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Bauhaus & Peter Murphy: Die wichtigsten Alben im Ranking

Welche Alben lohnen sich besonders, welche eher nicht? Hier geht es zum Bauhaus-Check!

„Die Fledermäuse haben den Glockenturm verlassen“, dichtet Peter Murphy in seinem legendären Trauerlied für Dracula-Darsteller Bela Lugosi. Wo die Tiere hin sind? In die musikalische Welt von Bauhaus, der Band, die Goth-Rock zu dem machte, was er im besten Fall sein kann: eine dunkle Musik, in der sich Ausdrucksdrang und Isolationszwang dialektisch vereinen. Mit ihrer Diskografie legen die Bauhaus-Leute auch ihre Vorbilder offen: Bowie und Iggy Pop, Glamrock und Soul, Marlene Dietrich und Edgar Allan Poe.

WAS MAN BRAUCHT

In The Flat Field (1980)

Mit ihrer paranoid-klaustrophobischen Interpretation von Postpunk haben Siouxsie & The Banshees, The Birthday Party und Joy Division die Türen zu einem dunklen Raum aufgestoßen, dann kommen Bauhaus und besetzen ihn. Absolut bemerkenswert, dass die Band instinktiv weiß, worauf es beim Gothic-Rock ankommt; das Debüt IN THE FLAT FIELD ist die Blaupause eines Stils, der sich erst einige Jahre später zur halbtoten Persiflage wandelt, hier noch die Kraft des Postpunk bündelt und in düsterste Gefilde transferiert. „Double Dare“ leiht „Double Dare“ leiht „Double Dare“ sich die industriellen Tribal-Drums von Joy Divisions „Atrocity Exhibition“, anders als Ian Curtis Exhibition“ , anders als Ian Curtis Exhibition“ leidet Peter Murphy extrovertiert, wie ein Rocksänger, wie Jim Morrison. Basis des Songs ist ein Doom-Riff, darauf legt Gitarrist Daniel Ash wildeste Effekte, die Musik ist damit zugleich körperlich und psychedelisch – der Soundtrack für eine junge Goth-Generation, die sich klar zu erkennen gibt und gleichsam in die eigene Welt flüchtet. Damit sind Goths die Dialektiker unter den Jugendkulturen, und Bauhaus verstehen diese Gesinnung. Sie spielen „The Spy in the Cab“, was sinnvoll nur gehört werden kann, wenn die Verzweiflung die eigenen vier Wände hinaufkriecht. Aber auch den Partytrack „St. Vitus Dance“, wie gemacht für schwarze Happenings.

Fünf Sterne

Mask (1981)

Ein Jahr später – und Bauhaus spielen Pop und sogar Disco! „The Passion Of Lovers“ hat einen überbordenden Refrain und klare Strukturen, ein Hit wurde die Single dennoch nicht, dafür ist der Beat zu hektisch. „Of Lillies And Remains“ klingt wie Ian Dury bei „The Spy In The Cab“ den Edgar-Allan-Poe-Festspielen. Höhepunkt ist das Stück „Kick In The Eye“, das für David Bowie die perfekte Vorlage gewesen wäre, um gleichzeitig groovy und zwielichtig durch die 80er-Jahre zu kommen. Ein Jahr später covern Bauhaus „Ziggy Stardust“ , die Liebe von Bauhaus zu Bowie bleibt von diesem jedoch eher unerwidert, nahe kamen Band und Superstar sich nur am Set zum Film „Begierde“: Bauhaus spielen in einer Szene, beim Catering gibt Bowie der Band Feuer.

Viereinhalb Sterne

Peter Murphy: Deep (1989)

Das dritte Soloalbum des Bauhaus-Sängers – und plötzlich ist er ein Popstar. Zumindest für befristete Zeit. Es sind die Jahre, als Iggy Pop Bubblegum-Platten aufnimmt und viele seiner Fans der Meinung sind, dass Peter Murphy die Songs abliefere, die eigentlich ihrem Helden gut zu Gesicht stehen würden. „Deep Ocean -Vast Sea“ zum Beispiel. Interessant auch, dass der Kerl aus Northampton auf DEEP einen amerikanischen Akzent zur Schau stellt, der beinahe an das Kaugummienglisch von Stan Ridgway erinnert – damit aber Erfolg hat: Das Album verkauft sich gut in den USA, die Singles laufen auf MTV, allen voran „Cuts You Up“, das mit seiner schönen Cello-Melodie auch von den Go-Betweens stammen könnte. Und Murphy kann noch romantischer: „Marlene Dietrich’s Favourite Poem“ erzählt von der scheuen Schauspielerin, die sich abseits der Filmsets nur dann unter Leuten wohlfühlte, wenn sie ihre Lieblingsgedichte vorlas.

Viereinhalb Sterne

GOTHIC – WIE ALLES BEGANN

The Bela Session (2018)

9:36 Minuten. Hardcore-Fans des Stücks – und davon gibt es sehr viele – erleben jeden Moment des Brockens immer wieder gleich intensiv, die verhallten Rimshots des Schlagzeugers, die Gitarre von Daniel Ash, die das Eigenleben einer Insektenkolonie zu vertonen scheint, der melodische aber unstete Basslauf, nach knapp drei Minuten dann die Totengräberstimme von Peter Murphy: „White on white translucent black capes, back on the rack. Bela Lugosi’s dead, the bats have left the bell tower.“ Anfang 1979 nehmen Bauhaus diese Studie dessen, was Gothic sein kann und sein wird, auf. Die Sessions sind legendär, weil hier die Grundkoordinaten des Genres gelegt werden. Neben „Bela Lugosi’s Dead“ (das Interesse am Leben und Sterben des ungarischen Horrorschauspielers haben Bauhaus mit einem jungen Kerl aus Spandau gemeinsam) bietet das Mini-Album THE BELA SESSION vier kürzere Tracks, in denen noch der Punk wohnt und die Bauhaus als sehr gut eingespielte Band zeigen, die auch ohne Effekte auf den Punkt kommen kann.

Fünf Sterne

ANDERE ABLEGER

Dalis Car: The Waking Hour (1984)

Bauhaus sind am Ende, gleichzeitig verlässt Bassist Mick Karn die Band Japan – und an dessen Idee, zusammen ein Projekt ins Leben zu rufen, findet Peter Murphy Gefallen. THE WAKING HOUR bleibt das einzige Album, wer es hört, muss sich darüber im Klaren sein, wie Pop-Bässe im Jahr 1984 klangen: gespielt auf Fretless-Instrumenten, direkt ins Mischpult. Die Töne liegen über dem Gesamtsound, als habe eine penetrante Hummel den Mix noch einmal überflogen. Auch die Drums kommen vom Computer, Gitarren gibt es kaum, die Synthies imitierten arabische Melodien. Dies ist Synthie-Art-Pop – und wer davor nicht zurückschreckt, der hört hier einen Klassiker dieses Genres.

Viereinhalb Sterne

Love And Rockets: Seventh Dream Of Teenage Heaven (1985)

Während Peter Murphy nach dem Ende von Bauhaus experimentiert, gründen Gitarrist Daniel Ash, Bassist David J sowie Schlagzeuger Kevin Haskins Love And Rockets und zeigen sich dabei sehr clever: Die drei fühlen, dass die Zeit der reinen Genremusik abläuft, gefragt sind erste Crossover-Versuche, basierend auf der Annahme, dass ein Markt für alternative Rockmusik entsteht. Love And Rockets bedienen diesen, auf ihrem Debütalbum mischen sie Rock’n’Roll-Klischees, Kommerz-Pop und Gothic-Elemente. Mit ihrer hüftsteifen Coverversion vom Temptations-Klassiker „Ball Of Confusion“ gelingt ihnen ein Hit. Die Lords Of The New Church sind zu dieser Zeit in ähnlichen Gefilden unterwegs, und auch wenn dieser lederjackenschwere Post-Punk-Pop-Rock heute sehr seltsam klingt: 1985 ist das eine heiße Angelegenheit.

Dreieinhalb Sterne

MURPHY ALS ALT-GOTHER

Peter Murphy: Ninth (2011)

Das Solospätwerk von Peter Murphy ist eine schwierige Sache, weil der Sänger Wert auf schweren Sound und große Gesten legt, da geht zwangsläufig einiges in die Hose. NINTH ist in dieser Hinsicht ein typisches Werk dieser Phase, vieles klingt metallisch und unbeweglich, jedoch hat Murphy auf Songs wie „Velocity Bird“ seine Iggy-Imitation mittlerweile perfektioniert, ist „Seesaw Sway“ ein Track mit Bauhaus-reifem Refrain, „I Spit Roses“ überzeugender Goth-Folk. Die Misere zeigt „Peace To Each“: ein Gitarrenriff aus dem Proberaumzentrum, ein um Kunst bemühter Gesang mit Botschaft fürs Gästebuch der evangelischen Kirchengemeinde zwei Straßen weiter: „Give peace to each thing you see.“ Für so was hätte man Goth-Rock nicht erfinden müssen.

Zweieinhalb Sterne

LASST ES LIEBER BLEIBEN

Go Away White (2008)

Geh weg, Weiß! Nun denn. „Too Much 21st Century“ heißt das erste Stück des Bauhaus-Comeback-Albums, ein denkbar schlechter Start, erneut mit einem albernen Gitarrenriff, das Daniel Ash nicht ansatzweise gerecht wird, vor allem aber mit einem miesen Text über die Überforderungen des 21. Jahrhunderts, den Vorbild David Bowie in den Abguss gekippt hätte: „Too much computer, too much information“. Goth kann ein zeitloses Genre sein, hier klingt es älter, als der Vorstand der Senioren-Union aussieht. Bis zum letzten Song bleibt die Platte ein unattraktiver Brocken, die Rückkehr wäre ein reines Ärgernis, wenn die Konzerte in Originalbesetzung nicht ganz okay gewesen wären.

Anderthalb Sterne

LIVE ETC

Die Zahl der Bauhaus-Live-Alben ist immens, was auch daran liegt, dass die Band reihenweise Gigs der 2005er-Tour mitschneiden ließ – als Souvenir. Wovon man die Finger lassen sollte, ist das halboffizielle Bootleg REST IN PEACE – THE FINAL CONCERT (Zwei Sterne), aufgenommen 1983, erschienen 1992: ein liebloser Mischpultmix, fast uneditiert. Klassen besser ist THIS IS FOR WHEN … (Viereinhalb Sterne), aufgenommen 1981 in London, erschienen 2009: Die Band steht unter Feuer, spielt die ersten beiden Alben ziemlich komplett, dazu die frühen Singles. Bauhaus tun hier einfach so, als wären sie Superstars. Steht ihnen gut! Die Perle der gesamten Bauhaus-Diskografie ist eine Sammlung von BBC-Sessions unter dem Titel SWING THE HEARTACHE (Fünf Sterne). Ob bei John Peel oder anderen DJs, die Band darf mit Klängen experimentieren, der Sound dennoch rein wie im Labor. Bauhaus covern „Telegram Sam“ von T.Rex, Enos „Third Uncle“ und Bowies „Ziggy Stardust“, große Songs wie „In The Flat Field“ oder „She’s In Parties“ klingen dynamischer als auf den Studioalben.