Kolumne

Aidas Popkolumne: Hilfe, ich bin süchtig nach Social Media!

Aida würde gerne weniger auf sozialen Medien abhängen. Gibt es sowas wie ein gesundes Gleichgewicht?

Ich sag’s euch ehrlich: Ich kann nicht ohne Social Media. Ja, ich nehme mir auch jeden Morgen vor, nicht als erstes auf mein Handy zu schauen. Aber was passiert genauso jeden Morgen: Ich scheitere total daran. Ja, ich nehme es mir auch jeden Abend vor, nicht als letztes auf einen Screen zu schauen. Aber was passiert auch jeden Abend? Ich scheitere daran. Und so weiter und so fort. Mein Verhältnis zu meinem Handy, aber insbesondere zu Instagram, TikTok, Bluesky und Co. ist ehrlich gesagt ungesund. Damit bin ich natürlich nicht die einzige – schön wär’s! – aber das tröstet eigentlich noch viel weniger. Wie nice wäre es, wenn ich der einzige Trottel wäre, der komplett süchtig ist nach sozialen Medien? Die Welt wäre eine bessere, ganz bestimmt.

Aber ich bin, wie viele von uns, auch total abhängig von sozialen Medien. Ich bin freiberufliche Journalistin, das heißt: Ich muss mich konstant über soziale Medien bewerben, meine Skills als Reporterin, Autorin und Moderatorin unter Beweis stellen. Und am besten auch noch genug Follower*innen einsammeln, um mich wirklich eine Influencerin nennen zu dürfen. Problem nur: So ungesund mein Konsum ist, so schlecht bin ich darin, strategisch eine Follower*innenschaft aufzubauen. Auch, weil es ein Job für sich ist, der ziemlich viel Zeit und Raum einnimmt. Und bei dem sich die Regeln dauernd ändern, man sich also immer wieder neu orientieren muss.

Leider macht Social Media auch Spaß

Und trotz all dieser Unsicherheiten habe ich zusammen mit meiner Freundin Ciani-Sophia Höder ein neues kleines Social-Media-Projekt hochgezogen: „Mach dich unbeliebt“. Darin fordern Menschen, die wir richtig cool finden, dazu auf, sich mal so richtig unbeliebt zu machen und zu canceln. Klingt jetzt wie ein Widerspruch zu meinem Rant da oben, aber das bringt mich zu meinem dritten Punkt: Leider macht Social Media ja auch immer noch in richtig guten Momenten auch einfach eine Menge Spaß. Es ist nicht nur das wichtigste Werkzeug für Popkultur heute, um Musik, Filme, Serien, Bücher an ihr Publikum zu bringen und mit ihm zu diskutieren, sondern es ist auch selbst popkulturelles Genre. Memes, Kurzvideoformate, Diskurs. Sonst wären wir ja auch alle nicht so süchtig, oder? Ohne Social Media wäre Meme-Kultur immer noch ein Nischenphänomen. Ohne Social Media hätten wir keine Formate wie Chicken Shop Date, Trackstar, Hot Ones oder Subway Takes. Ohne Social Media gäbe es keine OOTDs und keine Tiktok-Trends und noch viel wichtiger, niemanden, der sie tausendfach durch den Kakao ziehen würde.

Wie also mit Social Media verfahren? In der letzten Folge der ersten Staffel von „Mach dich unbeliebt“ packt die Autorin (und Musikexpress-Kolumnistin!) Julia Friese die unangenehmste aller Wahrheiten aus:

Instagram Placeholder
An dieser Stelle findest du Inhalte aus Instagram
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Wir sollten alle hier nicht abhängen auf diesen Plattformen und wenn, dann sollten wir sie so benutzen, wie wir auch Zähneputzen: zwei bis drei Mal am Tag für drei Minuten. Und dabei keine unbedachten und unrecherchierten politischen oder gesellschaftlichen Takes raushauen und keine Angst verbreiten. Julia hat absolut recht – und ich stimme ihr immer mehr zu, seit ich gestern Abend das Buch „Careless People“ zu Ende gelesen habe. Kein Roman, sondern ein Memoir, wie der Untertitel schon ahnen lässt: „A Story of Where I Used to Work“. Die Autorin,

, hat jahrelang bei Facebook im Bereich internationale Politik gearbeitet, und gibt ziemlich spannende, aber auch ziemlich erschütternde Einblicke in die Chefetage des Meta-Konzerns. Sie erzählt von Milliardären, denen niemand mehr ‚Nein‘ sagt, die in einer dermaßen von der Welt abgeschnittenen Blase leben, dass sie keinen Bezug mehr zur Realität haben. Sie erzählt von Leuten, die von Transparenz erzählen, aber deren eigene Social-Media-Auftritte mehr als nur manikürt sind – sie erzählen oft das Gegenteil von dem, was sie wirklich glauben, machen, tun. Und natürlich mein Lieblingsfakt, der mittlerweile alles andere als ein Geheimnis ist: Während Menschen in Silicon Valley alles tun, um mit angeblich „kinderfreundlichen“ Produkten möglichst viele Kinder und Jugendliche möglichst früh an ihre Plattformen zu fesseln, sind die Screentimes ihrer eigenen Kinder komplett reglementiert und sie geben ihren eigenen Kindern oft nicht mal selbst ein Smartphone.

Wie also sollten wir mit Social Media umgehen?

Meta, der Mutterkonzern von Facebook und Instagram findet Sarahs Erinnerungen natürlich alles andere als amüsant und lustig und wollte es ihr gerichtlich verbieten, das Buch zu bewerben. Und wie so oft hat genau das dazu geführt, dass eine große Öffentlichkeit überhaupt davon erfahren kann. Denn ehrlich gesagt „Memoiren einer ehemaligen Facebook-Angestellten“ klingt nämlich an sich gar nicht so interessant.

Immerhin, ein Erfolg für Meta und alle anderen Social-Media-Plattformen, denen der Hintern auf Grundeis geht, dass auch ihre Mitarbeiter:innen irgendwann aussteigen und Sachbücher und Erinnerungen über ihre Zeit in diesen Unternehmen schreiben – auf Bookstagram, Booktok und Co. ist das Buch bislang kein großer Hit. Für Romantasy ist das alles ein bisschen zu echt und zu krass.

Wie also sollten wir mit Social Media umgehen? Ich weiß es doch auch nicht. Mein Käsehändler erzählte mir kürzlich, dass er Cold Turkey gemacht hat und Social Media seitdem nur noch beruflich nutzt – und jetzt sogar wieder jeden Morgen Zeitung liest und jeden Abend im Bett Bücher. Eine andere Kollegin schließt im Freibad ihr Handy ein und liest wieder gedruckte Magazine. Wie zum Beispiel dieses hier, aber in der Papiervariante, mit glossy Cover und allem Drum und Dran. Und dann schaue ich von meinem Handtuch nebenan neidisch an und denke mir: „Die machen’s richtig!“