Lollapalooza Berlin 2025: Ein Festival für alle oder für niemanden?
Regenponcho vs. Sonnenbrille, Justin Timberlake vs. J-Hope, Ritter Lean vs. Raye: So war's beim Lolla
Mit gemischten Gefühlen bin ich auf das diesjährige Lollapalooza in Berlin gegangen. Und irgendwie war es am Ende genau das – eine Mischung. Ein Festival wettermäßig zwischen Regenponcho und Sonnenbrille, mengenmäßig zwischen Familien und TikTok-Tänzen, musikalisch zwischen Justin Timberlake und Brutalismus 3000.
Das Publikum? So divers wie das Line-up selbst. Familienfreundlich, weniger Betrunkene, viele Kids. Für die einen angenehm, für andere vielleicht zu clean. Das Lolla will zugänglich sein – und ist es auch. Aber dadurch wirkt es manchmal, als wolle es allen gefallen. Und wer allen gefallen will, bleibt oft im Ungefähren.
Chart-Pop, Regenschauer und Nostalgie: Der Samstag
Ein regnerischer Samstag (12. Juli) eröffnete das Open Air. Zwar kamen laut Veranstaltenden täglich rund 60.000 Besucher:innen, doch zum zweiten Mal in Folge blieb das Festival ohne das Label „ausverkauft“.
Dennoch: Gracie Abrams war mit melancholischem Bedroom-Pop dabei, The Last Dinner Party brachten düsteren, opulenten Indie auf die Bühne. Und auch Künstler:innen wie Ashnikko zeigten, wie vielfältig ein Festival-Line-up sein kann. Female Empowerment, direkt und laut – ihre Show wirkte roh, selbstbewusst und offenbarte einen Artist mit sehr viel Präsenz.

Abseits der großen Bühnen sorgte Ritter Lean am Samstagabend auf der Alternative Stage für Stimmung mit Moshpits und Wasserpistolen-Action. Backstage präsentierte sich der Künstler im ME-Kurzinterview reflektiert und erklärte, warum es ihm wichtig ist, in seiner Musik und auf der Bühne Gleichberechtigung zu thematisieren.
Hier geht es zum Backstage-Interview mit Ritter Lean:
„I got that sunshine in my pocket“
Justin Timberlake brachte als letzter am Samstag die Crowd trotz Regen zum Tanzen. „I got that sunshine in my pocket“ sang er – und es fühlte sich tatsächlich kurz so an, als würde die Sonne nochmal rauskommen wollen. Timberlake zeigte, warum er immer noch Headliner-Status hat. Er lieferte einen Hit nach dem anderen ab, eingebettet in ein fast musicalartiges Livespektakel mit Tanzeinlagen und riesigen Trompeten.
Besonders berührend: Seine kleine Anekdote über seinen ersten Besuch in Deutschland mit 14 Jahren. Man merkte, dass es für ihn ein nostalgischer Moment war – kein standardisiertes „Germany, you’re amazing“, sondern echte Erinnerung.

Sonntag: Sonne, Emotion – und ein K-Pop-Erdbeben
Der Sonntag (13. Juli) brachte nicht nur etwas mehr Sonne, sondern auch einige emotionale Höhepunkte – und ein paar Überraschungen.
Benson Boone liefert eine Show, die mitriss. Zwischen akrobatischen Moves und Saltos machte er eine enge Verbundenheit mit seinen Fans klar. Er teilte seine persönlichen Gedanken zu seiner Musik auf der Bühne und ließ so eine intime Atmosphäre entstehen. Man spürte: Hier steht jemand, der musikalisch und menschlich Eindruck bei den Menschen in der Menge hinterlässt.
Auch Royel Otis, eine Indie-Band, die man sich merken sollte, überzeugte. Gitarrist Royel Maddell glänzte mit starken Riffs und Solos, während Sänger Otis Pavlovic mit seiner besonderen Stimme das Ganze abrundete. Solide, ehrlich und vor allem unprätentiös.
Ja und Raye trat trotz Rückenproblemen auf – und verdeutlichte, was stimmliche Kraft bedeutet. Viele kennen sie vielleicht durch den Remix-Hit „Prada“, der zum TikTok-Trend wurde. Auf der Bühne war sie aber weit mehr als das. Sie zeigte sich verletzlich, aber stark und völlig bei sich.
K-Pop als Massenphänomen: J-Hope überrollt alles
Der wohl größte Überraschungsmoment des Festivals: J-Hope. Wer noch hinterm Baum lebte und dachte, K-Pop sei ein Nischending, wurde hier eines Besseren belehrt. Die Entscheidung zwischen ihm und Brutalismus 3000 fiel anscheinend vielen nicht schwer – ich dachte, es wäre ein klarer Fall für Techno. Aber falsch gedacht. Die Menge bei J-Hope war gigantisch. Die Interaktion? Enorm. Die TikTok-Choreos? Saßen.
Wie das aussah: Ein oberkörperfreier J-Hope auf der Bühne und vor der Bühne kreischende Fans mit lila Herzen und BTS-Lichtkugeln, die 60 Euro das Stück kosteten und die Menge in ein Lichterspektakel verwandelten. Auffällig war vor allem auch, dass junge Frauen die Crowd dominierten und fast jeden Text mitsingen und -tanzen konnten. Das ist Mainstream – und zwar global.
Fazit: Bunt, laut – aber vielleicht zu viel von allem?
Das Lollapalooza Berlin 2025 war ein Festival, das möglichst viele Geschmäcker bedienen wollte – und dabei Gefahr lief, keinen so richtig zu treffen. Für Radiohörer:innen und Familien ein Traum, für Musikliebhaber:innen mit klaren Vorlieben eher eine Herausforderung. Kritik am Line-up? Teils berechtigt. Aber gleichzeitig machte das Festival deutlich, wie sich Popkultur heute anfühlt: fragmentiert, fluide, vielfältig.


