Interview

Black Lips im Interview: „Live-Shows brauchen Rituale“

Die Black Lips blicken nach vorne & zurück und stellen fest: Für eine gute Kollektiverfahrung bräuchte es einfach etwas ... „Akrobatik“.

Zum zweiten Mal kommt das Mikrofestival der galizischen Lagerbier-Marke Estrella Galicia für ein Event ins Berliner Bi Nuu. Nach einem erfolgreichen Festivalauftakt im März diesen Jahres, mit unter anderem den Mercury-Prize-Gewinnern English Teacher, waren es nun die berühmt-berüchtigten Black Lips, die die Bühne einnehmen. Wir treffen Cole Alexander, Jared Swilley, Jeff Clarke, Zumi Rosow und Oakley Munson vor ihrer Show zum ausgiebigen Gespräch.

Früher vs. Heute: Das sind die Black Lips

1999 gegründet, machte sich die Garage-Rock-Band aus Atlanta Mitte der 2000er mit Alben wie GOOD BAD NOT EVIL (2007) einen festen Namen in der Indie-Rock-Szene. Auch heute, nach über zwanzig Jahren und zehn Studioalben, spielen sie ihre Musik weiterhin vor ausverkauften Konzerthallen. Die Black Lips sind gemeinhin aber nicht nur für ihren unpolierten Sound bekannt, sondern auch für ihre exzentrischem Live-Shows. Dort wurde gerne mal in die Menge gepinkelt, Drum-Sets und Gitarren in Brand gesetzt oder auch Hühner auf die Bühne mitgenommen — doch die Band scheint erwachsen geworden zu sein.

„Das war eine Phase, als wir noch jünger und frischer waren“, erklärt Bandgründer und Frontmann Cole Alexander. „Sowas ist schon lange nicht mehr passiert. Abgesehen davon haben wir nie irgendjemandem ins Gesicht gepisst“, lacht er. Worauf die Presse sich damals bezog, und womit die Band heute unter anderen assoziiert wird, sei wohl eher ein akrobatischer Akt, bei dem Alexander sich selbst in den Mund urinierte, und dann auf die Fans spuckte. „Muss man dabei gewesen sein“, so Oakley Munson, der Schlagzeuger der Gruppe und lächelt. „Live-Shows brauchen Rituale, sonst würde das kollektive Gefühl bei der ganzen Erfahrung ja nicht rüberkommen. In der Kirche sind es Gebete und Weihrauch, bei uns waren es Feuerwerke und, nun, ja …Akrobatik“, fügt Saxophonistin Zumi Rosow grinsend hinzu.

Es herrscht eine angenehme Stimmung im Backstage-Bereich des Bi Nuu: Da wird gegessen, gescherzt, Geschichten erzählt und geneckt. Wie enge Freunde oder gar Geschwister sitzen sie auf den grünen Ledersofas und erzählen von der aktuellen Tour, verrückten Gigs und schrägen Erfahrungen mit Veranstaltungsorten. „Einmal wurden wir in einem Wohnwagen untergebracht, der den ganzen Tag in der Hitze gestanden haben muss. Es roch darin so, als hätte jemand Mayonnaise und vergorene Eier darin verteilt — es war widerlich“, berichtet Jeff Clarke, der langjährige der Gitarrist der Black Lips.

Perfekt (ab)gemischt: Das neue Album SEASON OF THE PEACH

Seit ihrer Gründung hat die Band einige Male ihre Besatzung geändert, an ihrem Sound gefeilt, die Charts gestürmt, sie wieder verlassen und erneut erklommen. Heute verzeichnen die Black Lips eine beachtliche Diskografie. Am 19. September erscheint ihr elftes Studioalbum SEASON OF THE PEACH. „Wir sind total aufgeregt, die Platte bald mit der Öffentlichkeit zu teilen“, sagt Munson. „Die letzte LP war eine typische Studioproduktion. Einiges auf dem Album konnten wir so, wie wir es aufgenommen hatten, nicht live spielen. Mit dem neuen Projekt haben wir wieder mehr die Chance, genauso zu spielen, wie wir es im Studio getan haben.“

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Mehrere Monate verbrachte die Gruppe in Munsons Heimstudio in den Catskills, um an neuer Musik zu arbeiten. „Normalerweise bucht man ein Studio für maximal zwei Wochen und man hetzt sich so durch die Aufnahme durch“, erzählt Rosow. Mit der neuen Platte konnten sich die fünf Musiker jedoch mehr Zeit lassen. „Wir lebten zusammen wie auf einer Farm. Cole hat Löcher für einen Zaun gegraben, den wir gebaut haben, Zumi hat Knoblauch angepflanzt und ständig liefen irgendwo Enten und Hühner umher“, erinnern sich die Black Lips, sichtlich amüsiert. Nach all den Jahren und Wechseln in der Bandbesetzung scheinen sie eine Formation gefunden zu haben, die nun seit mehr als zehn Jahren noch immer harmoniert.

Garage-Rock trifft auf New-Wave-Pop

Ihre neue LP verbindet die unterschiedlichen musikalischen Elemente, die sich die Black Lips in ihren zwei Jahrzehnten Jahren erfolgreich angeeignet haben. Musikalisch hält sich die Band seit ihren Anfängen eigentlich im Garage-Rock auf, ließ sich jedoch immer wieder von anderen Genres inspirieren und verfeinerte ihren Stil mit kommerziellen Details, ohne selbst an Charakter zu verlieren. Der anstehende Release ist also wie eine Art Sammelsurium der musikalischen Band-Historie: Dort trifft Garage-Rock auf New-Wave-Pop, und rauer Country verschmilzt mit euphorischem Western-Soundtrack.

Mit SEASON OF THE PEACH schafften die Black Lips ein Werk, das sowohl den wilden Geist ihrer frühen Jahre als auch den ausgereiften Sound ihrer aktuellen Besetzung einfängt. Und das konnte man auch live erleben: Beim ausverkauften SON Estrella Galicia Festival am 9. September heizte die Rockband das Publikum ganz schön auf. Gemeinsam mit der Berlin-based Band Jaguar No Me und dem katalanischen Trio Diamante Negro feierte das Mikrofestival einen erfolgreichen Eventabend.

SON Estrella Galicia Festival: Weitere Termine

Am 27. November geht es im Kreuzberger Gretchen mit den Sängerin Σtella in die nächste Indoor-Festivalrunde. Über diesen Link gibt es noch Tickets für die Show. Ein vierter Termin ist ebenfalls klar: Am 13. Dezember spielen die Lambrini Girls im Bi Nuu. Weitere Support-Artists werden noch bekannt gegeben.