An der Bar mit: English Teacher
Ein Bar-Gespräch über Anti-Theken-Haltung, Journaling und Klassiker-Drang.
Zusammen mit Sängerin Lily Fontaine, Gitarrist Lewis Whiting und Bassist Nicholas Eden wird sich mit Sprudelwasser samt Limette im Bi Nuu für ihren dortigen Auftritt aufgewärmt.
English Teacher treten dort im Rahmen der Premiere von „SON Estrella Galicia“ auf – einem Microfestival, dass am 9. September mit Black Lips, Jaguar No Me, Diamante Negro und am 13. Dezember mit Lambrini Girls in der Hauptstadt im besagten Kreuzberger Venue weitergeführt wird. Der Gedanke dabei: Einzigartige Musikshows liefern und dabei auch die Philosophie der Nachhaltigkeit und Community weiter verbreiten. Denn dafür steht „SON Estrella Galicia“, die seit jeher auf Artist-Förderung setzen und dabei auf Publikumsnähe mit einem nachhaltigen Touch gehen wollen.
Ihr wirkt so tiefenentspannt, obwohl ihr gleich noch auf der Bühne steht. Was ist los?
LILY FONTAINE: Wir fangen gerade erst wieder an, uns warmzuspielen, und das macht es wohl aus – wir sind ungewöhnlich gut ausgeruht. Nachdem wir alle etwas Zeit für uns selbst hatten, macht es jetzt umso mehr Spaß. Selbst wenn ich wie gestern die Lyrics beim Konzert vergesse und die Jungs einfach in Endlosschleife loopen müssen, bringt mich das nicht so aus der Fassung – ich musste mir nur ein Lachen verkneifen.
LEWIS WHITING: Ich dachte erst, dass du technische Probleme hast, bis du dich umgedreht und geflüstert hast: „Wie geht die erste Zeile?“ Und ich konnte mich auch nicht erinnern! (lacht)
LILY: Aber es hat eben nicht den Abend ruiniert – ihn nur verändert.
Was lässt euch so selbstsicher in Bezug auf eure Live-Shows sein?
LILY: Therapie! Aber es ist ein ewiger Prozess …
LEWIS: Bei mir auch. Zeit hilft, um sich gut mit sich selbst auf der Bühne zu fühlen. Früher hatte ich regelrechte Stage-Angst, aber das ist lange vorbei.
NICHOLAS EDEN: Bei mir variiert das Level an Selbstsicherheit in Bezug auf mein Können schon. Es kommt ganz darauf an, wie meine Umgebung auf mich reagiert.
Euer Debütalbum THIS COULD BE TEXAS kam 2024 heraus. Ich hörte, ihr arbeitet gerade an Neuem. Wie fühlt es sich an?
NICHOLAS: Es ist eine Mischung aus geduldigen und ungeduldigen Momenten. Mal kann ich es kaum erwarten, Neues in die Setlist hineinzuwerfen und dann versuchen wir als Band wieder einen Gang runterzuschalten und uns richtig Zeit für alles zu nehmen, damit wir bei dem guten Gefühl bleiben.
LILY: Wir wollen nichts forcieren, auch wenn wir schon wissen, dass ein bisschen selbst auferlegter Druck eine nützliche Sache sein kann. Trotzdem hoffen wir, dass sich alles natürlich zusammenfügt.
NICHOLAS: Aber wir haben so langsam Sommer und da fällt mir einfach eh alles leichter.
Lasst uns über Sommerdrinks sprechen – welche sind eure Favoriten?
LEWIS: Ich bin immer für einen Negroni zu haben!
LILY: Das kann ich so gar nicht genießen, zu stark. Aber inzwischen habe ich eh aufgehört zu trinken. Da sind also nun die alkoholfreien Alternativen gefragt. Früher habe ich Margaritas geliebt. Jetzt werde ich das im Sommer mal in anti-alkoholisch testen.
NICHOLAS: Bei mir sind es mittlerweile so um die zwei Jahre ohne Alkohol. Aber eine Bloody Mary habe ich gerne getrunken, das ging immer.
LILY: Oh ja, lecker, das ging mir auch so! Ich mag pikante Drinks.
Warum habt ihr dem Alkohol entsagt?
NICHOLAS: Für uns beide gab es da so einige Gründe … Ich möchte sie jetzt ungerne ausführen. Aber ja, jetzt macht mich Sprudelwasser mit frischer Limette am glücklichsten.
LILY: Schon wieder Bingo, das ist auch mein Favorit. Deshalb haben wir im Backstage auch so viel davon rumstehen. Wir sind halt voll Rock’n‘Roll! (lacht)
Habt ihr das Gefühl, ihr lebt ein gesundes Leben?
LEWIS: Das variiert und ist weit entfernt von Perfektion. Aber um irgendwie dahinzukommen, muss man schon ganz bewusst daran gehen und sich Mühe geben. Wobei das für mich auf Tour nicht so gut klappt. Eine kleine Lernkurve ist dennoch sichtbar.
NICHOLAS: Ich lebe schon sehr gesund, nur Zucker ist mein Endgegner. Darauf kann ich einfach nicht verzichten, es bleibt ein Kampf.
LILY: Ich muss mich auch bewusst um mich kümmern. Auch um meine mentale Gesundheit. Aber allein jeden Tag kreativ sein zu dürfen, ist etwas, was mein Gehirn grundsätzlich gesund hält.
NICHOLAS: Stimmt total. Ich muss mir das auch mehr bewusst machen. Ich übe mich derzeit sowieso viel in Dankbarkeit.
Bist du eine Journaling-Person?
NICHOLAS: Die möchte ich eigentlich sein, ja. Aber wenn ich in der Vergangenheit was runtergetippt habe, habe ich es im Anschluss auch wieder gelöscht.
LILY: Du brauchst halt ein Notizbuch, dann geht das mit dem Löschen nicht.
NICHOLAS: Das wäre romantisch, oder? (lacht)
LEWIS: Ich betreibe ja tatsächlich Journaling seit anderthalb Jahren und bin ganz besessen davon. Ich weiß gar nicht, wie ich ohne funktionieren würde, wenn ich ehrlich bin.
Apropos funktionieren: Geht so ein Bar-Besuch nach einem Konzert für euch dann zum Runterkommen oder ist das ein Quatsch-Klischee von mir?
LILY: Na klar funktioniert das, heute würde ich zum Beispiel gerne ein bisschen was austesten in Berlin.
NICHOLAS: Da bin ich dabei! Es sollte nur nicht zu voll sein.
LILY: Oder die Musik zu laut …
LEWIS: … oder zu schlecht sein.
Was macht gute Musik in dem Zusammenhang aus?
LILY: In einer Bar kann das jegliche Art von eklektischer Musik sein – Hauptsache sie kommt nicht von einer Künstlichen Intelligenz.
NICHOLAS: Im Bestfall laufen sogar Songs, die ich noch nicht kenne, die mich Shazam anmachen lassen.
LILY: Aber solange die Drinks nicht zu teuer sind, lass ich mich von einer Menge überzeugen. Ich will nämlich auch mal eine Runde ausgeben können und trotzdem nicht gleich arm sein. Teure Läden machen mir direkt schlechte Laune.
Wenn ich jetzt in eine Bar kommen würde und ihr wärt schon drin – wo würde ich euch finden?
LILY: Egal wo, bloß nicht direkt am Tresen.
NICHOLAS: Aber wer sitzt da schon freiwillig gerne?
LILY: Für mich wäre das einfach zu viel. Es könnte zwar gut aussehen, aber letztlich hocke ich da nur krumm und schief auf einem Sitz, bei dem mir die Lehne fehlt. Ich will mich lieber in einer Ecke entspannt zurückfallen lassen und dabei cool aussehen.
LEWIS: Also mich findet man schon manchmal direkt an der Theke …
Weil du eine gute Haltung hast?
LEWIS: Wahrscheinlich bedingt das einander – weil ich öfter an der Theke sitze, habe ich überhaupt diese makellose Haltung. (lacht)
Welche Wünsche sind noch klaffend offen bei euch?
LILY: Ich möchte so richtig gerne einen richtigen Klassiker schreiben. Einen Song, der nicht nur Nische ist, sondern bei dem alle Leute immer mitsingen, der niemandem aus dem Kopf geht, den man seinen Kindern vorspielen möchte, der die Jahre überdauert. Ein Song, der wichtig ist. Wie einer von Joy Divison. Oder den Beatles. Das wäre mein größter Traum.
LEWIS: Das ist wohl das nie enden wollende Streben nach einem universell greifbaren Kunstwerk, das nicht nur im Moment lebt, sondern darüber hinaus.
Was ich raushöre: Ihr wollt ein Stück schreiben, das man auch fürs Karaoke-Singen auswählen würde.
LILY: Oh ja, genau! Ich kann mir momentan keinen unserer Songs in so einem Kontext vorstellen. Also müssen wir so was noch schreiben.
Mit wem würdet ihr gerne mal in einer Bar für eine Weile abhängen?
LILY: Mit Derren Brown – Mentalist, Magier. Mit dem wäre es sicher nicht langweilig.
Nicholas: Und mit Bob Morton auch nicht.
LEWIS: Oh mein Gott, das wollte ich auch gerade sagen! Die zusammen wären einfach nur lustig.
NICHOLAS: Dann lass noch Homer Simpson dazukommen, das wäre eine richtig gute Zeit für alle! (lacht)
Mehr über English Teacher
Das Quartett aus Leeds weiß selbst nicht mehr so genau, wann sie beschlossen haben, als Indie- & Math-Rock-Band eine feste Beziehung einzugehen. Klar ist aber: Ihr Debüt THIS COULD BE TEXAS erschien 2024 und erhielt einen Mercury Prize und viel Kritiker:in nen-Lobgesang – wie übrigens auch schon die 2022er POLYAWKWARD-EP voller Emphase und Selbstermächtigung, ganz ohne Lehrerhaftigkeit.
Mehr zu „An der Bar“
In unserer „An der Bar“-Serie finden sich Künstler:innen mit ME-Host Hella Wittenberg in gemütlicher Atmosphäre am Tresen für einen Deep Talk zusammen.


