Britpop’s coming home: So war es bei Oasis in Manchester
Eine Stimmung, als hätte England die Fußball-WM gewonnen. Man kann die Masseneuphorie beim Homecoming-Gig der Gallaghers kaum überleben.
Der Blick auf die Wetter-App am Morgen pustet auch noch die letzten Bedenken weg: Tatsächlich kein Rain (wie die Vorgängerband von Oasis hieß), noch nicht mal ein Wölkchen am Himmel, nur sunshiiiyyyiiine, zu dessen Vertonung Oasis einst angetreten waren. Während es in Berlin seit Tagen dauerschüttet, begehen die Mancunians einen der heißesten Tage des Jahres. Jetzt kann nichts mehr schiefgehen. Seit den beiden Shows in Cardiff am vergangenen Wochenende war klar: Alle Hits kommen. Bei Oasis heißt das: Fast alle Songs aus den ersten beiden Alben. Denn von denen ist jeder größer als einer der fünf Nr.1-Hits ab 1997, die hier allesamt ausgespart werden. Bitte – welche Band kommt überhaupt auf fünf Nr.-Hits? Aber selbst Albumtracks wie „Bring It On Down“ und „Hello“, B-Seiten der Ära wie „Talk Tonight“ und natürlich „The Masterplan“ knallen sogar einzeln sämtliche „Lyla“s, „Go Let It Out“s und „The Hindu Times“ weg. 23 Songs werden sie spielen, nur drei davon wurden nach 1995 aufgenommen. Kein Raum auch für die teilweise fantastischen Nummern der Solokarrieren der Gallaghers. Oasis haben viel mehr schlechte als gute Musik veröffentlicht. Aber die gute ist so überragend gut und offenkundig bedeutsam, dass man sie zum Vergleich nur auf ein Level mit den ewigen Vorbildern der Band, The Beatles aus dem keine 60 Kilometer entfernten Liverpool, stellen kann.
Eine Stadt im Rock’n’Roll-Rausch

Die längst zu Volksliedern mutierten Britpop-Klassiker der Gruppe – auffallend viele davon mit „Away“: „Fade Away“, „Half The World Away“, „Slide Away“ – bilden seit Tagen ein permanentes Hintergrundrauschen in Manchester, die Konterfeis von Liam und Noel Gallagher sind allgegenwärtig. Aus jedem Pub, jeder Boombox, jedem Späti, jedem heruntergekurbelten Autofenster dröhnen Oasis. Die Stadt klingt wie ein einziger, nie endender Britpop-Sampler, den man nur mit einer Band bestücken musste. Die jüngst ebenfalls wiedergekehrten Pulp halten sich mit ihrem sensationellen neuen Album weiterhin in den britischen Top 40, aber Manchester gibt sich ausschließlich den Flashbax von Oasis hin. Die Haltestellen der Straßenbahnen Richtung Austragungsstätte Heaton Park werden zwar von Liams Stimme angesagt („The next stop is…. Heaton Parrrk. Off you go“) sind aber so hemmungslos überfüllt, dass wir uns für einen gut ausgeschilderten Wanderweg zur Location ab dem Bahnhof Victoria Station entscheiden.

Deswegen sind wir doch hier. Um das zu erleben, wie sich eine Stadt auf die Rückkehr ihrer geliebten Könige freut. Man kommt sich vor wie auf einer Pilgerfahrt. Statt Wanderstöcken halten sich die Zehntausenden unter ihren Bucket-Hats und in ihren Fred-Perry-Shirts an ihren Dosenbieren fest. Überall Adidas-Streifen.

Die Stimmung ist elektrisiert. Die Fans überbieten sich gegenseitig mit Anekdoten: „ICH war bei Knebworth! Aber ich kann nicht von mir behaupten, mich erinnern zu können. Der Suff meines Lebens“, sagt ein mittelalter Herr mit Jogi-Löw-Pilzkopf. „Ich hab’ meinen Sohn dabei – der ist heute älter als ich damals“, spricht ein Thomas aus Wigan und haut seinem Junior stolz auf die Schulter. „Ich finde das klasse, dass sie einer jungen Generation die Chance geben, sie endlich live zu erleben. Ich war auf so vielen Oasis-Gigs damals; ich muss sie nicht unbedingt noch mal sehen – aber mit meinem eigenen Kind? That’s priceless!“ Ein vom schnell erhitzten Bier bereits sichtlich Mitgenommener presst durch seine Austin-Powers-artigen British Teeth: „Ich hab’ sie 1996 in Maine Road gesehen, das hat mein Leben verändert. Die Leute können sagen, was sie wollen. Natürlich sind die Ticketpreise geisteskrank, aber das ist doch nicht die Schuld der Brüder. Außerdem wird eh alles teurer! Wenn ich schon mein Geld verprasse, dann für meine Helden! Diese Nacht wird biblical. Jeden Penny wert. BIBLICAL“, prophezeit er und nutzt dabei eins von Liam Gallaghers Lieblingsadjektiven. Wir erreichen den Park: Familien, die Picknick machen, Teenager-Gruppen, die auf dem Rasen „Wonderwall“ johlen. Ein Konzert als generationsübergreifende Kirmes. Es kann nichts mehr schiefgehen.
Bier statt Melatonin

Bevor der Mythos seinen Lauf nimmt, gibt’s erst einmal ein Support-Programm, das so erwartbar ist wie (eigentlich) Regen im britischen Juli: Cast und Richard Ashcroft Wie progressiv waren dagegen manche der Vorbands bei Oasis’ legendären Knebworth-Shows 1996? Dreadzone, The Chemical Brothers UND The Prodigy, sowie als Geniestreich ihres Größenwahns: Die Tribute-Band The Bootleg Beatles. Aber der Regen bleibt ebenso aus wie Langeweile. Angesichts der knappen Setlists auch kein Wunder: Cast bestreiten ihre Show zu drei Fünfteln aus Songs aus ihrem bekanntesten Album ALL CHANGE, dazu einer One-off-Single aus der gleichen Zeit; Ashcroft bedient sich zu fünf Achteln seines Materials am Bestseller seiner Ex-Band The Verve, URBAN HYMNS. Alle Künstler des Abends verstehen sich als Acts des Volks – give the people what they want. Und die wollen in diesem schwierigen Jahrhundert nach dem Brexit, nach zahllosen Terroranschlägen, einer Pandemie, während blutiger Kriege und einem unberechenbaren Wahnsinnigen als mächtigsten Menschen der Welt, einfach nur mal: ihre Ruhe. Im Sinne von Lautstärke. Heute Nacht gibt’s Bier statt Melatonin. Statt Beruhigungstabletten heißt es: Give me gin and tonic! Tonight sind wir Rock’n’Roll Stars. Und die gerade eben noch abgehalfterten Typen auf der Bühne sind es auch.
Lucky Men and Women, Eltern und Kinder
Cast und Ashcroft gelten Oasis-Fans mehr als nur Vorbands – sie sind Weggefährten, fast schon Familienmitglieder im Britpop-Stammbaum. Cast, die Liverpooler Melodien-Großmeister, standen schon 1996 in Knebworth neben Kula Shaker und den Manic Street Preachers als Anheizer auf der Bühne, als Oasis vor insgesamt 250.000 Leuten die größten Open-Air-Konzerte der britischen Geschichte bis dato gaben und endgültig zu Göttern der 90er avancierten. Richard Ashcroft wiederum ist quasi der ewige Zaungast im Gallagher’schen Universum. 1993, ein Jahr vor ihrem Durchbruch mit ihrer Debütplatte DEFINITELY MAYBE hatten Oasis noch The Verve supportet. Diese frühen gemeinsamen Auftritte legten den Grundstein für die langjährige Freundschaft und gegenseitige Wertschätzung zwischen den beiden Lagern. 1997 dann hatte sich das Verhältnis umgedreht. The Verve spielten als Vorband von Oasis im Londoner Earls Court drei der besucherstärksten Indoor-Konzerte der europäischen Geschichte. Ashcroft geht auf Nummer sicher: „Sonnet“, „Lucky Man“, „The Drugs Don’t Work“, „Bitter Sweet Symphony“ – alles mit der lässigen Grandezza eines Mannes, der weiß, dass er zum Inventar gehört. „You’re a slave to money“, singen die Massen und fühlen sich beim Blick auf die Verkaufsstände bestätigt: Poster? 40 Pfund (umgerechnet ca. 46,50 Euro). Pulli? 70 Pfund. Trikot? 85 Pfund. Für Familien wie die von Dave, der sich zunächst noch kopfschüttelnd von den Angebotstischen abwendet, nach einem Scheißegal-Bier aber zurückkehrt, wird’s teuer. „Ah, fookin’ hell“, sagt er und zückt die Karte.

Oasis lassen sich hier als Band der „Common People“ feiern, aber die Preise riechen schon eher nach Stones als nach Subkultur. My Big Mouth meets My Big Business. Alles miteingerechnet wird davon ausgegangen, dass Fans während der Tour eine Milliarde Pfund ausgeben werden.
Darauf hat die Welt gewartet

Doch mit dem ersten Beat von „Fuckin’ In The Bushes“ verschwinden die Bedenken. Das Instrumental hämmert als Einzugs-Musik vom Band durch die Boxen – der klassische Startschuss, der seit 25 Jahren für Gänsehaut sorgt. Der Warm-up ist vorbei. Jetzt kommt das, worauf alle gewartet haben. What the world is waiting for, um es mit der Oasis-Blaupause der Stone Roses zu sagen. Die Gallaghers, wieder vereint, marschieren auf die Bühne. Die Menge explodiert, Manchester steht Kopf, einer Stadt explodiert der Kopf. Liam Gallagher, im klassischen, angesichts der brütenden Temperaturen aber absurden Parka, mit Kurzhaarschnitt wie zu BE HERE NOW-Zeiten, reckt die Arme siegessicher in die Luft, packt links seinen Big Brother Noel im vernünftig gewählten Polohemd. Gallagher, der Jüngere, kann sein Glück nach all den, dazu sogar grotesk erfolgreichen, Solojahren, die er jederzeit für eine Reunion mit Noel beendet hätte, innerlich vielleicht noch nicht ganz fassen, hält es nach außen hin daher ganz fest. Neben ihnen Paul „Bonehead“ Arthurs, Rhythmusgitarrist der Urbesetzung, der diesen ganzen Zirkus angeblich überhaupt erst losgetreten hat – und als einziger Nicht-Gallagher Szenenapplaus erhält –, sein Nachfolger Gem Archer als insgesamt dritter Gitarrist im Line-up und Ride-Legende Any Bell am Bass (der überraschenderweise so gut wie nie auf den Videowänden eingeblendet wird); das dynamische Duo, das 2000 angetreten war, um die aus eigenen Stücken kurz nacheinander ausgestiegenen Bonehead, resp. Paul „Guigsy“ McGuigan zu ersetzen. Am Schlagzeug: Joey Waronker, Indie-Veteran (R.E.M., Beck, zuletzt am Schlagzeug beim gemeinsamen Projekt von Liam Gallagher und John Squire) ausgesprochen versiert, druckvoll wie keiner seiner Vorgänger, wirkt er manchmal aber wie ein Flat White im Working-Class-Pub. Er ist fast zu gut. Technisch gesehen wohl der beste Live-Schlagzeuger, den die Band je hatte. Seine Power und Präzision entspannen die Augenbrauen, die zunächst noch hochgegangen waren als sein Job in der Band an die Öffentlichkeit drang. Und dennoch fragt man sich, warum man bei diesem Ära-überspannenden Ensemble auf ein neues Gesicht gesetzt hat. Originaldrummer Tony MacCarroll wurde gefeuert, weil er laut Noel mit den komplexeren Stücken ab 1995 nicht mehr mithalten hätte können; auf dessen Rückkehr hatte also niemand gewettet. Aber what’s eigentlich the story bei Langzeit-Drummer Alan White? Was hat der eigentlich verbrochen? Und hätte man Interims-Mann Zak Starkey nach seinem schlagzeilenträchtigen Rauswurf bei The Who nicht ein Trostpflaster gönnen können? Last, but not least in der Reihe der Spinal-Tap-artig verschlissenen Drummer: Chris Sharrock, der von 2008 bis 2009 im Live-Personal der Band war, sich danach Liams Beady Eye anschloss, um nun bis vor Kurzem für Noel Gallagher’s High Flying Birds zu trommeln. Gut, der hat auf Noels „Council Skies“-Tour ein paar Einsätze versemmelt. Das mag für Noel schon Grund genug sein, jemandem die Tür zu zeigen. Schließlich hält er generell wenig von Schlagzeugern, bezeichnete sie in einem 90er-Interview als „stinkende, nutzlose, talentlose Verlierer“ und verglich sie mit Oran-Gutans. Aber man weiß es (noch) nicht genau. Seit der spektakulären Ankündigung des Oasis-Comebacks Ende August 2024 gab es keine Interviews der ansonsten so redseligen Brüder. Also: Let the music do the talking. Und zwar right here, right now. Endlich. The great wait is over.
Die Wiederherstellung von 1995
„This is the fuckin’ place, this is the place“, verkündet Noel ins Mikro und Liam stimmt ein: „Oasis vibes in the are, Manchester vibes in the area!“ Band und Stadt verschmelzen, Vergangenheit und Gegenwart, Eltern mit Facebook- und Kids mit TikTok-Account. Ein brüllend lautes „Weißt du noch?“ Yes, we do. Die Setlist beginnt programmatisch mit „Hello“, wobei die Gallaghers trotz aller vorab in den Sozialen Medien geäußerter Skepsis, die von Gary Glitter entliehenen Zeilen „Hello, hello, it’s good to be back“ tatsächlich singen. Es geht einfach um die möglichst detailgetreue Wiederherstellung von 1995. Und damals war Glitter noch nicht als Kinderschänder verurteilt. Well. Was will man sagen gegen 80.000 Leute hinter Retro-Sonnenbrillen, die mitgrölen, als gäbe es Freibier für Textsicherheit? Da sind Zweifel erst mal unangebracht. Als Nächstes „Acquiesce“, die Brüderschafts-Hymne, die zwar keine sein soll, aber nun mal als solche verstanden wird – und wer diesen Song nach 16 Jahren Geschwisterstreit so früh aufs Programm packt, weiß auch, welche Message er damit sendet: „Because we need each other / We believe in one another“. Vor einer hochhaushohen Wall of Sound strebt Noels Stimme Richtung Melancholie und Wehmut, während der angriffslustige Liam vielleicht mehr denn je klingt wie „ein Mann mit einer Gabel in einer Welt voller Löffel“, als den ihn Noel einst bezeichnet hatte.
Danach der (fast-)Titeltrack des Albums, das Oasis zum Jahreswechsel 1995/’96 zur größten Band der Welt machte: „Morning Glory“, sowie ihr erster Nr.-Hit, „Some Might Say“. Was für eine Machtdemonstration. Dazu kaum Zugeständnisse ans Spätwerk. Aus dem monumentalen 1997er-Flop BE HERE NOW werden nur die ersten beiden Singles destilliert, „D’You Now What I Mean?“ (Nein, Noel, tun wir auch 28 Jahre später nicht – und du, sei ehrlich, auch nicht. Aber das macht nichts. Größenwahn zum Selbstzweck), sowie das neben Bowies „All The Young Dudes“ stehende „Stand By Me“, zu dem man einander ja prima in die Arme fallen kann. Die zähen Jahre ab STANDING ON THE SHOULDER OF GIANTS, in denen Oasis gegenüber neuer, stylisher Rockbands wie The Strokes plötzlich ganz schön alt aussahen – und gegenüber neuer, selbstzerstörerischer Rockbands wie The Libertines ganz schön zahm? Als hätte es sie nie gegeben. Als hätten sich Oasis 1998 aufgelöst.
Dicke Hose auf dünnem Eis
Als einziger Beweis ihrer Existenz im 21. Jahrhundert – neben Archer, Bell und dem instrumentalen Intro von 2000 – schafft es „Little By Little“ ins Set, eine annehmbare Single aus dem schwächsten Album der Band, HEATHEN CHEMISTRY, die live aber aufgrund ihres Singalong-Refrains immer schon ihre Existenzberechtigung hatte. Sie reiht sich gut ein in die schwindelerregend vielen Klassiker: vom besten Oasis-Song, laut Noel, ihrer ersten Single „Supersonic“, mit seinem Mission Statement „Can I ride with you in your BMW? / You can sail with me in my yellow submarine“, über die Underdog-Hymne „Cigarettes & Alcohol“, und „Roll With It“, mit dem sie die Battle of Britpop gegen Blur verloren und hin zu „Wonderwall“, mit dem sie den Krieg gewonnen und die Welt erobert hatten. „Whatever“ wird wie in den 90ern mit „Octopus’s Garden“ der Beatles ge-mash-upt, die Nostalgie-Maschine perfekt bedient. Anders als damals belaufen sich Bühnenansagen aber auf ein Minimum; „D’You Know What I Mean?“ wird etwa dem anwesenden (im Publikum, sowie als Pappkamerad auf der Bühne) Pep Guardiola, Trainer des Fußballvereins der Gallaghers, Manchester City, gewidmet. Auch das typische Gekabbel zwischen den Brüdern entfällt total. Liam ist sichtlich gerührt, erwähnt immer wieder wie beautiful doch alles sei – und er selbst eine „good-looking cunt“. Doch Noel verbleibt spürbar im Hintergrund, liefert Dienst nach Vorschrift, aber nicht mehr. Vielleicht ist das Eis, auf dem sie hier stehen, einfach noch zu dünn. Sie haben noch 38 Termine vor sich. Medienberichten zufolge verbringen sie die Tournächte in getrennten Hotels, wechseln backstage nur die allernotwendigsten Wörter miteinander. Diesmal darf nichts gehen.
Die Visuals? Wie üblich bei Oasis: für den Moment effektiv, aber auf dem Pfad ins Langzeitgedächtnis geraten sie ins Straucheln. Selbst Noel gestand ein, dass schon die Musikvideos seiner Gruppe meistens Schrott waren. Nun sehen wir nach einer High-Speed-Collage aus Headlines und Postings zur Reunion-Tour und zum Leben erweckten Artworks (bewegt wirkt die „Whatever“-Wiese dann doch etwas kitschig) wieder diese Monty-Python-artigen Cut-ups aus Archivmaterial und zahmer Psychedelia, mit denen die Band seit Jahren unnötige „Lyric Videos“ unterlegt, auf einer riesigen Videoleinwand. Wenn man denn hinkuckt, der Fokus liegt natürlich auf den Gallaghers, wie sie da regungs- aber alles andere als beteiligungslos stehen. Der lustigste Moment ist, wenn Keyboarder Christian Madden absichtlich das Intro von „Don’t Look Back In Anger“ verhunzt, weil Noel ihn davor nicht bei der Bandvorstellung erwähnt hatte. Das Lachen geht sogleich in Seufzen über, wenn die ikonischen Klavierakkorde dann doch korrekt erklingen. Manchester denkt an den 21. Mai 2017. An 22 Tote, an Schmerz und Trauer. Der Song, früher Sperrstunden-Soundtrack für besoffene Kettenraucher, ist heute Trostlied, kollektive Selbstvergewisserung. 80.000 Stimmen, Menschen umarmen sich, viele weinen. Eine Stadt, die sich ihre Kraft zurücksingt.
While we were getting high
Das Supersonic-Feeling hier ist unbeschreiblich. Jeder, der über Arme verfügt, wirft sie in die Luft, während das finale „Champagne Supernova“ sich über uns erstreckt und bald in ein gigantisches Feuerwerk übergeht, bevor, gewiss etwas selbstironisch „Those Where The Days“ von Mary Hopkin über die Lautsprecher ertönt. Where were you while we were getting high? Vielleicht noch gar nicht geboren. Aber heute, heute sind wir alle da. Oasis sind für Manchester das, was die Fab Four für die Nachbarstadt sind: Herz, Seele, Identität. Die Songs dieses Abends werden bis in alle Ewigkeit auf Hochzeiten und Beerdigungen laufen. Oasis sind mehr als eine Band, sie sind Folklore. Niemand konnte ihre Fußstapfen in den vergangenen 30 Jahren füllen. Deswegen sind diese Lieder heute wohl noch wichtiger als sie es damals schon waren. Those were the days, my friend / We thought they’d never end“. Und heute haben sie das auch nicht getan. Live Forever. Selbst, wenn die „Live ’25 Tour“ letztlich das Ende der Band bedeuten sollte. Denn wie wollen sie diesen historischen Triumph je wiederholen oder gar übertreffen? „In the morning we don’t know what to do“, wie sie im gigantischen „Slide Away“ singen. Vielleicht. Aber darum geht es heute nicht. Heute war die gelebte Rock’n’Roll-Botschaft: Be Here Now! Where did it all go wrong? Daran wollen wir keinen Gedanken verschwenden. Heute ist nichts schiefgegangen. Ein perfekter Abend in einer kaputten Welt. „True perfection has to be imperfect“, wie Noel in „Little By Little“ meint, und auch: „We gave you everything you ever dreamed of“. True that, Danke!
Setlist:
- Hello
- Acquiesce
- Morning Glory
- Some Might Say
- Bring It On Down
- Cigarettes & Alcohol
- Fade Away
- Supersonic
- Roll With It
- Talk Tonight
- Half The World Away
- Little By Little
- D’You Know What I Mean?
- Stand By Me
- Cast No Shadow
- Slide Away
- Whatever
- Live Forever
- Rock ‚N‘ Roll Star
Zugabe:
- The Masterplan
- Don’t Look Back In Anger
- Wonderwall
- Champagne Supernova



