Kolumne

Aidas Kolumne: Krieg der Bilder

Es kursieren viele Videos zum Konflikt zwischen Israel und dem Iran: Was ist echt und was ist fake?

Auf Tiktok habe ich ein Video von einem Rave auf einem Hochhaus gesehen, während im Hintergrund Raketen fliegen. Kann das echt sein? Während ich versuche zu recherchieren, ob ich da gerade ein KI-Video gesehen habe oder diese Party auf einem Dach echt war – und wenn ja, wo sie stattgefunden haben will – ist das Video schon verschwunden. In den Untiefen des Internets wieder auffinden Schwierig.

Ein paar Stunden später schickt mir eine Freundin ein Video von tanzenden Menschen in Teheran, die angeblich die Bomben feiern. Es sieht mir aber einer iranischen Neujahrsfeier mit Musik und Feuern, über die man springt, verdächtig ähnlich. Wieder ein paar Tage später postet ein israelischer Friedensaktivist ein Video von einer Familie, die sich freut, dass eine iranische Rakete über einem palästinensischen Dorf abstürzt. Mir raucht der Kopf. Was ist echt? Was ist fake? Und können wir das alles noch irgendwie unterscheiden?

Krieg zwischen Iran und Israel

Der Krieg zwischen Israel und dem Iran ist auch ein Krieg der Bilder – oder vor allem: der KI-Bilder. Mittlerweile wurde das Internet im Iran abgeschaltet, die Menschen haben keinen Zugriff mehr auf Informationen. Aber bevor das passierte, schickten uns Freund:innen pixelige Videos, die dort in Chatgruppen kursieren und ein angeblich zerstörtes Tel Aviv zeigen. Die Videos zeigen alle ein völlig anderes Bild, als wir es von unseren Nachrichtenberichten hier kennen, von Medien wie Tagesschau, New York Times und Haaretz. Sie wirken alle wie von der KI-generiert, die herumliegenden Gebäudeteile ergeben kein schlüssiges Ganzes, die herumlaufenden Personen scheinen wie durch Beton zu laufen.

Und es wäre keine Überraschung, denn sogar die offiziellen Nachrichten in offiziellen iranischen Medien zeigen KI-generierte Videos, wie Recherchen der britischen BBC zeigen: ein Video, in dem eine Rakete in ein Gebäude einschlägt und es sofort explodiert, ist auf dem ersten Blick verstörend und wirkt echt. Bis man darauf achtet, dass die angeblichen Raketen aus dem Nichts erscheinen, das Gebäude explodiert wie in einem schlechten Steven-Segal-Actionfilm und dabei auch noch der Rauch nach unten zieht, statt nach oben. Und auch das Video von den angeblich feiernden Menschen in Teheran hat sich der britische Sender vorgenommen: eine Bildersuche über Google zeigt sofort, dass das Video tatsächlich im März bei Neujahrsfeiern auf den Straßen der Millionenstadt aufgenommen wurde.

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Was kann man noch glauben?

Schon jetzt, wo Bild- und Videogeneratoren noch ziemlichen Quatsch in ihren Fotos und Videos veranstalten und sie auf den zweiten Blick ziemlich schnell als Fakes zu entlarven sind, gehen solche Videos viral. Das liegt daran, dass sich niemand Zeit nimmt für den zweiten Blick. Solch surreale Bilder scheinen jeglichen kritischen Blick und Zweifel auszuknipsen.

Und es ist ja nicht so, als ob es nicht genug echte surreale Fotos und Videos gibt, von dem Krieg der letzten Woche, von den letzten 19 Monaten, vom 7. Oktober, von allen Kriegen der Gegenwart. Ich habe das Video vom Rave auf dem Dach, während Raketen über den Himmel jagen, nicht mehr wiederfinden können. Das heißt nicht, dass es unbedingt ein Fake war – ich kam ja nicht einmal dazu, es nachzuprüfen – sondern viel eher, dass wir in Zeiten leben, in denen wir jede Sekunde von mehr Content überflutet werden, als wir ihn jemals konsumieren könnten. Und dass wir in einer Zeit der Gleichzeitigkeiten leben, in denen es eben nicht unrealistisch ist, dass Menschen noch auf einer Party getanzt haben, während ein Krieg ausbricht. Denn auch Menschen in Kriegs- und Krisenregionen tun vor allem eines: über- und weiterleben.

Was können wir also tun, in diesem Krieg der Fake- und realen Bilder? Durchatmen. Videos und Fotos noch ein zweites Mal unter die Lupe nehmen. Faktenfinder abonnieren – und immer daran denken, dass ganz egal, ob das vorliegende Bild real oder fake ist, immer echte Menschen unter einem Krieg leiden und nicht bloße Zahlen.