Interview

An der Bar mit: Amy Macdonald

Amy Macdonald übers Mitgrölen von Elton-John-Songs, das Problem mit den Pullen daheim – und warum sie die Gen Z feiert.

Es herrschen ernstliche Schottland-Vibes in der Berliner Bar Italia: Amy Macdonald ist zu Gast. Es kann also losgehen mit dem Theken-Talk.

Das Wichtigste zuerst: Hast du jetzt den kuscheligen Hotel-Bademantel, von dem du in einer Instagram-Story geschwärmt hast?

Leider nicht. Ich wollte mir gerade einen kaufen, durfte aber wegen des Besuchs eines hochrangigen Politikers für eine halbe Stunde nicht vom Fleck weg. Das galt für das ganze Hotel, wir konnten nicht aus unseren Zimmern. Das war hart, weil ich dann mit allem spät dran war und übereilt abreisen musste. Also kein neuer Bademantel für mich.

Dann stoßen wir darauf an, dass du es zumindest hier hergeschafft hast!

Cheers! Für mich heute aber nur mit Sprudelwasser, weil ich nach dem Interview in die Heimat fliege und am Flughafen mein Auto darauf wartet, von mir nach Hause gefahren zu werden. Da wir in Schottland eine Null-Toleranz-Politik in Sachen Alkohol am Steuer haben, lasse ich den Drink lieber weg.

Wenn du jetzt Trinken würdest: Inwiefern würde ich sehen, dass dich Alkohol verändert?

Ich bin dann so wie jetzt, nur viel lauter. Wenn ich mit meinen Freundinnen was trinke, beginnen wir mit der Zeit aus purer Euphorie heraus zu tanzen und zu singen. Und wenn das der Fall ist, wache ich gerne mal am nächsten Tag ohne Stimme auf. Neulich haben wir uns zu Elton John die Seele aus dem Leib gesungen. Er hat so viele großartige Lieder – wir haben uns über eine Stunde lang die Lyrics entgegengeschrien. Am nächsten Tag konnten wir einander nur schreiben, wie gut wir unsere Karaoke-Session fanden, aber telefonieren war nicht mehr drin.

Also Drinks mit Friends und eher nicht daheim?

Zu Hause Alkohol ist nicht so mein Ding, auch nicht von meinem Mann. Wir trinken eher was, wenn wir essen gehen oder bei Freunden sind. Was aber auch heißt, dass sich bei uns daheim jede Art von Alkohol stapelt, weil wir immer wieder welchen geschenkt bekommen. Am übelsten ist Wein, den hasse ich richtig. Nur habe ich nicht den Mut, den Leuten zu sagen, dass ich die Flaschen, die sie so liebevoll ausgesucht haben, nie öffnen werde.

Du könntest die ganzen unangetasteten Pullen auch weitergeben …?

Das versuche ich ja! Aber selbst meine Eltern, denen ich hin und wieder was zuschiebe, trinken nicht so viel, dass es die Regale leeren könnte.

Es ist wohl ein Kreislauf: Wenn die Leute erst mal bei dir die Regale mit dem Alkohol sehen, dann denken sie, du bist die Art von Person, der man so was schenkt.

Deshalb sage ich immer, wenn sich Besuch anmeldet: „Bringt nichts mit! Wir haben alles!“

Leute fühlen sich oft komisch, wenn sie mit leeren Händen vor offenen Türen stehen. Was bringst du mit, wenn du mal eingeladen bist?

Eine schöne Kerze oder eine gut riechende Handseife. Darüber freuen sich doch alle.

Du wirkst auf jeden Fall so, als wüsstest du, wo es langgeht.

Das muss ich auch. Seit ich mit 18 Jahren einen Plattenvertrag unterschrieben habe, muss ich auf eigenen Beinen stehen. Das hat auch geholfen, sich darum zu kümmern, ein funktionierendes Sicherheitsnetzwerk aufzubauen, was mich nachhaltig entspannt.

Was hilft dir sonst beim Entspannen?

Zu wissen, dass ich nichts zu tun habe. Als ich mit meiner Crew gestern nach Berlin kam, waren alle aufgeregt am Rumfragen, was man noch machen könnte, und ich meinte nur: „Ohne mich, ich will nur auf dem Zimmer bleiben und Room Service kriegen!“ (lacht)

In „Can You Hear Me?“ singst du „wir können selbst die Geschichte schreiben“ – in welche Richtung hast du dabei gedacht?

Das ist mein liebster Song auf dem Album, ich hatte ihn nach 20 Minuten im Kasten. Dazu inspirierte mich ein Festival-Auftritt in Glasgow. Bevor ich auf die Bühne ging, schaute ich von der Seite der Stage ins Publikum und bekam Panik, weil ich so viele junge Gesichter sah. Ich dachte, dass das grausam wird, weil niemand meine Songs kennen würde, da die meisten zu der Zeit, als sie rauskamen, noch zu klein waren. Doch zum Glück habe ich mich rausgetraut, denn die Crowd war großartig. Sie haben alle Lieder mitgesungen und schienen dazu noch so sorglos zu sein. Das war 2021, also noch in der Pandemie-Zeit, in der auch die jüngeren Generationen viel Scheiß einstecken mussten – dass sie trotz dieser Untergangsstimmung dermaßen fröhlich wirkten, ließ mich kreativ werden. Ich schrieb den Song mit dem Gedanken an sie – sie werden die zukünftigen Boss:innen sein und das ist eine gute Sache, weil sie neue Ideen mitbringen und nicht zwingend an alten Gewohnheiten festhalten. Gen Z ist generell viel mehr an einem Miteinander interessiert als Millennials, bei denen ich so oft dieses gegeneinander Ankämpfen erlebe.

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Mit welchen Stars – tot oder lebendig – würdest du gerne länger in einer Bar abhängen?

Spontan fallen mir da Bruce Springsteen, Frank Sinatra und Debbie Harry ein. Die könnten mir mit ihren Wahnsinnsstimmen stundenlang Storys aus ihrem Leben erzählen!

Wirst du oft angesprochen, wenn du ausgehst?

In Schottland ja. Aber die meisten sind sehr sweet dabei. Wobei ich es auch schon mal hatte, dass eine Frau im Restaurant an meinem Tisch kam, mir erzählte, ihr Sohn sei mein größter Fan, und sie sich einfach dazusetzte und ihr Kind via FaceTime anrief, damit er mit mir sprechen konnte. Der Sohn war so 25 und gar nicht so klein, wie sie es zunächst anmoderiert hatte. Das musst du dir mal vorstellen: Er wollte ein richtig ausführliches Gespräch mit mir haben. Ich hätte meine Mutter angebrüllt, wenn sie so was mit mir gemacht hätte, aber er schien zu glauben, das sei ein völlig angemessenes Verhalten von seiner Mutter und ihm. Wie soll ich da gewinnen? Wenn ich gesagt hätte, wie unpassend ich das finde, hätten sie womöglich auf Instagram ein Posting darüber veröffentlicht, was ich für eine schreckliche Person ich sei. Für mich fühlt es sich manchmal so an, als müsste ich die ganze Zeit nur „ja“ sagen, um nicht bei den Leuten unten durch zu sein.

Das klingt nicht gerade wie Werbung fürs Promi-Sein.

Es ist auch nicht sehr glamourös. Es ist nur ein Job, der lediglich andere Strukturen und Zeiten hat als manch andere Jobs. Doch auch wenn ich jetzt nicht von einer Magie sprechen kann, so möchte ich nicht tauschen. Ich finde ich es super, meine eigene Chefin zu sein. Ich schaue auch nicht auf Taylor Swift oder Beyoncé und denke, dass ich das will, was sie haben. Es muss unfassbar schwierig für sie sein, ein echtes Leben zu haben. Ich wollte immer nur Songs schreiben und sie für die Leute singen. Gleichzeitig kann ich nach Hause kommen, eine relaxte Zeit haben und ein sehr durchschnittliches Leben im Vergleich zu Swift und Beyoncé leben.

Mehr zu Amy Macdonald

Die 1987 geborene Schottin Amy Macdonald feierte 2007 direkt mit ihrem Debütalbum THIS IS THE LIFE und dem Titeltrack ihren internationalen Durchbruch. Darauf folgten fünf weitere Platten, das aktuelle am 11. Juli. Auf IS THIS WHAT YOU’VE BEEN WAITING FOR? geht es um den Versuch des Umgangs mit den vielen Herausforderungen unserer Zeit. Ab Februar 2026 tourt sie mit der LP auch hierzulande.

Mehr zu „An der Bar“

In unserer „An der Bar“-Serie finden sich Künstler:innen mit ME-Host Hella Wittenberg in gemütlicher Atmosphäre am ­ Tresen für einen Deep Talk zusammen.