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Guns N‘ Roses: Die wichtigsten und schlechtesten Alben im Ranking

Welche Alben von Guns N‘ Roses lohnen sich wirklich, welche eher nicht? Hier geht es zum Check!

Die Bühnenscheinwerfer strahlen­ wieder, Guns N‘ Roses füllen erneut die Stadien. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Weil Differenzierung nottut, schlagen wir eine Schneise ins Dickicht ihrer Band- und Solo Veröffentlichungen. Welcome to the jungle!

DAS GIPFELKREUZ

Appetite For Destruction (1987)

Eine Art Konzeptalbum über die dunklen Seiten des Sunset Strip. Im Video zu „Welcome To The Jungle“ landet Axl Rose als Unschuld vom Lande im Sündenpfuhl L.A. Wie Michael Corleone im Film „Der Pate“ wandelt er sich vom braven Bub zum schlimmen Finger. Seine Cosa Nostra ist die Band: Fünf vernebelte Typen, die alles zerstören, was sich ihnen in den Weg stellt. Auch sich selbst. Der an Punk geschulte Furor und die vielschichtig komponierten Songs, allen voran „Paradise City“ und „Sweet Child O’ Mine“, lassen GN’R aus den Glam-Rock-Bands der Achtziger hervorragen – wenn auch verzögert. Erst ein Jahr nach der Veröffentlichung erreicht die Platte die Spitze der Charts. 30 Millionen Einheiten werden verkauft, mehr als von jedem anderen Debütalbum.

Sechs Sterne

DER BLOCKBUSTER

Use Your Illusion I & II (1991)

„You Could Be Mine“ ballert im Sommer 1991 auf dem Soundtrack zum Schwarzenegger-Blockbuster „Terminator 2“ – eine Mischung mit Symbolkraft: Der größte­ Actionstar trifft die „gefährlichste“ Band der Welt, so wird dem Comeback die Bühne bereitet. In puncto Spektakel enttäuscht es nicht: GN’R veröffentlichen gleich zwei neue Alben. Wie für jedes ­ Sequel gilt: Alles muss größer, lauter, teurer sein. Drummer Steven Adler wird gefeuert, weil er zu viele Drogen nimmt (was in etwa so ist, als müsste Flea die Red Hot Chili Peppers verlassen, weil er zu nackt ist). Matt Sorum ersetzt ihn, Dizzy Reed kommt als Keyboarder dazu. Streicher und Bläser tönen, die Songs ufern aus. „Estranged“ dauert über neun Minuten, „Coma“ zehn, „Locomotive“ fühlt sich sogar noch länger an. Einige ­ Stücke stammen aus den Anfangstagen: „Back Off
Bitch“, „Bad Obsession“ oder die Balladen „Don’t Cry“ und „November Rain“. Rose hat sie in der Hinterhand behalten, überzeugt, dass es sich um Hits handelt. Er behält Recht. USE YOUR ILLUSION I & II übertreffen zusammen die Verkaufszahlen von APPETITE. Izzy Stradlin wird es zu viel: die Tourneen, die Exzesse, Axls Ego. Aber all das trägt zur Legendenbildung bei. Selbst Nirvanas ­ NEVERMIND, das eine Woche nach ILLUSION erscheint, kann dem Mythos nichts anhaben.

Vier Sterne

DAS BEIWERK

GN’R Lies ( 1988)

Um die Wartezeit auf ein neues Album zu verkürzen, veröffentlichen GN’R eine EP. Eigentlich sind es zwei: LIVE ?!*@ LIKE A SUICIDE ist 1986 zum ersten Mal erschienen und mitnichten live. Die Songs – zwei eigene, zwei Covers – werden samt kernigen Ansagen im Studio aufgenommen, der Jubel stammt aus der Dose. Affig, aber effektiv. Eine Illusion, die sich später auch „Get In The Ring“ zu Nutze machen wird. Die zweite Hälfte von LIES ist spannender: GN’R spielen unplugged, eine bis dahin unbekannte Seite der Band. Mit „Patience“ gelingt ein Liebeslied, das den Vergleich mit „Wild Horses“ oder „Angie“ nicht scheuen muss. Schwer erträglich sind die Texte: In „One In A Million“ kotzt sich Rose über Schwule, Schwarze und Migranten aus, verwendet das N- und das F-Wort. Rollenprosa hin, Jugendsünde her – das ist einfach nur daneben.

Dreienhalb Sterne

The Spaghetti­ Incident? (1993)

Wie übertrifft man die Opulenz von USE YOUR ILLUSION? Gar nicht. GN’R gehen zurück auf die Straße, covern ihre Punkrock-Helden (Misfits, Dead Boys, FEAR), auf dass die ihren Lebensabend mit den Tantiemen bestreiten können. Im Gegenzug sollen ihre Songs GN’R reinwaschen vom Vorwurf des Ausverkaufs. Den meisten Interpretationen fehlt aber leider der Biss, zudem verwaschen einzelne Songs das Konzept: Die Single „Since I Don’t Have You“, ein Doo-Wop-Schmachtfetzen aus den Fünfzigern, ist charmant, aber nicht unbedingt edgy. Anders als der Hidden Track: „Look At Your Game, Girl“ stammt aus der Feder von Charles Manson, bekannt als Mörder, weniger bekannt als Musiker. Für einen kleinen Skandal reicht’s immerhin, für eine gelungene Platte nicht.

Zweieinhalb Sterne

DER GRABSTEIN

Chinese Democracy (2008)

In der zweiten Hälfte der Neunziger ekelt Rose alle anderen aus der Band und verschanzt sich mit wechselnden Musikern im Studio. Jahrelang ziehen sich die Aufnahmesessions hin, der Titel der angekündigten Platte wird zum neuen „Warten auf Godot“: CHINESE DEMOCRACY. Als die Platte 2008 erscheint, ist es viel zu spät. Die in Richtung Nine Inch Nails schielende Produktion ist längst nicht mehr modern, die Songs wurden zu Tode optimiert. Es ist der Sound der Verzweiflung. Heerscharen von Hired Guns (u.a. Buckethead) sollen Slash vergessen machen – vergeblich. Die Bilanz: drei Millionen verkaufte Platten bei 14 Mio. Dollar Kosten. Ein teurer Grabstein für die Karriere von GN’R. Seitdem touren sie als Legacy Act – immerhin wieder mit Slash und Duff, aber ohne kreative Zukunft.

Ein Stern

GUNS OHNE ROSE

Das Ganze war bei GN’R größer als die Summe seiner Teile – das zeigen die Soloprojekte. Stradlin legte 1992 mit JU JU HOUNDS (anderthalb Sterne) enttäuschend vor: „Shuffle It All“ könnte man sich als ILLUSION-Song vorstellen, der Rest ist erschütternd langweilig. Auf späteren Alben kann er seinem Ruf als heimliches Mastermind der Gunners ebenfalls nicht gerecht werden. Auch Slash zeigt auf vielen Platten (u.a. mit Myles Kennedy), dass er als Songwriter kein ganzes Album tragen kann. Seine ORGY OF THE DAMNED (drei Sterne) ist noch am hörenswertesten. U.a. Brian Johnson und Chris Robinson singen hier gute abgehangene Blues-Nummern, Slash konzentriert sich auf das, was er kann: Gitarre spielen.

Duff McKagan hat in Punkbands begonnen und sich als Singer/Songwriter neuentdeckt. GN’R-Fans können mit seinem Solodebüt BELIEVE IN ME (zweieinhalb Sterne) vermutlich am meisten anfangen. Neben Jeff Beck und Lenny Kravitz ist die halbe Mannschaft von ILLUSION vertreten, ähnlich wie auf PAWNSHOP GUITARS drei Sterne) von Gilby Clarke. Beim Stones-Cover „Dead Flowers“ gibt sich sogar Axl die Ehre.

Slash, Duff und Sorum suchten sich für Velvet Revolver einen neuen Sänger: Ex-Stone-Temple-Pilot Scott Weiland. Die Starpower führte CONTRABAND (zweieinhalb Sterne) an die Spitze der Charts, die Songs hielten aber nicht, was die Besetzung versprach. Ende nach zwei Platten. Die bessere, weniger bekannte GN’R-Supergroup: NEUROTIC OUTSIDERS (drei Sterne), wo Duff und Sorum mit John Taylor (Duran Duran) und Steve Jones (Sex Pistols) gemeinsame Sache machen.