ME Liste

Kaufanleitung Björk: Die wichtigsten Alben von ihr im Ranking

Welche Platten von Björk lohnen sich wirklich und welche sind eher nur okay? Hier geht es zum Ranking.

Björk ist das größte lebende Gesamtkunstwerk der Gegenwart und Inspiration für so ziemlich alle Musiker*innen, die Artpop und Avantgarde machen. Die Alben der Isländerin gelten oft als schwer zugänglich – zu großen Teilen ist das jedoch ein Missverständnis.

MUSS MAN HABEN

Debut (1993)

DEBUT heißt das Debüt von Björk, das gewissermaßen keines ist: Schon als Elfjährige hatte Björk Guðmundsdóttir ja eine Platte, eine Kindersünde sozusagen,­ aufgenommen, die in Island ein Bestseller wurde. Mit ihrer Postpunk-Band The Sugarcubes gab’s zudem drei Indie-Darling-Alben zwischen 1988 und 1992. Doch ist DEBUT ein Debüt, denn diese erste erwachsene Solo-Platte ist anders als alles, was sie davor gemacht hat – und auch heute noch der perfekte Einstieg in das Björk’sche Œuvre. Entgegen aller Unkenrufe, wie sperrig und verschroben Björks Musik sei, ist DEBUT, ihr bis heute größter kommerzieller Erfolg und entstanden mit Mainstream-Produzent Nellee Hooper (U2, Madonna), sehr zugänglich. Zudem hört man heute, was sie damit alles angestoßen hat: Ohne Björk wären die Arbeiten von Grimes, FKA Twigs und Tune-Yards undenkbar. Aber auch Robyn und Lada Gaga, die 2013 ihr Album nach dem betitelte, was Björk exakt 20 Jahre vorher schon machte: ARTPOP. Die Songs dieses Albums sind in Björk ein Jahrzehnt lang gereift, doch an den Arrangements schliff sie erst in ihrer neuen Heimat London, deren Untergrund-Clubwelt es ihr antat. DEBUT ist (wie zwei Jahre später das Debüt von Róisín Murphys Band Moloko) house-clubby, ist acid-jazzy und eine Absage ans öde Grunge-Gitarren-Einerlei der Zeit.

Fünf Sterne

Post (1995)

POST ist abermals ein Postulat zur beginnenden Bedeutungslosigkeit von Genrebarrieren – aber noch offensiver, aggressiver, technoider, kompromissloser: Es in- und exhaliert den TripHop von Portishead und Massive Attack (Tricky arbeitete an zwei Songs mit) und die In­ telligent Dance Music von Aphex Twin. Auf der anderen Seite „echte“ Instrumente: Slide-Gitarre, Wurlitzer, Cembalo, Trompete, Saxofon, Bongo-Percussion, Samba-Trommeln, Trillerpfeife. Björk hat wenig Angst vor Misstönen; ihre Screams im orchestralen Big-Band-Jazz von „It’s Oh So Quiet“ lassen den Bebop-Scat von Ella Fitzgerald fühlen. Broadway auf Breakbeats, schizophrener Schock, Genre-Roulette – und damit die Quintessenz von Björk.

Fünfeinhalb Sterne

Vespertine (2001)

VESPERTINE meint Vesper, Abendbrot. Björk wollte ein häusliches Album übers heimische Stullenschmieren (und das Glück,das ihm innewohnt) machen; ­ heraus kam eine Platte über Sex Verdichtete Erotik, durchaus expli­zit: „He’s still inside me“, singt sie in „Cocoon“. Die Streicher im Prog-Folk-Opener „Hidden Place“ haben Bond-Potenzial. Dazu kommen Harfe, Celesta (heute den meisten aus dem Harry-Potter-Soundtrack bekannt) und Spieldosen. Magisch. Wesentlich für VESPERTINE: Björk hat drei Jahre lang sogenannte Microbeats­ kreiert, etwa aus geloopten Aufnahmen von schmelzendem Eis oder dem Mischen eines Kartenstapels. Zur Seite stand ihr auch­ Martin Gretschmann alias Console, einst Mitglied der Band The Notwist. VESPERTINE entstand als Herzensprojekt, während Björk im Brotjob an ihrem Soundtrack zu Lars von Triers „Dancer In The Dark“ schraubte, in dem sie auch die Hauptrolle spielte. Sie verwendet zudem Hochfrequenz-Sounds, die auch MP3-komprimiert gut klingen. Kammermusik im Zeitalter von Napster.

Fünfeinhalb Sterne

Amazon Music Placeholder
An dieser Stelle findest du Inhalte aus Amazon Music
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Anzeige: Jetzt kostenlos Amazon Music Unlimited testen.

Vulnicura (2015)

Mit VOLTA (2007, drei Sterne) über die Finanzkrise hatte Björk sich belanglos verrannt, nicht nur wegen der unnötigen Timbaland-Produktion. BIOPHILIA (2011, drei Sterne) war vom Konzept her und mit zahlreichen Begleit-Apps on top derart überfrachtet, dass die Klangsäulen dem nicht standhielten. Doch mit diesem Album übertrifft Björk sich selbst. Der Opener „Stonemilker“ dürfte der eindringlichste Track sein, den sie je gemacht hat. Auch „Atom Dance“ mit Anohni ist fantastisch. Björk hatte zuerst die dramatischen Streicher der Platte arrangiert; später legte die venezolanische Produzentin Arca trefflich Avantgarde-Beats drauf. VULNICURA erzählt von den Wunden einer Trennung, aber eben auch vom Kurieren danach. Das ist überhaupt wichtig bei Björk: Sie blickt, wie schon in ihrem Hyperhit „Hyperballad“ (1995) oft in den Abgrund, aber suhlt sich (fast) nie im Selbstmitleid, sondern zeigt Heilungspotenziale auf.

Sechs Sterne

AUCH SEHR GUT

Homogenic (1997)

Auf POST war Björk Gra­vitationszentrum. HOMOGENIC ist homogener, emotional tiefer, fokussierter. Das war nötig nach den schwierigen Jahren zuvor: Sie schlug eine Journalistin, nachdem die ihren Sohn ausfragte; ein Stalker wollte sie per Briefbombe töten. Im südspanischen Málaga arrangierte sie die nostalgischen Drama-Violinen auf ihrem Casio-Keyboard. Ein Song wie „5 Years“ lässt Lorde erahnen. Das Album besitzt weniger Dance-Drive, dafür Akkordeon und Glasharmonika. Heimweh nach Island, dem Land, in dem Hightech und Naturmystik kein Widerspruch sind?

Fünf Sterne

Medúlla (2004)

Geht es nach HOMOGENIC noch fokussierter? Aber ja! MEDÚLLA ist fast ein A-cappella-Album. Wenn man von etwas Piano, Synthie-Bass und Gong absieht, hören wir nur menschliche Stimmen. Doch was heißt „nur“? Was vom Konzept her nach Kunstkacke klingt, geht gut ins Ohr. Im Nachklang des 11. September 2001 und aufsteigendem Rassismus, zumal in den USA, geht es ihr darum, das genuin Menschliche zu betonen, unabhängig von Konstrukten wie Nationen und Rassen. Auch deshalb sind die Inuit-Sängerin Tanya Tagaq und der Schwarze Beatboxer Rahzel mit am Start. Weiter dabei: Mike Patton von Faith No More, ein geplantes Gastspiel von Beyoncé scheiterte am Terminkalender.

Fünf Sterne

Utopia (2017)

Gewissermaßen die Fortsetzung von VULNICURA, ohne dessen Klasse ganz zu erreichen: Es geht um das Neuverlieben nach dem Leid der Trennung. Man gönnt es ihr ja, aber der Holzbläser-Overkill mit allerlei Flöten ist mitunter so nervtötend wie Frischverliebte, die penetrant rumknutschen.

Viereinhalb Sterne

ABSEITS DER SOLOALBEN

The Sugarcubes – Life’s Too Good (1988)

Wer verstehen will, wie Björk Björk wurde, sollte sich auch The Sugar­cubes gönnen: Man hört darin das Mädchen, das mit 14 in einer Punkband getrommelt hat – aber auch die Pretenders und Cyndi Lauper. Von den drei Sugarcubes-Alben ist das erste das stärkste – sie dürfte auch gegenwärtige Postpunk-Bands von Chai bis Goat Girl inspiriert haben.

Viereinhalb Sterne

Björk Guðmundsdóttir & Trio Guðmundar Ingólfssonar – Gling-Glò (1990)

Eine Skurrilität unter Björks Kooperationen. Auf der Barjazz-Platte hören wir Piano, Bass, Drums. Björks Vocals, Weihnachtsglocken und Maracas. Die Songs stammen auch von Komponisten des Great American Songbook, wie Cole Porter und Irving Berlin. Der Jazz in Björks Werk wird oft unterschätzt, sollte aber schon für DEBUT drei Jahre später wichtig werden.

Vier Sterne

The Dirty Projectors & Björk – Mount Wittenberg Orca (2010)

Die stärkste Gemeinschaftsarbeit von Björk ist ihre EP mit den Dirty Projectors, dessen Mastermind David Longstreth ebenso gerne wie Björk klassische Melodiebögen dekonstruiert. Longstreth und Björk singen den Lead, begleitet von drei Projectors-Sängerinnen. Was für ein Trost nebst dem damals enttäuschenden BIOPHILIA!

Fünfeinhalb Sterne

DIE REMIXE

Die Remixe von Björk sind eine Wissenschaft für sich, so viele gibt es – allein sechs offizielle Alben, aber auch unzählige (White-Label-)Singles. Elektronische Produzent*innen haben sich eben schon immer zur avantgardistisch denkenden Björk­ hingezogen gefühlt, darunter einige der besten der Gegenwart: The Haxan Cloak, Lotic, Juliana Huxtable und Katie Gately. Essenziell fürs Verständnis von Björk sind aber vor allem die beiden Re­mix-Platten TELEGRAM (1996, fünfeinhalb Sterne) und BASTARDS (2012, fünf Sterne) : TELEGRAM beleuchtet das POST-Album von einer raueren, industrielleren Seite her und BASTARDS rettet mit Hudson Mohawke, Peaches und Omar Souleyman das vielgescholtene BIOPHILIA-Album.