„Die anderen haben Fun, und man selbst stirbt.“ – Schnipo Schranke bei Rock am Ring
Schnipo Schranke revolutionieren die deutsche Popmusik. Sie haben keine Angst vor Kraftausdrücken und kluger Syntax, und auch nicht davor, übers Bumsen zu singen. Das taten sie in diesem Sommer sogar vor Menschen, die eigentlich Black Sabbath und Volbeat hören: bei Rock am Ring und Rock im Park. Eine Geschichte über das Scheitern, Aufstehen und Weitermachen.
Schnipo Schranke müssen zur Bühne. Wir laufen die schmalen Gänge der Dressing-Rooms entlang, unser Marsch gleicht dem eines Boxers kurz vor dem Kampf, nur mit dem Unterschied, dass wir alle eher an den plattgemachten Loser danach erinnern. Dani ist ganz wacklig auf den Beinen, krallt sich an der billigen Tüte fest, Fritzis Blick ist eiskalt, und wir trotten zusammen mit Ente schweigend nebenher. „Die anderen haben Fun, und man selbst stirbt“, murmelt Dani, als wir an den Nightlinern der wirklich großen Rockbands vorbei laufen und im Hintergrund das epileptisch blinkende Festival-Riesenrad auftaucht. Und Ente: „Das ist Sterben mit Trüffeln auf’m Sarg. Kannste ruhig genau so schreiben!“
Auf halbem Weg wird wahr, wovor wir uns am meisten fürchteten: eine Unwetterwarnung. Der Auftritt ist abgesagt. Am Vortag wurden einige Menschen durch Blitzschläge verletzt, davon haben wir gehört, Veranstalter und Stadtrat sind dementsprechend angespannt. Und vorsichtig. Damit nicht noch mehr passiert, darf für die nächsten fünf Stunden keine einzige Bühne bespielt werden. Die Festival-Besucher sollen in ihren Zelten bleiben, bis das Unwetter vorüber ist. Und wir retten uns vor dem ersten Platzregen erfolgreich in das Artist-Area-Zelt. „Jetzt erst mal Chillo Millo“, grinst Dani zu Fritzi. „Chillo Millo“, so heißt ein Song, den sie bei YouTube gefunden haben. Wer ihn rappt, wissen sie nicht. Und dass sie gerade noch vor Angst zitterten, scheint auch vergessen. Vorerst. Sie sind textsicher: „Chillo Millo. Es ist Zeit zum Chillen. Chillo Millo, nein, ich nehm heut keine Pillen.“ Das Video wurde nur 1 700 Mal geklickt.
Draußen fliegen die Blitze, das Wasser fließt in kleinen Bächen über die wenigen asphaltierten Wege. Auf einem davon, geschützt von einem kleinen Dachvorsprung, steht Yannis Philippakis, Sänger der Foals, mit verschränkten Armen. Er beobachtet das Wetter. Durch die transparenten Wände des Catering-Zelts auf der anderen Seite schaut Ian D’Sa, Gitarrist von Billy Talent, hervor und träumt. Einige Meter weiter steigt Anthony Kiedis aus einem abgedunkelten Bus. Und mittendrin: Schnipo Schranke, die von all den Musikern kaum jemanden jemals zuvor gesehen haben.
Das Unwetter wütet immer wilder. Die Bands werden aufgefordert, in ihren Räumlichkeiten auszuharren. Vor den Türen wachen Security-Männer. Manch einen scheinen die Umstände in den Wahnsinn zu treiben. „What the fuck“, schreit ein Mann mit kräftiger Stimme Dutzende Male. Vielleicht shoutet er sich nur warm, unangenehm ist es trotzdem. Dani und Fritzi müssen pinkeln. Weil das Toilettenhäuschen aber draußen steht, und sie dort nicht hingelassen werden, lassen sie es über dem Papierkorb im Backstage-Raum einfach laufen.




