Das Leben ist ein seltsames Spiel: Connie Francis ist tot
In den 60ern avancierte Connie Francis mit herzzerreißenden Popelegien zum Teenageridol. Nun ist sie mit 87 Jahren gestorben.
Ein Arbeiterviertel in einer Vielvölkerstadt namens Newark: Connie Franconero macht ihre ersten Wimpernschläge am 12. Dezember 1938 im Bundesstaat New Jersey. Amerikanische Lichtstrahlen und italienische Volkslieder schallen durch die Familienwohnung. Wie für viele Kinder ihrer Zeit avanciert der Vater zur prägenden Figur. Als der Dachdecker seinem dreijährigen Mädchen ein Akkordeon schenkt, stellt er erste Weichen für die Karriere seiner Tochter. Ihre frühen Bühnen findet das Mädchen auf Nachbarschaftsfesten, bei Talentwettbewerben und unter Kirchendächern.
In einer Fernsehshow mausert sich Connie Francis zum Starlet – doch nach einigen Jahren folgt die Absetzung von „Startime Kids“. Schließlich möchte sie es wissen mit der Hitparade: Der Vater kratzt etwas Geld für eine Handvoll Demoaufnahmen zusammen, auf seinen Wink kopiert sie den Gesangsstil von Patti Page oder Rosemary Clooney. 1955 unterzeichnet sie schließlich den erste Plattenvertrag: Zehn Singles, neun Flops. Als sie sich bereits mit einer Zukunft als Medizinstudentin anfreundet, steckt noch ein Schuss im Colt: „Who’s Sorry Now“. „Ich hasste den Song so sehr, dass es mir egal war, wie ich klang. Also habe ich einfach gesungen“, sagte sie einmal. Zum allerersten Mal habe sie damals Musik aufgenommen ohne zu versuchen, jemanden zu imitieren. Binnen sechs Monaten verkauft sich das Lied über eine Million Mal.
Danach avanciert Connie Francis mit herzzerreißenden Popelegien zum Teenageridol: „Stupid Cupid“, „Everybody’s Somebody’s Fool“, „Where the Boys Are“. Sie besingt pubertäre Stürme und Dränge in einer Ära vermeintlicher Unschuld. Ihre Stücke aber können auch als emanzipatorische Vorahnung gelesen werden auf das, was die Sechziger bereithielten. Unter anmutig orchestrierten Balladen jedenfalls brodelte es vor unerfüllter Sehnsucht oder bittersüßer Genugtuung. Die Stimme tröstet, klagt, träumt – durchdrungen von Liebe und Leiden.
Viele ihrer Titel nahm sie in verschiedensten Sprachen auf: irisch, italienisch, jiddisch. Das ewig zeitlose Melodram „Die Liebe ist ein seltsames Spiel“ und das hinreißend stimmungsliftende Schlagerstück „Schöner Fremder Mann“ machten sie auch hierzulande zum Star. Mit dem Aufstieg der Beatles schließlich verschwand Connie Francis aus den Charts.
Ihr Leben danach prägten Schicksalsschläge: 1974 wurde sie in einem Motelzimmer überfallen, vergewaltigt und beinahe erstickt – den Täter hat man bis heute nicht gefasst. Von dem Motel erstritt sie 2,5 Millionen Dollar Schadenersatz, eine Entschädigungssumme von damals unvorstellbarer Höhe. Nach einer fehlgeschlagenen Schönheitsoperation an ihrer Nase verlor sie schließlich ihre Stimme und kämpfte sich binnen mehrerer Jahre zurück ans Mikrofon. Fortan begleiteten sie Angststörungen und Selbstmordgedanken. Heute hätte man wohl eine posttraumatischen Belastungsstörung diagnostiziert und keine manische Depression.
Erst vor wenigen Wochen reüssierte ihr bis dahin jahrzehntelang weitgehend unbeachteter Song „Pretty Little Baby“ als weltweiter TikTok-Hit. Zunächst habe sie kein Wort verstanden, als sie von dem Internetphänomen erfuhr: „Ich dachte, mein Computer hat einen Virus oder so.“ Dann freute sie sich sehr über ihre Wiederentdeckung. Die Popularität der einstigen B-Seite erklärte sie sich mit ihrer Unbekümmertheit inmitten dieser chaotischen Zeiten.
Sie habe berauschende Gipfel und abgrundtiefe Täler gesehen, sagte Connie Francis einmal. „Ich möchte nicht wegen der von mir erreichten Höhen in Erinnerung bleiben – sondern wegen der Tiefen, aus denen ich mich wieder hochgearbeitet habe.“



