„Gorof (Elixir)“ von Dur-Dur Band ist TikTok-Trend: Was ist da los?
Was macht eine somalische Band aus den 80ern in den aktuellen TikTok-Trends? Wir sind dem nachgegangen
Wenn sich ein Song auf TikTok durchsetzt, dann so richtig. Dann wird er massenhaft für Tänze und Videos aller Arten verwendet. Beispiele dafür gibt es zuhauf: Stücke wie „Makeba“ von Jain, „What You Know Bout Love“ von Pop Smoke oder auch „Pedro“ von Jaxomy gingen dort viral und eroberten anschließend die Charts. Weil die Tracks dann eben auch außerhalb der Plattform früher oder später zum Hit-Phänomen avancieren. Weil sie nicht mehr an Ort und Zeit oder irgendwas gebunden sind. Wir wollen den Durchbrüchen von TikTok auf den Grund gehen.
Wie jetzt „Gorof (Elixir)“ – der Track von der Dur-Dur Band mit Sahra Dawo, der zum Hit auf TikTok geworden ist. Doch was macht ein Song einer somalischen Band aus den 80ern in den TikTok-Trends? Alles, was es zu dem Track zu wissen gibt, erfahrt ihr hier.
„Gorof (Elixir)“ von Dur-Dur Band ist unter den populärsten Sounds auf TikTok in Deutschland
Wir lassen Fakten sprechen: Der Afrofunk-Song „Gorof (Elixir)“ der Dur-Dur Band hat es auf Platz 1 der populärsten TikTok-Sounds der letzten sieben Tage in Deutschland geschafft.
Und das, obwohl der Song bereits 2017 auf dem Kompilationsalbum SWEET AS BROKEN DATES: LOST SOMALI TAPES FROM THE HORN OF AFRICA erschien. Jetzt hat er einen neuen Hype …
Wer hört „Gorof (Elixir)“? Beliebteste Länder und Altersgruppen im Überblick
Laut der Statistiken des TikTok Creative Center stammen alle Nutzer:innen des Songs auf TikTok in Deutschland aus der Altersgruppe von 18 bis 24 Jahren. Hier trendet der Song seit dem 31. August. Besonders beliebt ist „Gorof (Elixir)“ in Litauen und Finnland, gefolgt von Polen, Irland und den USA. In diesen Ländern begann der Trend schon etwas früher. Der Song wurde seitdem in über 25.000 TikToks verwendet.
Viral geht der Sound wohl vor allem in der Gestaltung von „rare aesthetic“-Videos: Nutzer:innen zeigen Bilder und Videos von Themen, die sie als selten und ästhetisch wahrnehmen – ironisch oder unironisch, fiktiv oder real. Unter dem Motto sammeln sich Videos von Eindrücken aus der Kindheit, von Autofahrten oder aus Buchläden. Sie stehen für eine kollektive Nostalgie – begleitet vom leichtfüßigen, aber bittersüßen Sound der Dur-Dur Band.
Zu dem Song „Gorof (Elixir)“ auf YouTube haben viele Nutzer:innen aus den vergangenen Tagen wohl über TikTok gefunden. Dort kommentieren einige ironisch mit Bemerkungen wie „Rare aesthetic: somali songs finally trending on tiktok“, „Rare aesthetic: finding a song on tiktok then checking it on youtube“ oder „Rare asthetic: you like the damn song“.
Hier in den TikTok-Hit „Gorof (Elixir)“ reinhören:
Wer ist die Dur-Dur Band?
Die Dur-Dur Band war eine Musikgruppe aus Mogadischu, Somalia. Sie wurde in den 1980er Jahren gegründet und war zu dieser Zeit eine der bekanntesten Gruppen der Disco-Szene in Mogadischu. Ihr einzigartiger Sound umfasst Funk und Disco mit Einflüssen aus dem Soul. Sahra Dawo war ihre Frontsängerin. Sie ist noch als Solo-Künstlerin tätig.
Heute haben sich einige der Originalmitglieder der Dur-Dur Band in der Dur-Dur Band International regruppiert. Sie spielen auch heute noch internationale Auftritte.
Anführer:innen einer bunten somalischen Kulturszene
Die Dur-Dur Band trug zu einer Welle kultureller Fülle und künstlerischer Produktion in Somalia bei, die das Land im politischen Umbruch aus der Kunst und Kultur am Horn von Afrika herausstechen ließ. Tausende von Aufnahmen, die im Somali National Theatre, bei Radio Mogadishu und in anderen Studios entstanden, wurden durch die Nachtclubs im Hotel Juba, im Jazeera Palace Hotel und im Hotel al-Curuuba ergänzt und schufen so eine blühende Musikszene.
Dur-Dur Band eroberte die somalische Popkultur im Sturm und war auch in den Nachbarländern Äthiopien, Dschibuti und Kenia sehr beliebt, bis in Somalia der Bürgerkrieg ausbrach.
Die Band zerfiel im somalischen Bürgerkrieg
In den 90ern zerfiel die Band, als ihre Mitglieder auf der Flucht vor Krieg und Gewalt nach Äthiopien, Dschibuti oder in die Vereinigten Staaten auswanderten. Zu dieser Zeit flohen viele somalische Musiker:innen aus ihrem Land, um außerhalb Somalias Zuflucht zu suchen, hauptsächlich in Ostafrika und Europa. Viele von denen, die blieben, wurden von religiösen Gruppierungen wegen ihrer Liebe zur Musik, Kunst und Kultur hingerichtet oder getötet.
Eine Platte mit filmreifer Geschichte
Die 2017 veröffentlichten Songs auf SWEET AS BROKEN DATES: LOST SOMALI TAPES FROM THE HORN OF AFRICA stammen größtenteils von Kassetten, die jahrzehntelang versteckt waren. Sie erinnern an das „swingende Somalia“ der 1970er und 80er Jahre, bevor das Land vom Bürgerkrieg zerrissen wurde.
Die Entstehungsgeschichte der Compilation kann sich sehen lassen. Man schreibt das Jahr 1988. Am Vorabend eines zwei Jahrzehnte andauernden Bürgerkriegs startete Somalias autoritärer Machthaber Siad Barre als Reaktion auf Unabhängigkeitsbestrebungen massive Luftangriffe auf den Norden des Landes, der heute als Somaliland bekannt ist. Die Bombardierung zerstörte die gesamte Stadt. Barre nahm auch das Radio Hargeisa ins Visier, um jegliche Art von zentralem Kommunikationssystem zu verhindern, das einen Widerstand organisieren könnte.
Angesichts des bevorstehenden Angriffs wussten einige mutige Radiobetreiber und engagierte Vorreiter der somalischen Kultur, dass die Archive, die über ein halbes Jahrhundert somalischer Musik enthielten, erhalten bleiben mussten. Tausende und Abertausende von Kassetten und Masterbändern wurden schnell aus den Gebäuden entfernt, die bald zum Ziel werden sollten. So beschreibt es der Klappentext der CD. Diese Kassetten wurden in Nachbarländer wie Dschibuti und Äthiopien gebracht und tief unter der Erde vergraben, um selbst den stärksten Luftangriffen standzuhalten.
Verschollene Songs
Diese Audio-Artefakte wurden der CD-Beschreibung zufolge erst vor kurzem aus ihren ausländischen Verstecken ausgegraben und zurückgeholt. Einige dieser Aufnahmen werden nun sicher im 10.000 Kassetten umfassenden Archiv der Red Sea Foundation aufbewahrt, der weltweit größten Sammlung somalischer Kassetten in der Hauptstadt Somalilands, Hargeisa. Diese Musik auf der Platte wurde zuvor nie für den Massenmarkt veröffentlicht. Fast das gesamte aufgezeichnete Material stammt von Original-Masterbändern oder selbstgemachten Aufnahmen von Radiosendungen. Daher wurde das meiste davon außerhalb Somalias und der unmittelbaren Region vor 2017 nie gehört.



