Im Plattenschrank von Laufey: „Ich kann mir nicht erlauben, TikTok zu hassen“
„The Sound Of Music“ = bestes Musical, Norah Jones = Gott und Addison Rae = Obsession. Wir schauen in Laufeys Plattenschrank.
Während der Pandemie begann die klassisch ausgebildete Sängerin und Komponistin, TikToks mit Coverversionen sowie eigenen Songs hochzuladen und ging viral – vor allem unter der Gen Z. Für uns öffnet die zeitweise meistgestreamte Jazzkünstlerin Laufey ihren Plattenschrank.
Astrud Gilberto, Walter Wanderley — A Certain Smile, A Certain Sadness (1967)
Ich höre viel Musik aus den Sechzigern. Astrud Gilberto ist eine brasilianische Bossa-Nova-Sängerin und eine meiner liebsten aller Zeiten. Sie ist quasi zufällig in die Profession reingerutscht und singt deswegen auf eine sehr freie Art und Weise. Ihre Musik klingt sehr sorglos und die Arrangements haben etwas Zeitloses.
Du lässt selbst Bossa-Nova-Elemente in deine Musik einfließen.
Ich bin auf das Genre gestoßen und war komplett eingenommen vom Rhythmus und dem Sound. Viele sagen, dass Bossa Nova immer gleich klingt, aber für mich ist es erstaunlich, wie viel man im Rahmen des Genres tun kann. Ich war letztes Jahr zum ersten Mal in Brasilien und nervös, weil ich so viel von brasilianischer Musik und Kultur gelernt habe, aber alle waren so herzlich.
Ella Fitzgerald — Ella At The Hollywood Bowl 1958 (2022)
Ich hatte diese Platte auf meiner Kommode stehen, buchstäblich, um zu manifestieren, dass ich auch einmal auf der Bühne des Hollywood Bowl auftreten kann. Und dann wurde ich eingeladen, um dort mit demselben Orchester wie Ella Fitzgerald zu spielen – fast siebzig Jahre nach ihr, voriges Jahr im September! Es ist eine dieser magischen Orte, die so viele Stile und Genres zusammenbringen. Als Cellistin war ich damals sofort eingenommen von Ella Fitzgeralds Stimme. Wie sie scattet und improvisiert, als wäre sie eine Trompeterin. Sie hat diese Bewegung wirklich geprägt.
Addison Rae — Addison (2025)
Ich bin so besessen davon — ich glaube wirklich, Addison wird meine meistgestreamte Künstlerin dieses Jahr. Meine Freundinnen Luka (Kloser), Elvira (Anderfjärd) und Addison haben zusammen an dem Album gearbeitet. Nur Frauen und du kannst es hören — es ist das perfekte Album für den Sommer. Ich hoffe, Luka und Elvira machen weiter so, denn wir brauchen mehr Produzentinnen.
Addison und du habt auch beide eure Karrieren auf TikTok gestartet.
Einhundert Prozent. Ich liebe es, Addisons Interviews zu schauen. Ich weiß nicht, warum die Leute denken, sie wäre unauthentisch. Sie hat darüber gesprochen, dass Geschmack ein Privileg ist und dass man manchmal erst den Cringe-Mountain besteigen muss. Addison ist ein Selfmade-Girl – hat einfach ihr Ding gemacht. Es gibt so viele Künstler:innen, die die sozialen Medien oder besonders TikTok hassen. Ich kann mir das nicht erlauben, denn sonst hätte ich keinen Job. Ich hatte keine Verbindungen in die Musikindustrie, keine reichen Eltern. TikTok war, was ich brauchte und ich habe dort so peinliche Videos gemacht. Manchmal immer noch, aber es ist eben Teil des Jobs. Als ich angefangen habe, musste ich außerdem einige Videos machen, einfach nur, um meine Miete zu bezahlen. Während andere Künstler:innen, die das nicht nötig hatten, cool und mysteriös bleiben konnten. Addison ist der Beweis, dass es am Ende aber komplett egal ist. Du kannst so oder so eine ernst zu nehmende Künstlerin werden.
Sara Bareilles — The Blessed Unrest (2013)
Was ein Album. Tatsächlich habe ich sie gerade in New York getroffen. Sara Bareilles schrieb eines meiner liebsten Musicals – „The Waitress“ –, das hat mich zu einer Musical-Person gemacht. Es liegt ein Gefühl von Eskapismus darin und es gibt diesen einen Song, „Chasing The Sun“, auf dem sie von einem Friedhof in Queens singt. Irgendwie hat mich das alles echt eingenommen.
Rodgers & Hammerstein, Julie Andrews — The Sound Of Music (1965)
Einer der besten Filme, die je gemacht wurden. „The hills are alive with the sound of music“ (seufzt). Die Musik ist wirklich wunderschön. Ein sehr klassisches Musical. Kennst du den Song „Edelweiss“? Einer meiner liebsten Songs aller Zeiten. Die Musik hat mich schon als Kind begleitet und inspiriert mich noch heute. Die Orchester-Arrangements sind so zeitlos und perfekt klassisch — ohne zu klassisch zu sein.
Norah Jones — Come Away With Me (2002)
Ich bin der größte Norah-Jones-Fan. Sie war eine der wenigen Personen, zu denen ich aufschauen und sagen konnte, ich will tun, was sie macht. Auch wenn ihre Musik anders ist als meine – sie ist konzeptuell ihre ganz eigene Linie gefahren und es hat trotzdem Wellen geschlagen. Ihre Wurzeln liegen im Jazz wie meine, es gibt auch Jazzstandards auf dem Album. Mittlerweile hatte ich die Chance, mit ihr zusammenzuarbeiten. Wir werden außerdem oft für dieselben Jazz-Festivals gebucht. Und sie ist so nett – jedes Mal, wenn ich sie treffe, erzähle ich ihr alle meine Lebensprobleme. Sie ist mein Gott. Es ist so, als würde ich gerne sehen wollen, was sie anders gemacht hätte.
Ihr habt auch Weihnachtssongs zusammen aufgenommen.
Ich habe eine kleine 7-Inch-Vinyl davon und jedes Mal, wenn ich sie ansehe, denke ich, dass das nicht wahr sein kann. Wir haben auf einem Jazzfestival in Ghent in Belgien gespielt. Dann hat sie mich in ihren Podcast eingeladen und so kam es, dass wir danach einen Weihnachtssong in einem Take aufgenommen haben. Letztendlich wurden es zwei.
Chet Baker — Chet Baker Sings (1956)
Eigentlich wähle ich immer das zweite, also CHET BAKER SINGS VOL. TWO. Aber das hier ist der Ultra-Klassiker. „I Love My Buddy“ ist definitiv underrated. Es geht darum, einen Freund zu vermissen.
Auf deinem aktuellen Album geht es mit „Castle In Hollywood“ auch um das Beziehungsende einer Freundschaft. Ich kenne ansonsten keine Songs über Breakups in Freundschaften.
Gleichzeitig kenne ich keine Person, die das noch nicht durch hat. Immer, wenn ich mit Freund:innen über das Themarede, können sich alle mit ihren Erfahrungen darin wiederfinden. Dein Herz bricht. Es ist eine Trennung von einer Person, die wie eine Schwester für dich war. Das wird sich immer sehr schmerzhaft anfühlen.



