Fleetwood Mac: Die wichtigsten Alben im Ranking
Welche Platten der Band braucht man auf jeden Fall und von welchen sollte man lieber die Finger lassen? Hier gibt's die Infos.
Wechselnde Erfolge, wechselnde Besetzungen, Dramen, Höhenflüge, Abstürze: Aus dieser Karriere könnte man eine Fernsehserie machen. 1967 starten Fleetwood Mac als von Peter Green angeführte, klassische Blues-Band britischer Bauart. Rasch wechseln sie zu einer umfassenderen Leseart des Rock’n’Roll, um Mitte der 70er-Jahre schließlich zu einer der größten Bands der Welt zu werden.
WAS MAN BRAUCHT
Fleetwood Mac (1975)
Das zehnte Album von Fleetwood Mac soll das erste sein, das wirklich essenziell ist? Der lieben Ordnung halber: Wenn man sich für Sixties-Bluesrock britischer Bauart interessiert, ist sicher auch PETER GREEN’S FLEETWOOD MAC (1968) eine sehr gute Platte. Und über den Weg von dort bis hier, bis ins Jahr 1975, sollte man alles lesen, was man in die Finger bekommt. Aber dieses Album, das nicht ohne Grund einen Titel trägt, als wäre es ein Debüt, ist nun mal das erste Meisterwerk. Die Band, noch recht frisch in den USA, hat den wichtigsten Personalwechsel ihrer Laufbahn hinter sich (und die ist nicht arm an Personalwechseln): Bob Welch hat im Dezember 1974 Fleetwood Mac verlassen. Den Gitarristen, den der Gruppe ihr Produzent Keith Olsen empfiehlt, gibt es nur im Doppelpack: Lindsey Buckingham holt seine Freundin (und musikalische Partnerin) Stevie Nicks mit ins Boot. Die singt mit „Rhiannon“ den besten Song des Albums, Buckingham steuert ebenfalls einige Höhepunkte bei. Die Stücke der Neuen verschmelzen nahtlos mit denen von Christine McVie, in „World Turning“, einer Hommage an Peter Green, findet alles zusammen. Aus der britischen Band ist eine geworden, die keinesfalls amerikanisch klingt, wohl aber kalifornisch.
Fünfeinhalb Sterne
Rumours (1977)
Das Opus Magnum, vielleicht nicht die beste, aber die größte Platte der 70er-Jahre. 40 Millionen Käufer, zehn Millionen davon im ersten Monat nach seiner Veröffentlichung, können nicht nur nicht irren, sondern werden auf diesem Album Zeuge emotionaler Bombenkrater. Die McVies? Geschieden! Buckingham und Nicks? In der Krise. Die stattlichen Mengen an Kokain, die während der Aufnahmen wegschnabuliert wurden, werden bei derlei Problemen nicht unbedingt weitergeholfen haben, der Musik gaben sie indes jenen Größenwahn mit, der die Platte bis heute ausmacht. Egal, ob die flotteren Buckingham-Titel wie „Second Hand News“ und „Go Your Own Way“ oder majestätisches Klaviermaterial wie „Songbird“, egal ob ein arschcooler Schleicher wie „Dreams“ oder eine immerjunge Ermächtigungshymne wie „Don’t Stop“ , die noch 15 Jahre später als Wahlkampfhymne des späteren US-Präsidenten Bill Clinton eine adäquate Verwendung fand: An diesem Album stimmt alles. Und da haben wir über „The Chain“ , diesen als einzigen Song des Albums gemeinschaftlich verfassten Gewaltakt, aus dem man all die Beziehungsprobleme der Band herauslesen kann, noch gar nicht gesprochen.
Sechs Sterne
Tusk (1979)
Dieses Doppelalbum, so schrieb der „Rolling Stone“ seinerzeit, vertreibe die 70er-Jahre „mit einem langen, melancholischen Seufzer“. Das Magazin zog Parallelen zum Weißen Album der Beatles, wenngleich diese Aussage mit verschiedensten „abers“ abgepolstert wurde. In der Tat ist Stringenz keine der Eigenschaften, die man diesem Album zusprechen darf. Dafür kommt es aber mit einer immens beeindruckenden Ideenvielfalt. Wo der Opener, Christine McVies „Over & Over“ noch den Weg der vorangegangenen Alben antäuscht, bewegt sich vor allem Lindsey Buckingham auf den folgenden vier Seiten freudvoll durch eine Vielzahl an Ideen. Er spielt in Songs wie „The Ledge“ fast kratzbürstigen, durchaus am Punk geschulten Rock’n’Roll und im Titeltrack mit einer 120-köpfigen Marching Band und erfindet mit „Save Me A Place“ so ganz nebenbei den Antifolk. Über eine Million Dollar verschlangen die Aufnahmen, seinerzeit war das unerhört. Wo all das Geld hinging? Unklar. Ob es das wert war? Unbedingt.
Sechs Sterne
Mirage (1982)
Der Nebel von TUSK ist verschwunden, stattdessen nehmen Lindsey Buckingham und die Seinen ihren RUMOURS-Sound und federn ihn mit allen Produktionsmitteln ab, die die 80er-Jahre zu bieten haben. Bisweilen wird dem Album eine gewisse Blutleere nachgelegt, man mag seine Nase auch hinsichtlich der Lyrics rümpfen. Aber Leute, das ist nicht die Band! Das ist die Dekade. Und aus der lassen sich nur wenige Songs finden, die Laurel-Canyon-Spuren und AOR-Rock besser in die neue Zeit überführen als „That’s Alright“ oder „Wish You Were Here“.
Fünfeinhalb Sterne
WAS NICHT SCHADET
Then Play On (1969)
Die Percussion im Opener „Coming Your Way“ zeigt in die richtige Richtung: Fleetwood Mac klingen das erste Mal – nun, vielleicht nicht das erste Mal gut, aber das erste Mal eigen. Mit ihrem dritten Album verlassen sie den Blues der ersten zwei Alben noch nicht, fügen ihm aber alle Spielarten der Rockmusik hinzu, die die Zeit bot. Gitarrist Danny Kirwan ist vielleicht die Figur, die dieses Album am meisten prägt; die beiden Höhepunkte des Albums: das weiche „When You Say“ und der den Blues eben nicht nachspielende, sondern nur als Sprungbrett nutzende „Rattlesnake Shake“. Peter Green verließ Fleetwood Mac nach diesem Album.
Vier Sterne
Heroes Are Hard To Find (1974)
Das erste in den USA aufgenommene Album der Band – und das erste, das die amerikanischen Charts erreicht. Die Veränderungen im Sound, die die Alben zuvor charakterisierten, scheinen ab geschlossen; noch weiß die Welt ja nicht, dass Bob Welch die Gruppe verlassen wird. Der Seventies-Rock, der das Album prägt, wirkt bisweilen generisch, manchmal zerfasert er total. Aber auf ganzer Länge finden sich Perlen wie das fein rhythmisierte „Born Enchanter“ mit seiner Kuhglocke und den verschiedensten, sich in wilder Ordnung kreuzenden Tasten, die Folkrock-Nummer „She’s Changing Me“ oder das angemessen rockende „Silver Heels“ .
Vier Sterne
Tango In The Night (1987)
Nach den Aufnahmen geht Lindsey Buckingham. Von ihm stammen sieben Songs des Albums, sie sind gut, aber es sind nicht einmal die besten. Diese Position darf einmal eine von Sandy Stewart (und angeblich nur ein bisschen von Stevie Nicks) geschriebene Nummer für sich in Anspruch nehmen: „Seven Wonders“ zeigt Nicks als gereifte Sängerin, die Stimme schnoddrig, angeraut, aber mit einem Selbstvertrauen, das die Zeilen „I’ll never live to match the beauty again“ interessant ambivalent erscheinen lässt – zumal das folgende „Everywhere“ von Christine McVie ziemlich genau die gegenteilige Stimmung verströmt.
Viereinhalb Sterne
Behind The Mask (1990)
Lindsey Buckingham wird durch gleich zwei Musiker ersetzt. Billy Burnette und Rick Vito füllen die Lücke routiniert auf. Das Ergebnis ist trotzdem Musik, die erstmals seit 15 Jahren Abnutzungserscheinungen zeigt. Egal, ob es um schlanke Adult-Contemporary-Rock-Nummern wie „Skies The Limit“ oder scheinbar markige Rocker wie „Stand On The Rock“ geht: Kratzt man hier die natürlich luxuriöse Produktion ab, wird’s doch ein bisschen dünne. Über die Zielgerade retten die Damen das Album: Stevie Nicks’ „Affairs Of The Heart“ ist ein zwischen Synthies und Americana pendelnder Powerpop-Song, der von Christine McVie geschriebene und gesungene Titeltrack ein wunderbar opulentes Stück Studio-Pop.
Dreieinhalb Sterne
FINGER WEG
Kiln House (1970)
Peter Green verlässt nach drei Alben die Band, diese muss sich erst mal orientieren. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu den Fleetwood Mac, die in den 70er-Jahren drei der besten Alben der Dekade aufnehmen werden: Erstmals hören wir hier Christine McVie, die bald zum festen Mitglied aufsteigen wird. Insgesamt gilt: verspielter, aber mäßig gealterter Rock.
Zweieinhalb Sterne
Time (1995)
Auf dem ersten Album nach fünf Jahren schaut Lindsey Buckingham noch einmal vorbei. Mick Fleetwood hören wir in „ These Strange Times“ , dem seelenvollen, aber wenig interessanten Spoken-Word-Ende des Albums. Dazwischen: generischer Rock-Pop, der die Betonung aufs Handgemachte legt.
Drei Sterne
SOLO MAC
18 Bandmitglieder gaben sich bei Fleetwood Mac über die Jahre die Klinkenstecker in die Hand. Entsprechend viele Soloalben gibt es. Vieles davon klingt mit etwas Abstand eher bieder, einige Empfehlungen möchten wir aber aussprechen: Bob Welch veröffentlichte bis 1983 sechs Soloalben. FRENCH KISS (1977, vier Sterne) macht am meisten Freude – alleine wegen Disco-Krachern wie „Ebony Eyes“ und „Hot Love, Cold World“.
Christine McVie ist zweimal zu nennen: zunächst einmal ist da das klare, noch in 60ern verankerte Debütalbum unter ihrem Mädchennamen Christine Perfect (1970, vier Sterne). Das zweite Album CHRISTINE MCVIE (1984, dreieinhalb Sterne)wartet mit interessanten Gästen wie Steve Winwood, Eric Clapton und, Überraschung, Mick Fleetwood und Lindsey Buckingham, auf. Essenziell ist schließlich BUCKINGHAM NICKS (1973, viereinhalb Sterne), das Album, das entstand, bevor die beiden zum Motor von Fleetwood Mac wurden.
Wer die alten Zeiten wiederaufleben lassen möchte: Mit MICK FLEETWOOD & FRIENDS CELEBRATE THE MUSIC OF PETER GREEN AND THE EARLY YEARS OF FLEETWOOD MAC (vier Sterne) erschien unlängst die Live-Verwertung des Londoner All-Star-Konzerts von 2020.



