Joachim Witt – Mit Rucksack Und Harpune

Wiederholungen will Witt tunlichst meiden. Auf den“.Goldenen Reiter“ und den „Herbergsvater“ folgte 1983 die überraschend sanfte LP MÄRCHENBLAU.

Geradezu brachial geht es nun weiter: Joachim Witt hat sich aus dem Ruhrpott die Kowalski-Truppe geliehen, damit die Herren mal so richtig losknüppeln. Hinzu kommt an den Tasten und als dritter Produzent neben Joachim und Rene Timmer kein Geringerer als Klaus Voormann.

Obwohl bevorzugt in die NDW-Schublade gepackt, war unser Herbergsvater schon immer ein leicht grüblerischer, eher widerborstiger Individualist. Ein Gratwanderer, der billigend in Kauf nimmt, daß seine Texte („knüppelhart zum gemischten Salat“) nicht nur akustisch sondern auch aussagehalber mißverstanden werden.

Unmißverständlich die Musik: Die Rhythmusgruppe peitscht und treibt: kaum ein Titel, bei dem die Disco-Klientel ausruhen könnte. So gibt der Rhythmus den psychedelisch-wilden Sounds Struktur.

Nur kurz stechen Solo-Fetzen hervor – für den Gitarristen Hans Bäar genug, um sich als Gänsehaut-Provokateur zu beweisen. Die instrumentale Aggressivität ist perfekt ausgesteuert und wirkt manchmal fast schon wieder maschinell. Ein nicht übermäßig zarter Song wie „When I Fall In Love“ wird mit seinen großflächigen Popklängen zum Ruhepunkt dieses selbstbewußten Kraftaktes.

Ambivalenter fallen die Texte aus. Chauvi-Posen (.Jede Frau mag es rauh“) sind zwar kein reines Rollenspiel, aber ein Wittscher „Rüde vom Wasserturm“ ist doch alles andere als eine bitterernste Hardcore-Figur. Am meisten Spaß macht mir sein assoziativ abhebender Irr-Sinn: „Ich schmeiß den Rucksack-Sack-Sack zwischen die Kühe in den Tod und seh rot. „Wenn Joachim als fistelnder „Rucksack“-Idiot vom Süden träumt („und viele Freunde hätt‘ ich und viele Pilze auf der Haut – unzerkaut“). dann hab ich ihm manche monotone Durststrecke schnell verziehen.

Die Single „Das Supergesicht“ (Maxi: „Das lange Supergesicht‘!) wurde von der NUVOX-Redaktion als „Stampf-Rock-Kopie von David Bowies ,Heros“ abgetan. Aber wirklich stampfen tut nur der bildertriefende Song-Clip „No-No-No-No“. und Joachim Witts Vorliebe für groteskes Pathos und Vibrato paßt nun mal perfekt zur Manier seiner Musik, die einen grundsoliden Mangel an BAP-Verbundenheit erkennen läßt. Keine leichte Kost – noch nicht einmal für in Sachen Vorurteil noch erfrischend Unverbildete Teenie-Fans des „Goldenen Reiters“.