K.I.Z in Berlin: Familienfeier im Ausnahmezustand – unsere Konzert-Review
Am Freitag (22. August) spielten K.I.Z die erste von drei ausverkauften Shows in Berlin. So war es beim Auftakt des Wochenendes.
Kannibalen in Zivil? Klosterschüler im Zölibat? Karotte Ingwer Zwiebel? Wofür genau die Abkürzung K.I.Z steht, haben Nico Seyfrid, Maxim Drüner und Tarek Ebéné nie offengelegt. Das ist beim Konzert der Rapper am 22. August in der Parkbühne Wuhlheide in Berlin im Rahmen der „Görlitzer Park“-Tour allerdings auch mehr als zweitrangig. Dieser Abend steht ganz im Zeichen des Strobolichts, fragwürdigen Songtexten und über allem: der Ekstase.
Dabei fängt die Show der Berliner, die an diesem Wochenende gleich dreimal die Freilichtbühne im Osten der Stadt ausverkauft haben, verdächtig unaufgeregt an. Plötzlich stehen die drei Männer einfach auf der Bühne. Ganz ohne spektakulären Auftritt oder selbstdarstellerische Ankündigung. Streng genommen stehen allerdings nur zwei von ihnen tatsächlich, denn Maxim sitzt mit einer dicken Schiene am Bein in einem Rollstuhl. Doch eines ist sicher: Der Partystimmung soll dieses Handicap keinen Abbruch tun.
Auftritt im Wohnzimmer-Feeling: K.I.Z und ihre Fans in Berlin
Die ersten Klänge ertönen aus den Boxen. K.I.Z beginnen ihre Show mit dem Song „Frieden“, einem ihrer diversen gesellschaftskritischen Hits. Alle 17.000 Zuschauer:innen singen an diesem Abend in Berlin im Chor „Frieden, wir träumen von Frieden“. Besonders friedlich bleibt es nicht. Schon mit dem nächsten Song öffnen sich die ersten Moshpits auf dem staubigen Boden der Parkbühne Wuhlheide, durch die es jetzt lautstark „V.I.P in der Psychiatrie“ hallt. Was folgt, ist eine Aneinanderreihung von Party-Hits, die so nur das Berliner Gespann auf die Bühne bringen kann. Dabei ist es egal, wie alt oder neu die Songs sind – es scheint, als hätten sich die Tausenden Fans ihr Leben lang auf diese Show vorbereitet.
Aus allen Blöcken des Venues grölen die Taka-Tuka-Ultras, so werden die Fans der Gruppe genannt, die teilweise fragwürdigen Songtexte mit einer Selbstverständlichkeit, wie man es bei einem Heimspiel von K.I.Z auch erwarten würde. Die Gruppe selbst scheint sich wenig von den Massen beeindrucken zu lassen, die nur für sie den Weg zum Konzert auf sich genommen haben. Vielleicht liegt der Grund auch darin, dass sich die Formation abwechselnd die Champagnerflaschen hin- und herreicht. Nico, Maxim und Tarek zeigen sich so gelassen, als würden sie gerade in ihrem eigenen Wohnzimmer spielen. Dass das quasi auch der Realität entspricht, wäre nicht allzu weit hergeholt.
Bierduschen in Schlumpfhausen: K.I.Z bringen Berlin zum Beben
Wenig später wird es richtig nass, wenn beim aggressiven Song „Bier“ die überteuerten Becher des flüssigen Golds durch die Menge fliegen. Die Fans bringen dabei so viel Sprungkraft auf, dass vermutlich nicht mehr viel bis zu einem messbaren Erdbeben fehlt. Ein bisschen mehr Gediegenheit geht durch die Reihen, als die Rapper eine Auswahl an Tracks ihrer neuesten Platte GÖRLITZER PARK auf die Stage bringen. Die Songs des Albums zeichnen sich durch besonders viel Gesellschaftskritik, autobiografische Elemente und weniger provokante Ironie aus. Für die Zuschauer:innen bedeutet das eine kurze Verschnaufpause, bevor in der Hauptstadt ekstatisch weitergefeiert wird. „K.I.Z in Berlin ist wie die Schlümpfe in Schlumpfhausen auftreten zu sehen“ – treffender als Tarek lässt sich das Gefühl und die Atmosphäre an diesem Konzertabend kaum beschreiben.
Hommage an Brandenburg: K.I.Z feiern Neuruppin in Berlin
Und obwohl sich die 17.000 Fans zur Show in der Hauptstadt zusammengefunden haben, findet auch das Land Brandenburg seinen eigenen Moment. Für einen ihrer älteren Songs holen sich K.I.Z in Berlin den Rapper Drama Kuba auf eine kleine Bühne, die mitten in der Crowd steht. Fünf Minuten und 23 Sekunden lang rappen die Gruppe und ihr Gast sich die Seele aus dem Leib mit einer Ode an das brandenburgische Neuruppin.
In der Melodie des Klassikers „House of the Rising Sun“ hört man es aus allen Ecken rufen: „Da ist ein Haus in Neuruppin. Das Haus ist ziemlich alt.“ Es fehlt nicht viel zu einem Vergleich mit Oasis’ „Wonderwall“, denn so hart die Rap-Strophen auch sein mögen, während des Refrains schunkelt die gesamte Wuhlheide gemeinschaftlich von links nach rechts. Mit weiteren Tracks ihres letzten Albums kehrt erneut ein vergleichsweise ruhiger Moment ein. Die Formation performt mit „2001“, „Sensibel“ und „Samstag ist Krieg“ erneut einen ordentlich kuratierten Mix aus der LP.
Nostalgie pur: K.I.Z feiern Klassiker mit den Fans in Berlin
Wenig später wird es nostalgisch für die Taka-Tuka-Ultras, als einer der DJs der Drunken Masters ein Medley aus alten Klassikern der Gruppe zusammenklebt. Mit dabei sind Lieder, deren Texte man im Normalfall nicht unbedingt in der Öffentlichkeit singen würde. An diesem recht kalten Sommerabend in Berlin interessiert das jedoch niemanden. Den Anfang macht das „Kannibalenlied“ – die offiziell-inoffizielle Hymne von K.I.Z. Klassiker wie „Ariane“ und „Hahnenkampf“ schiebt der DJ hinterher. Spätestens als „Abteilungsleiter der Liebe“ angespielt wird, glitzern alle Augen in der Parkbühne Wuhlheide voller Freude und Nostalgie.
Berliner Rap-Power: K.I.Z eskalieren zum Finale in der Wuhlheide
Gegen Ende der Show wird es noch einmal intensiver, was eigentlich kaum möglich scheint, und doch die Stimmung droht aus allen Nähten zu platzen, als Nico Seyfrid die ersten Zeilen von „Der durch die Scheibeboxxxer“ ins Mikrofon hämmert. Alleine steht er auf der kleineren Bühne in der Menge und rappt mit einer so kratzigen Stimmlage den komplett im Berliner Dialekt performten Hit, dass man sich fast schon Sorgen um seine Stimmbänder machen will. Mit dem Nachfolger „Undertheker“ knallen einem die Beats um die Ohren, bei denen sich ein Besuch beim Ohrenarzt am nächsten Tag empfehlen würde.
Für die finalen Tracks läuft, springt, rennt – und rollt – das Berliner Trio nochmals über die Hauptbühne in der Parkbühne Wuhlheide und zündet die Menge weiter an, sodass ein Ende des zweieinhalbstündigen Konzerts eigentlich noch gar nicht in Sicht steht. Für „Ein Affe und ein Pferd“ fahren K.I.Z in Berlin nochmal alle Geschütze auf: Die Open-Air-Location wird in Pyrofeuer, Stroboskop-Licht und Konfettischlangen getaucht. Die Berliner verabschieden sich schlussendlich treffend mit dem Song „Familienfeier“ – denn an diesem Abend waren alle 17.000 Zuschauer:innen eine einzige große Familie.



