„Können wir noch ein Selfie zusammen machen?“ – 12 Tipps fürs Fan-Foto

Vergesst Autogramme! Die Königsdisziplin, wenn man seine Lieblingsstars abfängt, ist immer noch das gemeinsame Fan-Foto. Findet unser Autor Linus Volkmann in seiner Kolumne.

2025 … was ein Trip, oder? Da habe ich mich ja damals auf der 12-Stunden-Fahrt im Reisebus mit Magendarm noch besser aufgehoben gefühlt als in diesem Untergangsjahr. Diese Kolumne soll nun großflächig Honig auf all die Wunden streiche(l)n. Man muss doch auch mal wieder zur Besinnung kommen dürfen, wenn sich durchs Internet treiben lässt.

Zuletzt beschäftigte ich mich an dieser Stelle mit Israelhass als globalem Pop-Trend und dann stellte ich in meiner Paraderolle des käsigen Musikweirdos mit unstetem Blick elf nerdige Songs vor, auf die man abseits der omnipräsenten Algorithmus-Schienen mal stoßen sollte.

Heute nun lehne ich mich ganz entspannt zurück. So weit, dass ich fast hintenüber vom Bürostuhl falle – und dabei annonciere ich das freundliche Feelgood-Thema „Selfies mit Musiker:innen“. Bei diesem Hot Take macht das Doomscrolling endlich mal Pause.

Und wer kennt die Situation nicht? Man teilt – aus welchen Gründen auch immer – Raum und Zeit mit einem Star. Hat vielleicht schon einen unbeholfenen Satz herausgebracht, der das eigene Fantum konstatieren sollte … und sieht sich selbst in einer Draufsicht von oben, als würde man vor Aufregung letztgültig seinem eigenen Körper entschweben. Doch man gleitet wieder zurück in sein Fleischgefängnis und stammelt endlich die magischen Worte: „Öh, können wir noch ein, äh, Selfie zusammen machen?“

Auch ich als abgebrühter Popjourno schäme mich immer wieder aufs Neue, wenn ich mir bei diesem Satz zuhöre. Doch die Alternative – die Chance verstreichen zu lassen – ist ja auch ziemlich deprimierend. Ein kleines bebildertes Listicle zum Thema. Viel Spaß!

12 Tipps fürs beste Fan-Foto

… mit Mel C (2003)

01. Du hast nur einen Versuch

Sieht man auf dem Selfie, das man am Baggersee zum Angeben geschossen hat, aus wie Treibgut, dann kann man es einfach noch mal machen. Und noch mal und noch mal. Bis man sich endlich irgendwie okay findet. Bei Fotos mit den Stars ist das nicht der Fall. Die Promoterin (in diesem Fall) drückt einmal drauf und tschüss. Was mich zu diesem Wasserleichenbild von mir inklusive grotesk aufgequollener Riesenhand führt. Was stimmte mit mir oder der Perspektive nicht an diesem wunderbaren Tag, an dem ich ein Interview mit meinem liebsten Spice Girl führen durfte? Ich verehre „I Turn To You“ von Mel C – dieses gemeinsame Bild von uns indes würde ich mir aber trotzdem nicht an die Wand hängen. Was sicher nicht mit Sporty Spice zusammenhängt…

… mit PeterLicht (2014)

02. Verpatz es nicht mit komischen Gesten

Nun ja, dieser Fingerzeig von mir war Absicht. Ich fuhr einst mit dem rheinischen Smart-Pop-Zauberer PeterLicht im ICE. Vornehm! Dessen Markenzeichen war lange Zeit, dass er sein Gesicht auf Platten und Fotos nicht zeigte. Diesen Umstand respektierte ich bei unserem gemeinsamen Bild. Schließlich macht man solche Selfies zwar vor allem für den eigenen Fame, aber andererseits hofft man ja insgeheim auch, dass die Stars einen so toll finden, dass sie nach der Begegnung dein Freund sein wollen.

(Hat in diesem Fall so mäßig geklappt)

… mit Sleater-Kinney (2023)

03. Wenn die Stars Handzeichen geben

Andersrum ist es natürlich okay, ich würde sogar sagen, es ist besonders schön, wenn man ein gemeinsames Foto besitzt und die abgelichteten Prominenten sich die Mühe machen, irgendwas mit Händen oder Gesichtsausdruck anzustellen. So geschehen bei dem jüngsten Bild in dieser Sammlung. In einem schmucklosen Konferenzraum in London interviewe ich Corin und Carrie von Sleater-Kinney. Sleater-Kinney, eine ganz wichtige Band für mich in den Neunziger Jahren. Sie wirken auch heute immer noch geschäftig, spleenig und hellwach. V für Victory? Und wie!

… mit Kurt Krömer (2019)

04. Vorlieben teilen

Um aus dem kurzen Moment der Nähe das Maximale rauszuholen, empfiehlt es sich, den Artist zu spiegeln. Das erzeugt ein wohliges Gefühl von Gemeinsamkeit (#manipulation). Um die Begegnung mit Kurt Krömer für mich gewinnbringend zu gestalten, habe ich zum Beispiel mit dem Rauchen angefangen. Ich hoffte damals, er denkt, wir seien ja so gleich. Falls er das dachte, hat er es allerdings zumindest nicht erwähnt.

Seitdem bin ich schwer nikotinabhängig und komme nicht mehr ohne Pausen in den zweiten Stock, aber das Foto war es ja wohl wert!

… mit Macauly Culkin (2016)

05. Die Sache mit dem Körperkontakt

Man teilt bei solchen Schnappschüssen nicht nur ein Foto und dieselbe Luft sondern meist auch eine Berührung. Und wenn die beiderseits Konsens ist, darf man sich auch daran erfreuen. Altes Fangesetz! Ich weiß noch, wie Macauly Culkin an meiner Schulter hing. Der Hintergrund des Treffens in Paris (schon wieder: vornehm!) war ein Interview mit Adam Green. Der freundlich zauselige Antifolk-Guru hatte einen Film gedreht, in dem auch seinem Freund Macauly („Kevin allein zuhaus“) eine Rolle zukam. Ich unterhielt mich also mit Beiden, an meiner Seite der exzentrische damalige Fotoredakteur des Musikexpress‘ Peter Kaaden. Jener packte mehrere Flaschen Sekt beim Gespräch aus und ermunterte alle Beteiligten zum Trinken. Ich glaube, ich war noch nie so besoffen um zwei Uhr nachmittags wie an diesem Tag. Doch der Kniff zeigte Wirkung: Wir verstanden uns alle prächtig – und irgendwann hing Macauly Culkin an meiner Schulter fürs Foto. Keine Ahnung, warum Rudolf Augstein oder Henri Nannen in den Journalismus gegangen sind, bei mir waren es auf jeden Fall solche Momente.
PS: Ich habe von dieser Zusammenkunft damals auch ein kleines Video gedreht. Es steht immer noch online …

Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

 

… mit Nadja Benaissa (2023)

06. Treffpunkt Schönheit

Manchmal ahnt man ja schon, dass man eine Chance bekommen wird auf ein Selfie. Das sollte zum Aufhänger genommen werden, sich nicht in seine üblichen Lumpen zu hüllen, sondern doch mal den Anzug vom Pfandleiher auszulösen. Trotzdem verblasst man am Ende hinter der Ausstrahlung von Nadja Benaissa von den No Angels – aber man kann sich zumindest nichts vorwerfen und die Fotos auch mal an Weihnachten Mutti zeigen. („Wer ist das? No Angels? Kenne ich nicht. Du hörst ja doch immer nur so Krachmusik!“)

… mit OIe Paskarbeit von den Dimple Minds (2018)

07. Wer ein Star ist? Bestimmt man immer noch selbst!

Ich weiß noch, als auf einer Reise durch die Rockerkneipen von Bremen getuschelt wurde … An der Bar säße Ole, der Gitarrist von den Dimple Minds. Ja genau, die Dimple Minds. Bremens betrunkenste Asi-Band. Als Jugendlicher besaß ich ihre erste EP mit dem schönen Titel „Blau auf’m Bau“. Und ich verbrachte viele Stunden damit, sie zu hören, aber natürlich auch interessiert anzustarren und alle Infos darauf auswendig zu lernen. Hatte ich erwähnt, dass ich damals nicht so viele Freunde hatte, oder konnte man sich es schon denken? In meiner Welt jedenfalls war und ist dieser Typ hier ein Promi!

… mit Rod und Bela B. (2012)

08. Nicht zu lange auf deine Chance warten

Wer zu lange zögert, läuft Gefahr, dass sich das scheue Getier (Star) wieder in die Wälder (Penthouse-Suite, Opiumhöhle oder TikTok) zurückzieht. So geschah es hier. Wann ist bloß die richtige Gelegenheit die anwesenden Die Ärzte um eine Selfie zu bitten? Keine Ahnung… aber vermutlich noch bevor Farin Urlaub wieder aufs Zimmer gegangen ist. Tja, verpasst! Dafür konnte ich aus dem Bild immerhin ein eigenes Meme generieren.

… mit Milky Chance (2016)

09. Apropos Memes…

Milky Chance, das Gitarrenfolk-Duo aus Kassel. Für eine Story reiste ich seinerzeit tatsächlich in ihre nordhessische Heimatstadt. Es kam mir dort noch trostloser vor als in manchen aufgegebenen Städten im Ruhrgebiet, aber ich ließ mir nichts anmerken. Die armen Künstler mussten am Ende des Tages ja hier noch wohnen bleiben. Den kleinen Spaß mit der Meme-isierung meines haarigen Fan-Fotos haben sie mir heute hoffentlich verziehen.

… mit Heikedine Körting (2010)

10. Fan-Sein fängt schon in der Kindheit an

Als kleines Kind hockte ich auf dem Teppichboden meines Kinderzimmers und hörte Pumuckl-Kassetten. Als ich dann älter wurde, blieb ich einfach hocken, tauschte die Hörspielkassetten mit dem anstrengenden Kobold gegen Abenteuer aus der Millionenstadt – also TKKG. Ich habe gelbe Kassetten gefressen wie andere in jener Zeit Dextro Energen oder Fruchtzwerge. Gelbe Kassetten? Ja, auf solchen fanden sich die Fälle der leicht reaktionären Jugendbande. Die Firma dahinter war dieselbe, die auch für Die Drei Fragezeichen Sorge trägt: Europa. Mit deren Lichtgestalt, Heikedine Körting, besitze ich dieses Fan-Foto. Die anderen Nerds werden grün vor Neid – aber so be it! Im Jahre 2010 hat mich also einmal Heikedine angeschaut. Und wenn ihr ganz leise seid, hört ihr die Schmetterlinge in meinem Bauch.

… mit den Bondage Fairies (2012)

11. Fotos sind Erinnerungshilfen

Manche Fotos, auf die ich im Moment ihres Auslösens unglaublich hot war, fallen mir Jahre später wieder in die Hände und ich muss feststellen, dass meine Liebe dann doch erkaltet ist. Hier stehe 2012 ich auf dem Melt-Festival inmitten der Horror-Electro-Punkband Bondage Fairies. Das waren damals unsere Slipknot. Ihren Song „He-Man“ liebe ich bis heute sehr. Mit jedem von den Typen (Schweden) allerdings habe ich mich mit mittlerweile auf Social Media überworfen. Tja, it was good as long it lasted.

Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

… mit Torsun Burkhardt (2011)

12. Bilder von dir überdauern

Haha, das hätte Torsun bestimmt gefallen, dass ich seinen Abschnitt mit diesem unsäglichen Hit von Laith Al-Deen überschreibe. Oder vielleicht auch nicht? Nicht dass er mich jetzt heimsucht als Geist. Denn Torsun ist einen Tag vor Silvester 2023 verstorben. Wer ihn, seine Art, seine Haltung und seine Musik kennt, weiß vermutlich allzu gut, was für einen Verlust das bis heute darstellt. Ich habe damals ein Fan-Foto mit ihm zusammen gemacht. 2011 oder so auf einem Festival. Wir hatten uns vorher noch nie persönlich getroffen. Wie er das Motiv trotzdem gleich mit diesem wilden Kuss auflud, darüber habe ich damals gestaunt. Ich glaube, man sieht das auch gut in meinem Blick. Gefreut hat es mich trotzdem sehr.

Film abgeben

Ich will ja nicht angeben (doch!), möchte aber dennoch erwähnen, dass ich diese Kolumne noch viel epischer auskleiden könnte. Über die Zeit sind doch sehr viele solcher Fotos aufgelaufen, don’t judge me. Allerdings denke ich, wenn man in der eigenen Kolumne zwölf (!) Fotos von sich selbst unterbringt, ist das nun wirklich genug. Seht es mir nach!
Und sprecht mich gern an für ein Selfie, wenn ihr mich in der U-Bahn, im Wartezimmer beim Arzt oder auf dem Kneipenboden entdeckt. Ich bin jederzeit bereit.