
Viereinhalb Sterne
Paul Weller – Stanley Road (1995)
Die Geburt des Modfathers beginnt hier; wir hören als Gäste erneut Steve Cradock und Noel Gallagher, aber auch Stevie Winwood und Mick Talbot. Das Cover stammt vom ikonischen Pop-Art-Grafiker Peter Blake (SGT. PEPPERS). Es produziert wieder Lynch, doch wo er auf dem Vorgänger immer die Weite suchte, verknappt er jetzt zum Popsong. Soundspielereien gibt es trotzdem: Tracks wie die Ewigkeits-Single „The Changingman“ nicht nur laut, sondern auch über Kopfhörer hören!
Viereinhalb Sterne
Paul Weller – 22 Dreams (2008)
In der ersten Dekade der Nullerjahre gaben sich bei Weller Licht und Schatten die Klinke in die Hand. Schlecht war keines seiner Studioalben, richtig hängen blieb wenig. 22 DREAMS ist die Ausnahme. Angefangen bei den Frühlings-Psychedelica im Opener „Light Nights“ über den markig marschierenden Titeltrack bis zu den Soundscapes von „One Bright Star“, Weller gibt hier den Eklektiker mit Gespür. Als Gäste dabei: Robert Wyatt, Graham Coxon, Noel Gallagher.
Fünf Sterne
DIE COMPILATIONS
Es ist etwas verwirrend bei Paul Weller. Nicht nur veröffentlichte er neben den Singles und Studioalben zahlreiche Compilations, Live-Mitschnitte und mit STUDIO 150 sogar eine – ordentliche, aber nicht spektakuläre – Sammlung an Coverversionen. Einige seiner Soloalben erfuhren zudem in den letzten Jahren ausführlichste Deluxe-Wiederveröffentlichungen. Und dann spielte er noch ganz gerne bei den anderen mit – zuletzt hörte man ihn etwa als Feature-Gast auf gleich zwei Singles der Soul-Revivalisten Stone Foundation. Einen guten Überblick über die meisten seiner Schaffensperioden gibt das 2006 erschienene Vier-CD-Set HIT PARADE.
Viereinhalb Sterne
Für Style-Council-Freunde sicher interessant ist das 1989 veröffentlichte Box-Set THE COMPLETE ADVENTURES OF THE STYLE COUNCIL. Das 1989 aufgenommene, finale MODERNISM – A NEW DECADE (Fünf Sterne), auf dem sich die Band ausführlich mit US-amerikanischen House-Sounds beschäftigt und das von Polydor damals abgelehnt wurde, wurde hier erstmals veröffentlicht. 2019 erschien noch ein Live-Album: OTHER ASPECTS – LIVE AT THE ROYAL FESTIVAL HALL IN LONDON zieht einen Bogen von frühen The-Jam-Tagen über Paul Wellers Zeit mit Style Council bis zu den Songs des im letzten Jahr erschienenen Album TRUE MEANINGS und wurde gemeinsam mit den Musikern des London Metropolitan Orchestra eingespielt. Unter der Ägide der Dirigentin Hannah Peel stehen bis zu 24 Musiker auf der Bühne.
Fünf Sterne


