Kolumne

Linus Volkmanns Popkolumne: Eine Handvoll unbequeme Gedanken über Spotify

Daten sammeln, in Rüstung investieren, Bands durch KI-Acts ersetzen. Wenn Spotify zur Geisterbahn wird


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Wenn ich heute die populären Social-Media-Plattformen öffne, unterscheidet sich mein Empfinden drastisch von jenem aus den frühen Zehnerjahren. MySpace hatte ich verpennt, aber aus Facebook habe ich lange Zeit hochmotiviert alles rausgepresst, was es an Austausch, Nerd-Quatsch, Fame und Feelgood für mich zu holen gab. Dasselbe wiederholte sich später noch mal mit Instagram.

Heute bekomme ich auf diesen und ähnlichen Apps eigentlich nur noch schlechte Laune. Es ist auch einfach nichts mehr zu holen außer Frust, Hass, Werbung und Weltuntergang. Längst bin ich dort kaum mehr aus freien Stücken unterwegs, sondern hängengeblieben, beziehungsweise wie so viele andere auch auf diese toxischen Nadelöhre angewiesen – in meinem Fall, um Texte und Veranstaltungen sichtbar zu machen.

Spotify, den prominenten Streaming-Primus, habe ich aus dieser digitalen Enttäuschungsserie lange ausgenommen. Ging es hier doch darum, interessante Inhalte zu konsumieren. Darüber hinaus schien einen der Dienst einigermaßen in Ruhe zu lassen. Ziemliche Verdrängungsleistung, wenn ich ehrlich bin, denn es ist schon lange kein Geheimnis mehr, wie sich gerade auch bei Spotify die hyperkapitalistische Bizarro-Welt von entgrenzten Tech-Milliardären niederschlägt. Zumindest ich habe zuletzt immer aktiver weggesehen – befeuert von dem brüchigen Argument, anderswo sei es am Ende doch genauso und man kann ja eh nichts gegen diese Läden machen.

Doch die jüngste Aufrüstung von Daniel Ek, der Spotify im Jahre 2006 gegründet hatte, nehme ich zum Anlass, hier mal ein paar unangenehme Thesen zu der Plattform zusammenzutragen (und meinen Abschied zu verkünden).

Die Sache mit dem Geld

Von Musik zu leben, das war noch nie so schwer wie heute. Die Einnahmen aus Tonträgern sind so drastisch eingebrochen, dass die wenigstens Acts darüber noch relevante Gewinne erzielen. Für viele Musiker:innen jenseits des Superstar-Status stellen Plattenproduktionen eher Werbung, mitunter gar Zuschussprojekte dar. Der Live-Markt kann das Defizit nicht auffangen und an den immensen Gewinnen, die Streamingplattformen wie Spotify mit der Musik anderer erwirtschaften, partizipieren die Künstler:innen selbst nur zu einem Bruchteil.

  • Entlohnung für 1000 Streams:
    – Tidal 11,50 Euro
    – Apple Music 6,76 Euro
    – Deezer 6,22 Euro
    – Amazon 3,70 Euro
    – Spotify 2,86 Euro
    – YouTube 0,63 Euro
    (Quelle https://streamingeinnahmen.de/)

Die Sache mit dem Content

Letztes Jahr im Mai begeisterte sich jener Spotify-Gründer Daniel Ek auf X darüber, dass Musik doch lediglich Content sei, welcher quasi gratis zu erstellen ist. Das passt zu der Wertschätzung für Musikacts, die sich ja allein schon in deren geringer Entlohnung ablesen lässt. Auf den Shitstorm, dem sich Ek nach seiner Äußerung ausgesetzt sah, reagierte er zerknirscht und entschuldigte sich schmallippig für die „clumsy definition of content“, die er verwendet habe. Clumsy dürfte in dem Fall sowas wie „ungeschickt“ bedeuten. Na, dann …

Die Sache mit dem Content II

Aktuell posten diverse Indie-Künstler:innen, die wie alle andere auch, auf Streaming angewiesen sind, bedenkliche Ereignisse.

Siehe hier zum Beispiel.

Spotify nimmt ohne Vorwarnung unzählige Platten von seinen Servern. Mit der Begründung, man [lies: irgendwelche Bots] wäre der Auffassung, die Musik hätte sich wiederum anderer Bots bedient, um höhere Streamingzahlen zu erhalten. Der Musiker Oliver Minck zitiert dazu eine Nachricht seines digitalen Vertriebs:

„Spotify hat festgestellt, dass die Mehrheit der Streams bei einigen deiner Tracks künstlich war. Aus diesem Grund wurden der/die Release(s), die diesen/diese Track(s) enthielten, von Spotify entfernt.“

Dass Minck, wie viele andere betroffene Acts, belegen kann, dass es bei seinem Album keine Unregelmäßigkeiten gab, spielt keine Rolle. Zurück auf die maßgebliche Plattform bekommt er seine Inhalte nicht mehr, denn es gibt spätestens seit den modernen KIs kein Rankommen an diese hermetischen Firmen mehr, man wird stattdessen durch ergebnislose Chatbot-Höllen geschickt, bis man endlich aufgibt. Case closed. Die Spotify-Server entledigen sich unzähliger lästiger kleiner Acts. Was der Streamingdienst von jenen hält, wurde schon Ende 2023 deutlich. Da nämlich kündigte der Konzern an, nur noch Songs zu entlohnen, wenn ihre Streams die 1000 überschritten haben. In der eigenen Kommunikation fungierte das übrigens unter dem Euphemismus: „Wir modernisieren unser Lizenzzahlungssystem.“

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Die Sache mit The Velvet Sundown

Eine KI-Band wie The Velvet Sundown hat sich unlängst über mannigfaltige Platzierungen in den relevanten Spotify-Playlists eine sehr große Reichweite „erspielt“. Die Akteure hinter der nicht existenten Band bezeichnen jene dabei als „synthetisches Musikprojekt“ – in der Selbstbeschreibung auf Spotify heißt es „This isn’t a trick. It’s a mirror“. An ihrem damit einhergehenden Aufstieg, der nur auf künstliche Einflussnahme zurückzuführen ist, hat offensichtlich kein Bot Anstoß genommen. In ihrem Fall scheint eben Eks Aussage zu gelten: Musik ist einfach bloß Content und kostet quasi nichts. Also wäre es nicht schöner – für den Konzern – wenn man gleich nicht mehr mühsam kleineren Acts Auszahlungen tätigen müsste, sondern das Geld irgendwann direkt an eigene synthetische Soundalikes zurückflösse? Beziehungsweise gar nicht mehr fließen müsste, denn die KI ist zwar ach so schlau, aber eben nicht in der GEMA.

War noch was? Ach ja, Krieg!

2024 hatte Spotify 15,67 Milliarden Euro eingenommen. Es mag vielleicht naiv sein, wenn man sich wünscht, dass dieses Geld fair auf die Künstler:innen, ohne die Spotify keinen Cent bekäme, verteilt werden soll. Schließlich brauchte es früher ja auch nicht den aktuellen globalen Raubtierkonzernkapitalismus, um deine Lieblingsacts zu bescheißen. Das hatten seinerzeit mitunter windige Manager, fiese Verträge oder skrupellose Plattenfirmen übernommen. Doch was Daniel Ek nun mit dem Geld der User:innen treibt, machte zuletzt erneut Schlagzeilen. Bereits 2021 investierte Ek in ein Rüstungs-Start-Up, das neben Kampfflugzeugen unter anderem auch KI-gestützte Kamikazedrohnen herstellt. 2025 nun stockte er seine Beteiligung an dem Unternehmen um weitere 600 Millionen Euro auf. Ohne in Debatten um Verteidigung, Wehrhaftigkeit einsteigen zu wollen, sollte es gestattet sein, sich zu fragen, ob Musikhörer:innen wirklich hier das Geld für ihre monatliches Premium-Abo wiederfinden möchten.

Die Band Deerhoof hat mit einem markigen Statement dazu letzte Woche für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Aufgrund der Beteiligung an der Waffenfirma Helsing nehmen sie ihre Musik von der Plattform. In ihrem Instagram-Post zu Causa ist unter anderem zu lesen:

„Spotify is flushing itself down the toilet. Eventually artists will want to leave this already widely hated data-mining scam masquerading as a ‘music company.’ It’s creepy for users and crappy for artists. Music-making lasts forever, but this or that digital get-rich-quick scheme is sure to become obsolete.” (Deerhoof)

(Zu Deutsch: „Spotify ist dabei, sich selbst den Garaus zu machen. Irgendwann werden die Künstler diesen bereits weithin verhassten Datenmining-Betrugskonzern, das sich als ‚Musikunternehmen‘ tarnt, verlassen wollen. Es ist gruselig für die Nutzer und mies für die Künstler. Musik zu machen wird Bestand haben, aber diese digitale Methode, um schnell reich zu werden, wird mit Sicherheit bald überholt sein.“)

Hier geht es zum gesamten Posting von Deerhof auf Instagram.

Die Sache mit dem Data-Mining

Stimmt, jetzt, wo Deerhoof das auch noch mal erwähnt haben, das gehört ja auch zum Usererlebnis! Einerseits als Wrapped, dem funny, grellen Statistik-Gadget am Ende des Jahres – und andererseits als weitere Einnahmequelle des Konzerns. Denn Spotify verwendet die gesammelten Userdaten keineswegs nur dazu, um Musikvorschläge zu generieren oder das Erstellen von Playlists zu erleichtern. Die Daten werden zudem auch an Werbepartner und Rechteinhaber der Musikindustrie weitergegeben.

Die Sache mit dem Fazit

Nun, aus dieser Sammlung mag jede:r seine eigenen Schlüsse ziehen, aber wundert euch nicht, wenn ihr mich auf dieser Plattform nicht mehr finden werdet.

tl;dr / too long; didn’t read

Hey, habt ihr schon den geilen Synthetic-Act The Velvet Sundown abgecheckt?

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Total fresh! Die Zukunft der Musik klingt, wie sich Batteriesäure trinken aus einem Hundekot-Eimer anfühlt. Obwohl das stimmt ja gar nicht, es ist doch vielmehr so, wenn man diesen KI-Rock hört, dass sich das Ende des Menschen in der Musik einfach nur öde anhören wird.

Was bisher geschah? Hier alle Popkolumnentexte im Überblick.

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