Kolumne

BSK: Linus Volkmann findet – ohne diese Band kannst du 2025 vergessen

Bei dieser verhaltensauffälligen Punkband handelt es sich um die Newcomer des Jahres, da legt sich Linus Volkmann in seiner Kolumne fest.

„Soli-Party ging bis drei / deshalb bin ich auf der Demo nicht dabei“ („Keine Kappas“ / BSK)

Herzlich willkommen zu dieser jährlichen Powerserie. Ich stelle euch jetzt eine Band vor, die euer verehrtes Empfinden genau wie die nächste WG-Party auf den Kopf stellen kann. Vertraut mir, legt eure Händchen in meine – und wenn ihr doch skeptisch seid, dann schaut auf die Vergangenheit dieser Rubrik: 2021 ging es los mit Team Scheisse, führte uns 2022 zu Pogendroblem, machte 2023 Station bei dem dramatischen Duo Tränen nur um ein Jahr später bei der wunderbaren Mina Richman rauszukommen. Jetzt ist 2025, die Zivilisation nimmt langsam Abschied, aber die Musik hat nicht zu spielen aufgehört. Im Gegenteil. Es gibt immer noch angenehm aufgekratzte Acts zu entdecken. Wie gefällt euch dieser hier? BSK.

Kunstvoller Punk mit Nähmaschinen-Gitarren, der seine eigene Simplizität zwar zu schätzen weiß, aber auch immer wieder nach Ideen, nach Ab- und Umwegen sucht – und somit nie im Knast selbstaufgebrummter Redundanz verharrt. Hintersinnige wie -listige Texte erzählen verschmitzte Storys aus der Welt von linker Jugend- und Popkultur. Storys, die man so auch noch nie gehört hat. Ein Traum aus Haltung, Brett und Selbstironie.

Das Akronym BSK der fünf Freund:innen aus einst Neuwied ist dabei keine konkrete Abkürzung, sondern eine Buchstabenkombination, die sich vom variantenreichen Insider-Gag zu einem stabilen Bandnamen gemorpht hat. BSK? Ach, warum nicht! Ich traf Salomon, Ben und Hannah zum Interview. Jannik und Justus hatten gelben Schein.

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Achtung, erste Frage. Es geht um die Stadt Neuwied. Wenn ihr euch für eine Sache entscheiden müsstet, die von dort kommt: Lieber Toxoplasma oder lieber das Flippermuseum?

SALOMON Auf jeden Fall das Flippermuseum. Das hat mich in meiner Jugend mehr geprägt als Punkrock.

Überraschend, aber auch eine schwere Wahl. Ich habe selbst viel Toxoplasma gehört, allerdings auch mit großem Eifer immer wieder das Flippermuseum in Neuwied besucht. Die haben dort auch Fremdenzimmer, da kann man übernachten und in jedem der Räume steht ein Flipper mit Endlos-Credits.

SALOMON Das ist das Ding von Kleinstädten, die benötigen einen „Unique Selling Point“ und Neuwied versucht da mit ganz weirden Dingen mitzuhalten. Dort gibt es zum Beispiel auch das Foodhotel – ein Hotel, in dem jedes Zimmer Werbeveranstaltung einer Marke ist. Da hat man dann das Nudelzimmer, das Bierzimmer oder auch eines von Haribo. Das ist ein Fetisch von solchen Städten wie Neuwied. Man will behaupten können, man besäße eine spezielle Attraktion, die dann angeblich die größte oder einzige ihrer Art in Europa sei.

Aber ihr kommt nicht alle aus Neuwied. Könnt ihr ein bisschen was erzählen zum Wer Was Wo von BSK?

BEN Heute wohnen drei von uns in Köln, zwei in Koblenz.

SALOMON Gegründet hat sich die Band um 2016 in Neuwied. Es gab damals die Möglichkeit, für 25 Euro im Monat einen Proberaum anzumieten – das haben wir gemacht und den Raum vorrangig für Partys genutzt. In dieser Zeit entwickelte sich auch der Bandnamen BSK. Am Ende sind Jannik und ich übrig geblieben. Wir haben beschlossen, nun auch mal eine EP mit all den über die Zeit aufgelaufenen Songideen aufzunehmen. Das haben wir dann mehrfach wiederholt und uns irgendwann sogar richtig Mühe gegeben – daraus erwuchs dann auch das Bedürfnis, die Musik live präsentieren zu wollen. Bis dahin waren schon viele Mitglieder dieser Band gewesen, aber alle einte, dass sie keine Instrumente spielen konnten. 2022 haben wir dann zur Abwechslung mal Leute gesucht, bei denen das anders ist – und so kamen wir zu Justus, Hannah und Ben. Das hat die Band sehr verändert, weil das Songwriting nun nicht mehr nur bei Jannik und mir lag. Mit dem neuen Album hat sich dieser Wechsel für mich jetzt komplett vollzogen.

BEN Justus und ich spielen noch bei einer anderen Band, bei Gut und Günstig und es war anfangs okay für uns, dass wir bei BSK quasi als Dienstleister für live dabei sind. Doch die Sache hat sich schnell organisch verwachsen, wir bekamen Spaß daran, gemeinsam zu Musik zu erfinden und plötzlich sind wir alle Freund:innen geworden. Das konnten wir doch nicht ahnen!

Und wie war es für dich, Hannah?

HANNAH Ich bin zuerst als Ersatz-Schlagzeugerin dazugestoßen, weil Justus ein Auslandssemester gemacht hat – aber als er wieder zurück war, bin ich einfach geblieben. Wir haben noch mit anderen Instrumenten rumprobiert, aber mittlerweile spielen wir beide Schlagzeug.

Aber nicht gleichzeitig? Gibt ein paar Metalbands, die sich zwei Drumsets auf die Bühne stellen, doch sowas ist ja eher selten.

HANNAH Nee, das machen wir nicht – auch wenn es sicher cool wäre. Aber wir besitzen ja nicht mal ein eigenes Schlagzeug!

Apropos Instrumente und Stichwort „Trompeten raus aus Punk“. Wo sind eigentlich die Bläser hin? Bei euren älteren Aufnahmen spielten die noch eine größere Rolle, scheint mir?

SALOMON Ursprünglich dachten wir, dass wir eine Punkrockband mit Saxofon sind. Das lag daran, dass ein Gründungsmitglied Saxofon spielen kann. Wobei das „kann“ in deutliche Anführungszeichen gehört. Später haben wir das vornehmlich durch synthetische Trompeten ersetzt. Als jenes Mitglied die Band dann verließ, um Haus und Kind zu bekommen, sind wir vollends umgeschwenkt. Also wenn man heute bei uns Bläser hört, spielen wir die über den Synthesizer.

BEN Aber die Trompete kommt jetzt auch zurück!

Warum nicht, denkt nur, was Feine Sahne Fischfilet mit dem Getröte alles erreicht haben.

BEN Da wollen wir nicht hin!

In euren Texten findet man sehr oft so einen gütigen Spott für die eigene linke Szene. Also Betrachtungen, die aus dem letzten KüFa-Plenum (KüFa = „Küche für alle“) stammen könnten. Keine Spalterlyrik aber doch ein kritischer, humorvoller Blick auf autonome Zusammenhänge.
Das war jetzt gar keine Frage, aber antwortet doch trotzdem drauf.

SALOMON Ich fand es halt immer irritierend, wenn ich Konzerte im autonomen Zentrum besuche, dass mir Punkbands dort oft noch mal erklären, wie doof Nazis sind. Dabei wissen das doch alle hier – und wenn man wirklich was Kritisches machen will, dann scheint es mir interessanter, einen Song zu schreiben, der eben genau in jener eigenen Bubble für Diskussionsstoff sorgen kann, statt die Zecken educaten zu wollen, dass der Kapitalismus nicht so ein tolles Wirtschaftssystem ist oder die Polizei auch ein Problem sein kann. Allerdings habe ich heute das Gefühl, dass wir mitunter auf Bühnen ankommen, auf denen wir weit außerhalb solcher Räume spielen. Dann kann es sich auch komisch anfühlen, so einen Szenekritik-Song zu spielen…

BEN Doch obwohl wir diese Reibungsfläche in den Texten haben, scheinen die Songs innerhalb der eigenen Szene anschlussfähiger zu sein, als wir vielleicht denken.

SALOMON Wir haben einen Song, der heißt „Räumt das AZ“. Da war meine Befürchtung, dass uns der mal um die Ohren fliegen könnte. Aber es ist vielmehr so, dass wir Konzertanfragen bekommen, in denen Leute schreiben: „Hey, euer Song ‚Räumt das AZ‘ ist toll, bei uns ist es genauso, wie ihr es beschreibt – wollt ihr in unserem AZ spielen?“

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Ich halte das tatsächlich für das Beste beider Welten. Dass Musik ein kritisches Bewusstsein besitzt, aber Themen auch mit Humor auflösen will und nicht an Parolen und zementierten Slogans klebt. Wohingegen der Song mit Team Scheisse euch auch sehr Old School kämpferisch zeigt. Es geht im Text um Querdenker, wie hat sich die Zusammenarbeit ergeben?

SALOMON Wir hatten vorher schon mal einen Querdenker-Song aus einer Spiegel-TV-Doku zusammengebastelt und es gab noch ein weiteres Lied von uns zum Thema. Dann posteten Team Scheisse ein Video, in dem Sänger Timo in der Fußgängerzone Beteiligte einer Querdenker-Demo anpöbelt. Da dachten wir, klasse, das samplen wir und machen noch ein drittes Stück dazu. Das war für uns selbst schon ein kleiner Joke, dass wir dieser Sache noch ein Stück gewidmet haben. Wir konnten außerdem behaupten, dass wir uns ein Team-Scheisse-Feature erschlichen haben.

Ach, so, die wissen gar nichts davon?!

BEN Doch, doch. Wir hatten schon mal vor ihnen gespielt. Wir haben ihnen das Stück vorher auch geschickt und es nicht einfach ohne zu fragen veröffentlicht. So Punk war unsere Aktion dann leider nicht…

Hier wo ich lebe, ist ein Hot Spot für die Querdenker-Bewegung. Während Corona liefen etliche Demos unter unserem Fenster vorbei und dieser politische Arm „Die Basis“ macht bis heute die dümmsten und ekelhaftesten Infostände. Komplett besessen von ihrer moralischen Erhöhung und ihrem hasserfüllten Fantasy-Mist. Mich triggert das total, weil die Querdenker-Bewegung in meiner Wahrnehmung für die Spaltung der Gesellschaft steht – und für so eine Unsolidarität, die mir in der Form bis dahin nicht bewusst gewesen war.

SALOMON Von „Die Basis“ wurde ich mal angezeigt wegen einer Konfrontation am Wahlstand.

Und hast du gewonnen?

SALOMON Verfahren eingestellt…

BEN Dann hast du doch zumindest die Diskussion um den Vorwurf gewonnen.

SALOMON Heute finde ich es eher lustig, dass es die immer noch gibt. Ab und zu kommt man in irgendeine Stadt und trifft auf eine Demo, auf der Leute was mit „Corona!“ schreien. Als wir die Songs schrieben, war es allerdings auch schon beängstigend, wie viele Leute das auf sich vereint hat. Ohne dass es überhaupt je eine richtige Bewegung war, denn da bringt am Ende doch fast jeder sein eigenes Thema mit – irgendwer wollte das deutsche Kaiserreich zurück, andere waren einfach rechtsextrem, die nächsten hatten Angst vor’m Impfen. Geinigt wird das bis heute alles nur durch diesen Hang zur vereinfachten Welterklärung.

BEN Die Songs haben auch wegen ihrer Eindeutigkeit für unsere Verhältnisse weite Kreise gezogen. Viele der Klicks kommen von Querdenkern, das kann man auch an den negativen Kommentaren sehen.

SALOMON Aus dieser Ecke rührt es auch, dass mal ein Konzert von uns bei einem Klimacamp verhindert werden sollten.

BEN Stimmt, da sollten wir klassifiziert werden als eine „Hass-Band“, die man nicht auftreten lassen dürfe.

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Ein anderer bemerkenswerter BSK-Song ist „Opa Punk“ von dem aktuellen Album. Er pointiert diesen Kulturkampf der Szene. Also dass es besonders in älteren Generationen Punks gibt, die vom Gendern soviel halten, wie es Markus Söder tut, und denen Diskussionen um Achtsamkeit und dass Typen ihre T-Shirts anlassen mögen bei Konzerten zuwider sind. Ein Punkbegriff, der sich auf „Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist“ verengt hat. Bei euch heißt es im Text: „Doch Opa Punk setzt sich zur Wehr / bei rechten Memes drückt er auf Share“. Nehmt ihr diesen Konflikt innerhalb der Punkszene als sehr präsent wahr?

SALOMON Es ist ja auf jeden Fall sichtbar, dass für einige Menschen ein gewisser Konservatismus herrscht, der für sie eindeutig definiert, was Punk ist und was nicht. Darauf haben wir natürlich keine Lust.

BEN Andererseits begeben wir uns immer öfter auf dieses Terrain, wo wir vor Leuten spielen, die so sich seit Jahrzehnten den Kampf gegen das Spießertum auf die Fahne geschrieben haben und in ihrer Musikauswahl selbst sehr spießig sind. Bei solchen Begegnungen merkt man schnell, dass unsere Musik nicht so räsoniert – aber manchmal auch doch. Ich erinnere mich, dass mir in diesem Jahr etliche Male auf die Schulter eher geschlagen als geklopft wurde und ich gesagt bekam: „Denk man gar nicht von euch, aber habt ihr doch ganz gut abgeliefert, oder was!! Richtig frischer Wind!!!“ Auch sowas kommt vor. Genau wie Leute online kommentieren: „Stimmt, mitunter bin ich mal so ein Opa Punk“, wobei der Song hintenraus auch noch mal konstruktiver wird und auflöst, dass es um Haltung geht und sich der Diss nicht per se bloß gegen alte Männer richtet…

Das Stück solltet ihr mal auf dem Hot Spot des Opa-Punks spielen, auf dem Ruhrpott Rodeo, diesem größten hiesigen Punk-Festival mit Headlinern zuletzt schon jenseits der Siebzig.

SALOMON Vielleicht erzeugen wir auf dem Ruhrpott Rodeo endlich die Reibungsfläche, die wir in den AZs nie aufrufen konnten…