Alison Mosshart im Interview: „Hört ganze Platten“
Eine rastlose Karriere, die viel mehr ist als The Kills: Künstlerin, Vielfliegerin, Rock-Ikone.
25 Jahre The Kills – und die Welt bekommt offensichtlich nicht genug vom Garagenrock von Alison Mosshart und Jamie Hince. Nach ihrer Tour zum gefeierten Comebackalbum GOD GAMES lieferten sie US-Konzerte als Support von Queens Of The Stone Age ab. Stillstand war für Mosshart nie eine Option.
Wir haben die zwischen ihren Wohnsitzen London, New York und L.A. pendelnde Musikerin zum Interview abgefangen. Ein Gespräch über ihre Kunst neben den Kills, düstere Zeiten für die Musikbranche, und warum sie europäische Festivals mag.
In den letzten Monaten hat man von dir viele Projekte gesehen, musikalische und künstlerische, unter anderem eine Ausstellung deiner eigenen Bilder in New York.
Das war meine erste Ausstellung seit einiger Zeit. Vor allem die erste, bei der jemand in einen Raum kommen und sie sehen kann, was ziemlich lustig ist. Ich habe so viel Glück, ständig gebeten zu werden, bei unglaublich tollen Sachen mitzumachen.
Du warst auch bei einem Patti-Smith- Benefizkonzert in der Carnegie Hall in New York dabei. Wie hast du das erlebt?
Das war sehr bedeutsam für mich, denn ich bin mit Patti Smiths Musik aufgewachsen. Ich war noch nie so nervös. Plötzlich sitzt da Patti Smith und sieht uns allen zu, wie wir ihre Songs singen. Es war back to the roots, Draufgängerkram. Total nervenaufreibend.
Und dann gab es einen Gig zu Ehren Mark Lanegans in London, bei dem du gesungen hast. Wie kam es dazu?
Es war unglaublich, darum gebeten zu werden. Ich war umgeben von Leuten, die Mark sehr nahestanden, lange mit ihm gearbeitet oder in seiner Band gespielt haben. Ich habe Mark nur einmal getroffen, als ich mit ihm Stooges-Songs für James Williamsons Platte gesungen habe. Das waren Demos, scheinbar in einer Garage auf Kassette aufgenommen, und wir haben buchstäblich versucht, herauszufinden, was zum Teufel Iggy da singt. Ich mochte Mark wirklich sehr und war ein Fan, seit ich denken kann. Ich war total zittrig und konnte nicht glauben, dass ich mit diesem Typen singen durfte. Das war ein ganz besonderer Tag, den ich nie vergessen werde. Seine Lieder zu singen, war eine riesig Ehre, aber auch furchteinflößend. Bei fünf Liedern sind das ganz schön viele Wörter, die man vermasseln kann. Wir hatten nur dreißig Minuten zum Proben, dann Soundcheck, und plötzlich geht es los. Der ganze Text wirbelt durch deinen Kopf. Alle sind nervös und hoffen, dass sie es richtig draufhaben, weil es für Mark ist.
Woher nimmst du die kreative Energie, so viel gleichzeitig zu jonglieren?
Ich habe das Gefühl, dass alles irgendwie nebeneinander existiert, aber ich versuche, meine Kreativität ein wenig zu organisieren. Ich lasse mich gerne voll und ganz auf etwas ein. Es ist schwer, diese Coversongs zu lernen; viel Aufwand und großer Druck. Als ich für die Kunstausstellung gemalt habe, habe ich dabei nur Patti Smiths Songs gehört. Das war fast manisch, aber auch fantastisch.
Dieses Jahr steht für The Kills eine große Tour an.
Ich möchte wirklich nichts mehr, als mit unserer Platte GOD GAMES überall in der Welt zu touren. Es ist dieses seltsame Gefühl, dass ich mit diesem Album noch nicht alle erreicht habe. Und das liegt mir wirklich am Herzen, denn ich habe mit Jamie so hart an dieser Platte gearbeitet; wir sind so stolz darauf. Aber auf Tour zu gehen, ist sehr schwer. Es ist so teuer, dass man es im Grunde kaum machen kann. Es war ein bisschen herzzerreißend, dass es so viele Städte und Teile der Welt gibt, in die wir nicht fahren konnten. Ich versuche, deswegen nicht deprimiert zu sein.
Jamie und du scheinen eine unglaubliche Chemie zu haben.
Ich bin jetzt 46 und habe Jamie mit 17 Jahren kennengelernt. Er ist einer der lustigsten Menschen überhaupt, wir stehen uns sehr nah. Außer meiner Familie kenne ich nur wenige Menschen so lange. Wir sind beste Freunde und haben schon so viel durchgemacht. Das schweißt zusammen.
Wie empfindest du das Publikum auf Festivals? Coachella hat zuletzt wieder eine Diskussion darüber entfacht, dass die Musik immer mehr in den Hintergrund rückt, das Publikum keine Connection zur Musik hat.
Dafür gebe ich dem Publikum nicht die Schuld. Musik gehört mittlerweile praktisch zwei Leuten; es ist eine riesige Geldmaschine. Für Künstler ist da kein Geld mehr drin. Wenn wir die Leute dazu bringen könnten, ihr Spotify-Abo und den ganzen Mist zu kündigen, würden Künstler endlich bezahlt und die Musik wieder zu etwas Besonderem. Momentan ist es ein riesiger kommerzieller Gig. Was für eine Beziehung haben die Leute denn zu Bands, oder zur Musik, wenn sie sich eben mal dreißig Sekunden von diesem oder jenem Clip anhören? Ich mache den Musikfans keine Vorwürfe, aber ich würde sie ermutigen, die Dinge für sich selbst zu etwas Besonderem zu machen. Hört auf, bestimmte Dinge zu unterstützen. Hört ganze Platten! Euer Körper, euer Hirn wird glücklicher sein.
Das hört sich fast düster an.
Wir leben in einer seltsamen Zeit des Kapitalismus und Konsumismus, und das ist wirklich düster. Ich könnte darüber Bücher schreiben, denn ich habe schon lange gesagt, dass das passieren wird. Mein Weg, Musik zu konsumieren, hat sich nicht geändert. Wenn mir ein Album gefällt, kaufe ich es. Ich weiß, wie viel es kostet, eine Platte zu produzieren, wie viel Zeit darin steckt und wie viel dafür geopfert wird. Letztendlich machen wir das alles, weil wir es lieben. Zwischen Produktion und Konsum einer Platte gibt es eine seltsame Lücke; es harmoniert nicht miteinander. Deshalb überrascht mich Coachella nicht; es geht schon lange in diese Richtung.
Wie steht es mit europäischen Festivals?
Ich liebe all diese kleinen, coolen europäischen Festivals in Städten mit vielleicht 10.000 Leuten. Das ist die richtige Art, Musik zu erleben, Bands zu entdecken und eine tolle Zeit haben. Große Shows sind auch super, eine echte Herausforderung und aufregend. Aber ja, man will eine Verbindung zum Publikum aufbauen. Ich schreibe ständig neue Sachen und möchte deshalb mit den Leuten ins Gespräch kommen. Das ist ein bisschen old school und wahrscheinlich eine romantische Einstellung.
Was ist aus deiner Band The Dead Weather geworden? Könnte es ein neues Album geben?
Mit Dead Weather gab es nie wirklich einen Plan; wir haben alle unsere Jobs. Es war ein wunderbarer Zufall, dass vier sehr gute Freunde gleichzeitig frei hatten und Musik machen konnten.
Wird es ein neues Album geben?
Wer weiß. Ich könnte nein sagen, und dann machen wir morgen eins. Das ist die Band ohne Plan, und das mag ich daran.
Was steht als Nächstes auf deiner Wunschliste?
Ich will unbedingt noch eine Kills-Platte machen; ich liebe die Zusammenarbeit mit Jamie so sehr. Das ist mein Baby und hat für mich immer oberste Priorität. Alles andere ist nur das Sahnehäubchen. Bei jedem Projekt, das völlig außerhalb der Komfortzone liegt, lernt man so viel. Ich bin süchtig danach, zu denken: „Oh mein Gott! Ich weiß nicht, wie das geht“, und es dann doch zu tun.
Interview: Ruth Heer


